
Es gab kaum ein Durchkommen. An einem späten Montagnachmittag waren die Seminarräume und der Garten des Wiener Hotels „Max Brown“ mit Menschen dicht gepackt. Vor den Verkostungsständen der israelischen Weinproduzenten hatten sich Trauben junger und älterer Genießer gebildet, es wurde genippt, geschnüffelt und gefachsimpelt. „Wir haben etwa mit der Hälfte der Besucher gerechnet“, erzählt Ilay Levi Judkovsky, Deputy Chief of Mission und Wirtschaftsattaché der israelischen Botschaft in Wien. „Gekommen sind schließlich 350. Und ein Großteil davon hat immerhin 30 Euro für den Eintritt bezahlt.“ Sein Büro hatte über Monate gemeinsam mit dem Wiener internationalen Genuss- Magazin Falstaff das Event vorbereitet.
17 Weingüter ließen ihre Weißen, Roten, Rosés und Schaumweine verkosten, noch vor dem Publikumszustrom hatte man am frühen Nachmittag eine B2B-Veranstaltung eingeplant – für Importeure, Weinhändler, Restaurantbesitzer und Fachjournalisten. Ihnen gegenüber standen die Marketing-Manager der Weingüter, oft sogar die Chefs oder Besitzer selbst. „Die meisten der hier ausstellenden Weinerzeuger exportieren schon nach Österreich“, so der Gesandte Levi Judkovsky. „Sie wollen aber ihre Marktpräsenz ausbauen.“

Genau so argumentiert Nir Kuttner, Global Sales Manager des renommierten Weinguts Teperberg am Fuß der judäischen Hügel. Seine Visitenkarte zeigt das Motto „Family Winery since 1870“.
„Wir produzieren nur koschere Weine. Wir sind damit bereits in Wien in den koscheren Supermärkten LaMehadrin und Shefa vertreten. Aber wir wollen auch im breiteren allgemeinen Handel verkaufen.“
David Pinto ist CEO eines anderen, deutlich jüngeren Familien-Weingutes, der Pinto Winery. Diese wurde erst 2019 gegründet, und zwar in der südlichen Wüstenregion Negev. Im Vorjahr erzeugte Pinto immerhin schon 100.000 Flaschen weißer und roter Weine. Der Sekt, der nach der traditionellen Methode der Flaschengärung und -drehung erzeugt wird, liegt noch im Keller und wird erst in den nächsten Jahren angeboten.
„Wir stammen ursprünglich aus Spanien“, erzählt Pinto. „Unsere Vorfahren wurden 1492 vertrieben, dann lebten sie bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts in Marokko, von wo sie nach Israel einwanderten.“ Ob seine Familie schon früher mit Wein zu tun hatte? „Nein, überhaupt nicht, und auch ich bin eigentlich gelernter Designer. Ich habe dann aber in dieser Branche gearbeitet, als Sommelier und in verschiedenen Management-Funktionen.“
Seine Familie kam über Umwege zum Weinbau. „Mein Vater und mein Onkel waren in der Finanzbranche sehr erfolgreich. Sie wollten etwas zur Entwicklung des Negev beitragen.“ Erst finanzierten sie verschiedene lokale Bildungsprojekte, dann wandten sie sich der Landwirtschaft zu. Ein erstes Investment – und gleich auf großen Grundstücken – galt Eukalyptus- Bäumen. Deren Öl ist ein wertvolles Vorprodukt für die Kosmetikindustrie.
„Die meisten der hier ausstellenden
Weinerzeuger exportieren
schon nach Österreich.“
Levi Judkovsky
Doch von zwei Plantagen mit den heiklen Pflanzen brachte nur eine Erträge, die andere knickte vor den harten Klimakonditionen ein. „Wir hatten das Land und haben nun überlegt, was wir probieren sollen“, erzählt Pinto. „Dann haben wir Rebstöcke ausgepflanzt.“
Die Bedingungen in der Negev-Region sind für den Weinbau gleichzeitig schwierig und vorteilhaft. „Wir zählen im Jahr 325 Sonnentage aber nur 18 mm Regen“, so der Geschäftsführer des Weingutes. Das bedeutet ständig künstliche Bewässerung mit von Weitem herbei geleitetem Wasser aus Entsalzungsanlagen am Meer. Auf der Positivseite steht, dass das trockene Wüstenklima keine Grundlage für Schimmel oder tierische Schädlinge bietet. Die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht wiederum geben den Winzern die Chance, den hohen Zucker- oder Alkoholgehalt mit feiner Säure auszubalancieren.

Die viele Sonne lässt die Trauben allerdings ganz besonders schnell reifen. „Wir lesen schon im Juli“, erzählt Pinto. „Unser Kellermeister ruft die Erntearbeiter manchmal von einem Tag auf den anderen in die Weingärten. Ein, zwei Tage Verzögerung, und alles wird zu süß und zu alkoholreich.“
Moderne Technik, händische Lese. 11,5 Hektar bearbeiten die Pintos derzeit, aber sie kaufen weiter laufend Grund zu, bisher zweimal je drei Hektar. Ihr Weingut ist mit modernster Technik ausgestattet, von der elektronisch gesteuerten Tröpfchenbewässerung bis zu den sanften Pressen, den Stahltanks und der eigenen Abfüllanlage. Gelesen wird allerdings nur händisch.
„Das ist einer der Nachteile der israelischen Weinbranche“, erklärt Pinto. „Wir sind im internationalen Vergleich teuer.“ Es beginnt eben mit der Technik, alle Maschinen müssen importiert werden, in Israel erzeugt sie niemand. Dazu kommen die Kosten für das Wasser, ohne Bewässerung geht gar nichts. Und schließlich ist in einem kleinen Land auch der Boden vergleichsweise teuer, ebenso die Arbeitskraft.
Dennoch exportieren Israels 350 Weinbaubetriebe zwischen 20 und 30 Prozent ihrer Produktion, die größeren eher mehr als die kleineren. Die Flaschen gehen vor allem an jüdische Kunden, sei es im Handel oder in der Gastronomie. Der Staat fördert die Exporte mit Steuernachlässen, und die Tatsache, dass mehr als 80 Prozent der Weine koscher zertifiziert sind, hilft ebenfalls der Distribution in einschlägigen Kanälen. „Wir liefern etwa in die USA, nach Kanada, nach England, Frankreich oder Belgien“, so Pinto. „Und wir sind weiterhin auf Wachstum eingerichtet. Wir wollen in den nächsten Jahren die Produktion auf 200.000 bis 250.000 Flaschen ausweiten. Das ist von unseren Flächen und vom Maschinenpark her realistisch.“
Sein Konkurrent Kuttner vom Weingut Teperberg will ebenfalls die Exporte steigern. Er weist aber auch zurück in die Vergangenheit – und zwar sehr weit zurück. „Die Trauben von diesem Weißwein hat man schon vor 3.000 Jahren kultiviert. Die Stöcke haben die ottomanische Zeit mit ihrem Alkoholverbot nur überlebt, weil ihre Früchte damals als Speisetrauben gegolten haben und man sie daher nicht gerodet hat.“
























