Israels drittgrößte Universität, das Technion in Haifa, ist beispielhaft für die Umsetzung von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen in praktische, verkaufbare Produkte. Ihre Forscher haben immerhin 60 Hightechunternehmen gegründet. Text und Fotos: Reinhard Engel
Moshe Shoham ist am Technion in Haifa als Universitätsprofessor unter anderem für das Robotik-Labor am Institut für Maschinenbau verantwortlich. Auf den ersten Blick sieht seine Biografie ganz nach einer internationalen akademischen Karriere aus: Shoham hat unter anderem in Stanford und Columbia unterrichtet, er gehört mehreren akademischen Vereinigungen an und kann auf zahlreiche Ehrungen verweisen. Doch er hat noch ein anderes, praktischeres Leben. Shoham arbeitete schon in den 70er-Jahren eine Zeitlang für ein israelisches Industrieunternehmen, Israel Aircraft Industry. 2001 gründete er eine eigene Firma, Mazor Surgical Technologies, heute Mazor Robotics. Seit 2003 ist er neben seiner Universitätsarbeit dort Chief Technology Officer, also Technikvorstand.
Wissenschaftliche Erfindungen
Mazor gilt als eines der bekanntesten Hightechunternehmen, das in Israel aus einer Universität heraus entstand. Es notiert mittlerweile an der Tel Aviver Börse und an der New Yorker Nasdaq. Sein wichtigstes Produkt nennt sich Renaissance und ist ein roboterunterstütztes Führungssystem für Operationen an der Wirbelsäule, das dem Chirurgen präzises, minimal invasives Arbeiten erlaubt. 50 derartige Operationseinrichtungen konnte Mazor bisher international an großen Kliniken installieren, mit Hilfe von Renaissance wurden mittlerweile mehr als 35.000 heikle Operationen in Israel, Europa und den USA durchgeführt. Mazor ist allerdings kein Einzelfall – und auch nicht ganz zufällig entstanden. Denn an den großen israelischen Universitäten – wie auch am Weizmann-Institut – gibt es seit vielen Jahren sehr konkrete Programme, mit deren Hilfe wissenschaftliche Erfindungen in wirtschaftliche Nutzung umgesetzt werden sollen – und eben in erfolgreiche Unternehmen. Benjamin Soffer ist Geschäftsführer des T3-Programms am Technion, die Abkürzung steht für Technologie-Transfer-Technion, und seine Uni zählt immerhin 60 Unternehmen zu ihren Gründungen beziehungsweise Beteiligungen. Diese befinden sich in unterschiedlichen Stadien zwischen mühsamem Beginn und lukrativem internationalem Erfolg.
Russische Einwanderer
Soffer erzählt über die Anfänge von T3: „In den frühen 90er-Jahren hat es einen starken Zuzug russischer Einwanderer gegeben, viele von ihnen mit einer soliden wissenschaftlichen Ausbildung. Das war ein gewaltiger Gewinn an Humankapital für das Land, und dieses wollten wir nutzen.“ Das Technion zählt mit 550 Forschern international nicht zu den ganz großen technischen Hochschulen, diese bearbeiten aber ein breites Spektrum an Gebieten, von Mathematik über Physik, von IT bis zu Maschinenbau und Life Sciences. Die Frage war, wie man die Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft so gestalten könne, dass die ökonomischen Erfolge die Forschungstätigkeit nicht einschränken.
Soffer: „In der internationalen akademischen Welt gilt heute das Prinzip ‚publish or perish‘, also: Publiziere, oder du gehst unter. Das heißt also, wir dürfen auf keinen Fall mit wirtschaftlichen Projekten die Professoren daran hindern, an ihren wissenschaftlichen Publikationen zu arbeiten.“ Dies gelte umso mehr, als sich ja diese Akademiker bewusst für eine Karriere an der Universität entschieden haben und eben nicht bei Intel, Siemens oder Microsoft an marktnahen Problemen feilen wollen. Aber es sei ganz entscheidend, eben aus der Forschung entstehende Innovationen daraufhin zu untersuchen, ob es für sie Möglichkeiten der wirtschaftlichen Umsetzung ergeben. Dafür hat das Technion eigene Kommissionen eingesetzt, die in mehreren Runden untersuchen, was sich für die – sehr teure – internationale Patentierung eignen könnte, auf welchen Patenten sich dann auch Firmen aufbauen ließen.