Jüdische Medien in Deutschland. Ein kleinerRundgang. Von Alexander Kluy
Zehn Wochen brauchte man. Zehn Wochen nach dem 8. Mai, der Kapitulation Nazi-Deutschlands, bis auf deutschem Boden nach sechseinhalb Jahren wieder eine erste jüdische, dem Judentum gewidmete Zeitung erschien, in München. Ihr überaus zeitgebundener Name: D.P. Express. Am 14. Juli (dem Tag des Sturms auf die Pariser Bastille) 1945 lag die erste Nummer vor, 32 folgten. Die Redaktionsräume waren anfangs im Deutschen Museum untergebracht, später zogen die Zeitungsmacher in die Möhlstraße im Münchner Bezirk Bogenhausen, wo sich damals in einem Karree weniger Straßen zahlreiche jüdische Hilfsorganisationen, Spitäler, Kindergärten und Schulen, eine provisorische Synagoge und die fürs Überleben dringend benötigten Schwarzmarkthändler drängten.
Vom Gemeindeblatt zur Allgemeinen
In Düsseldorf am Rhein brauchte man mehr als ein halbes Jahr länger, um das Jüdische Gemeindeblatt für die Nord-Rheinprovinz und Westfalen auf den Weg zu bringen. Wenige Wochen nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe wurde es umbenannt in Jüdisches Gemeindeblatt für die britische Zone. 1973 hieß sie Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, ab 2002 Jüdische Allgemeine. Heute ist es das größte jüdische Periodikum in Deutschland und seit 1999 in Berlin ansässig, lange im Herzen des alten jüdischen, nach 1933 vollständig aus dem Weichbild der Stadt ausradierten Textil- und Konfektionsfirmenviertels am Hausvogteiplatz. Ende 2011 wurde in die Johannisstraße gleich neben dem Leo-Baeck-Haus übersiedelt, dem Sitz des Zentralrats der Juden in Deutschland, der als Herausgeber fungiert.
Das Blatt positioniert sich in einer langen Tradition, jener der 1837 begründeten Allgemeinen Zeithung des Judentums, die 1922 in der CV-Zeitung aufging, dem Organ des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, das am 3. November 1938 zur Einstellung gezwungen wurde. Laut IfV, der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V., trotzt diese einzige überregionale deutschsprachige jüdische Wochenzeitung dem grassierenden Printmedienschwund. Die Druckauflage stieg vom 4. Quartal 2012 zum 1. Quartal 2013 von 8.378 Exemplaren auf 9.346, ein Plus von mehr als 11,5 Prozent. Der Verkauf nahm um rund 3 Prozent zu: von 5.871 Stück auf 6.046. Schrumpften die Abonnementzahlen auch um 90 Exemplare – von 3.189 auf 3.098 –, ein Minus von 2,85 Prozent, so war beim Freiverkauf eine stupende, Christen würden „wundersam“ schreiben, Steigerung zu verzeichnen: um fast 25 Prozent (von 850 auf 1.059 Exemplare)! Worauf dies zurückzuführen ist? Vielleicht auf die dezidierte Liberalität des Blattes – selbst der den Zentralrat heftig attackierende Polemiker Henryk Broder, der manchem als rabiater Pöbler gilt, wird auf den Seiten der Jüdischen Allgemeinen gewürdigt, ausgefeilt liberal, endete doch das jüngste Porträt mit dem raffiniert zwiespältigen Satz: „Auf jeden Fall wird er gebraucht – leider.“