Verborgene Heldinnen

Als in der Nacht zum 26. Oktober 2024 fast hundert Kampfjets der israelischen Armee Richtung Teheran flogen, saßen auch zwei Frauen in den Cockpits der F-15- und F-16-Flugzeuge. Der Weg zu dieser prestigeträchtigen Position im israelischen Militär war lang und von vielen Vorurteilen geprägt.

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Ausbildung einer jungen Soldatin des „Caracal Battalion“. © IDF

Bereits vor der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 spielten Frauen eine bedeutende Rolle in der Hagana, der jüdischen Untergrundarmee. Heute gehört Israel zu den wenigen Ländern weltweit, in denen auch Frauen wehrpflichtig sind. Ihr Militärdienst dauert zwei Jahre, Männer müssen acht Monate länger dienen. Die israelische Armee umfasst rund 170.000 Männer und Frauen, zusätzlich gibt es 465.000 Reservisten.

Lange Zeit waren typische Einsatzgebiete für Frauen im Militär der Sanitätsoder Funkdienst, doch mittlerweile können sie fast in allen Bereichen tätig sein, einschließlich einiger Kampfeinheiten. Ihr Anteil in den Kampftruppen liegt bei 20 Prozent.

Nur wenige Tage nach der Staatsgründung im Mai 1948 entschied Israels erster Premierminister David Ben-Gurion, dass alle kinderlosen Frauen der Geburtsjahrgänge 1920 bis 1930 ebenso wie die Männer einen obligatorischen Militärdienst leisten müssen. Seine berühmte Aussage war: „Sicherheit wird nicht existieren, wenn die Frauen unserer Nation nicht wissen, wie man kämpft.“ Obwohl Frauen offiziell von Kampfpositionen ausgeschlossen waren, nahm eine erhebliche Anzahl von ihnen aufgrund des akuten Personalmangels im Unabhängigkeitskrieg nach entsprechender Ausbildung dennoch an Kampfeinsätzen teil. In den Folgejahren übernahmen Frauen vor allem technische und administrative Aufgaben.

Zwei Trainerinnen der Infanterie bereiten sich für eine Übung vor, 2010. © IDF

Ignorierte Warnungen im Vorfeld. Am 7. Oktober 2023 verloren 15 Soldatinnen, die als Wachposten entlang der Grenze zum Gazastreifen im Einsatz waren, ihr Leben. Die Soldatinnen wurden von den Hamas-Terroristen regelrecht hingerichtet. Sechs weitere wurden entführt. Für die Angreifer schien der israelische Feind in weiblicher Gestalt die Aggressivität auf ganz besondere Weise zu steigern.

Tage zuvor hatten Soldatinnen von ihren Wachposten ungewöhnliche Aktivitäten in Grenznähe beobachtet, die sie ihren Vorgesetzten meldeten. Doch weder diese Warnungen noch die Hinweise einer Offizierin der angesehenen Nachrichtendiensteinheit 8200, die bereits einen Monat vor dem Angriff Beweise für eine geplante Großoffensive vorlegte, wurden ernst genommen. Warum? Israel wird sich in Zukunft durch umfassende Untersuchungen diesen und anderen Fragen stellen und entsprechende Konsequenzen ziehen müssen.

Unter den schnell mobilisierten israelischen Einheiten befand sich auch ein Trupp des „Caracal Battalion“ (KarakalBataillon), der normalerweise zur Überwachung der Südgrenze am Sinai stationiert ist. Diese Eliteeinheit, in der viele Frauen dienen, rückte an die Grenze vor und stellte die Angreifer. Nach israelischen Berichten wurden mindestens 100 Angreifer getötet.

Auch am südlichsten Ort des Angriffs, am Schnittpunkt von Gazastreifen, Ägypten und Israel, hatten Frauen entscheidenden Anteil am Widerstand. Junge, an Panzern ausgebildete Soldatinnen schrieben Militärgeschichte, als sie von ihrem Stützpunkt bei Nitzana etwa 50 Kilometer nordwärts fuhren und auf die ersten Terroristen trafen. Eine Kommandantin entschied, einen Panzer an einem Durchbruch des Grenzzauns aufzustellen, was ein weiteres Eindringen von Terroristen in die Region verhinderte.

Dies war die erste Panzerschlacht in Israels Geschichte, die von Frauen geführt wurde – und tatsächlich weltweit der erste Einsatz dieser Art, bei dem ausschließlich Frauen Panzer im Kampf steuerten.

Von der Randgruppe bis zur Führung von
Kampfeinheiten haben Frauen in der
israelischen Armee den Erwartungen
ihrer männlichen Kameraden getrotzt
und Barrieren durchbrochen.

 

Dass Frauen mit ihren Panzern eine so große Rolle spielen konnten, ist erst seit dem Jahr 2020 möglich, als nach jahrelangen Debatten ein Pilotprojekt startete. Die gesellschaftlichen Spannungen Israels zeigen sich auch innerhalb der Armee: Streng religiöse und konservative Offiziere treffen auf Soldatinnen, die sich für mehr Frauenrechte einsetzen; Orthodoxe dienen Seite an Seite mit TransgenderPersonen.

Frauen dienen in Kampfeinheiten mit leichterem Material, im Generalstab, bei der Militärpolizei, in der Logistik sowie in Suchtrupps für abgestürzte Piloten. Zudem sind viele Frauen in der Luftabwehr (Iron Dome) im Einsatz, da ihnen eine besondere Fähigkeit zum Multitasking nachgesagt wird.

Eine Pilotin der IDF während der „Operation Shield and Arrow“, 2023. © IDF

Die Panzereinheiten haben es vorgemacht, die Luftwaffe zog nach. Seit dem Beginn des Krieges gegen die Hamas stieg die Zahl weiblicher Rekruten, die Kampfrollen anstreben, auf 12 Prozent.

Dass Frauen als Kampfpilotinnen eingesetzt werden, musste erst der Oberste Gerichtshof in Israel entscheiden. Dieser bedeutende Wendepunkt geht auf die junge Neueinwanderin Alice Miller zurück. 1993 bewarb sie sich für die Israelischen Luftstreitkräfte, wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass Frauen dort nicht zugelassen seien. Miller klagte und brachte ihren Fall 1995 vor den Obersten Gerichtshof.

Ein Jahr später entschied das Gericht, dass Frauen Zugang zu den israelischen Luftstreitkräften erhalten müssen. Miller, die bereits Offizierin war, bestand die Aufnahmeprüfungen zur Pilotenausbildung, musste jedoch aus medizinischen Gründen später abbrechen. Die erste Frau, die tatsächlich als Pilotin diente, trat 1998 ihren Dienst an und wurde 2001 die erste Kampfpilotin.

Im Jahr 2000 wurde das seit der Staatsgründung bestehende Frauenkorps aufgelöst, um Soldatinnen nicht mehr nach ihrem Geschlecht, sondern nach ihrer beruflichen Qualifikation in der Armee einsetzen zu können.

Die Zukunft sieht für Frauen in der israelischen Armee vielversprechend aus. Sie übernehmen zunehmend Führungsrollen und stellen ihre Fähigkeiten in verschiedenen militärischen Funktionen unter Beweis. Von der Randgruppe bis zur Führung von Kampfeinheiten haben Frauen in der israelischen Armee den Erwartungen ihrer männlichen Kameraden getrotzt und Barrieren durchbrochen. Die laufenden Integrationsbemühungen sind nicht nur für das Militär, sondern auch für einen breiteren gesellschaftlichen Wandel in Israel von entscheidender Bedeutung.

Eine Gruppe Soldatinnen des „Combat Intelligence Collection Corps“. © IDF

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