„Vorfälle ohne Ende“

Über braune Umtriebe, die harmonische Koalition und die Chancen der SPÖ sprach deren Justizsprecher Hannes Jarolim mit Marta S. Halpert.

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Dr. Johannes Jarolim, 1954 in Wien geboren, hat sein Studium der Rechte an der Universität Wien 1980 abgeschlossen. Von 1986 bis 1989 war er Leiter des Rechtsbüros der Austrian Airlines. Seit 1989 ist er selbstständiger Rechtsanwalt. Jarolim ist Mitglied des Bezirksparteivorstandes der SPÖ Wien/Leopoldstadt (Vorsitzender von 2005 bis 2013), Nationalratsabgeordneter und Justizsprecher der SPÖ im Parlament. © Reinhard Engel

Wina: Sie wollen in einer parlamentarischen Anfrage von der Außenministerin wissen, wie es dazu kommen konnte, dass Jürgen-Michael Kleppich, der „öffentlich Sympathien für eine rechtsextreme/neofaschistische Organisation demonstriert“, als Attaché an die österreichische Botschaft in Tel Aviv entsandt wurde – wenn auch nur als Karenzvertretung. Kleppich hat sich mit einem rechtsextremen Symbol auf dem T-Shirt fotografieren lassen. Das Foto seines Großvaters in Naziuniform hat er auch gepostet. Haben Sie eine Antwort erhalten?

Hannes Jarolim: Die Frist für die Beantwortung ist noch nicht abgelaufen. Ich bin schon gespannt auf die Antwort, denn es ist schon vieles vorgefallen in der Politik, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Es hat keinen großen Wirbel dazu gegeben, ich finde sehr zu Unrecht, denn das ist ein Vorfall, den man klären muss. Das erfordert Handeln.

Sie haben auch nachgefragt, ob es eine politische Einflussnahme gegeben hat, da Kleppich ebenso wie FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth Mitglied der deutschnationalen Verbindung Vandalia ist. Was war da die Reaktion?
Es gab noch keine. Eigenartig ist, dass alle im großen Schweigen erstarrt sind. Mich wundert das, denn so ein Eklat, allein diese Entsendung, sollte einen gehörigen Wirbel auslösen. Die Anfrage der SPÖ muss beantwortet werden: Es heißt, dass die Aufnahme Kleppichs in den diplomatischen Dienst unter Bundeskanzler Kurz erfolgte, was dann ein besonderer Exzess an Sensibilität wäre. Wir haben auch nachgefragt, welche Qualifizierung dieser Bestellung zugrunde lag.

Im 2. Bezirk ist neben Jürgen-Michael Kleppich auch noch Herwig Götschober aktiv. Er ist hauptberuflich im Kabinett von Minister Norbert Hofer als Referent für soziale Medien tätig. Götschober ist Vorsitzender der Burschenschaft Bruna Sudetia und im Ballausschuss des Vereins Wiener Akademikerball aktiv. Auf seiner Bude wurden auch antisemitische Liederbücher gefunden.
Im Bezirk war Götschober bereits mit seinen diversen Aktivitäten aufgefallen. Doch jetzt nach Bekanntwerden der antisemitischen und menschenverachtenden Liederbücher ist er „offiziell“ aus dem Ministerium ausgeschieden, es hieß, bis die Sache geklärt ist. Aber nach drei Wochen war er wieder im Amt, und dzer Minister dekretierte, dass Götschober keine Schuld habe. Doch wir lassen da nicht locker: Das muss untersucht werden, schließlich steht die Frage der Wiederbetätigung im Raum. Es ist nicht akzeptabel, dass da Relikte gefunden werden, von denen man nichts weiß, und bei deren Auftauchen gibt man sich entsetzt.

»Es ist legitim, daran zu zweifeln,
ob in dieser Krisenzeit qualitätsvolle Arbeit geleistet werden kann.«

Was halten Sie von der Historikerkommission der FPÖ, die zur Aufarbeitung der Parteigeschichte eingerichtet wurde?
Das sehe ich als scherzhaftes Ereignis, das ist nicht ernst gemeint. Ich vermute eine reine Alibihandlung, bei der die Öffentlichkeit für dumm verkauft werden soll. Aus meiner Sicht ist schon der Vorsitzende ungeeignet, weil er selbst in einem besonderen Naheverhältnis zu den Burschenschaften steht.

Sie sind seit 1994 im Parlament, Justizsprecher der SPÖ und stellvertretender Vorsitzender des Justizausschusses seit 1998. Das heißt, Sie hatten schon Erfahrung mit der ersten schwarz-blauen Regierung. Welche Unterschiede, wenn überhaupt, sehen Sie zum Jahr 2000?
Es ist offensichtlich, dass seither einiges dazugelernt wurde. Man versucht die damals gemachten Fehler bei der Ergreifung und Übernahme der Macht nicht zu wiederholen. Aber die gewisse Schüssel-Art nachzuleben ist klar erkennbar, wenn man hört, wie der Kanzler in erster Linie vorgefertigte Erklärungen abgibt und sich zu konkreten Fragen nicht äußert. Es existiert sogar eine Website, die sich nur damit befasst.

Und wie sehen Sie den FPÖ-Koalitionspartner?
Der Koalitionspartner treibt den Bundeskanzler an, dieser zeigt keine Abwehr dagegen. Die FPÖ gibt den Weg in jene Gassen vor, in die der Kanzler dann einbiegt.

Im Zusammenhang mit der baldigen EU-Präsidentschaft Österreichs stellt der noch immer undurchsichtige Skandal um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ein erhöhtes Sicherheitsrisiko dar, da das Vertrauen in diese Behörde Schaden genommen hat. Wie beurteilen Sie die Lage?
Der Eindruck, den wir momentan im Ausland mit unseren Aktivitäten vermitteln, ist der einer Bananenrepublik. Der BVT ist jene Einheit, die bei der EU-Präsidentschaft den höchsten Stellenwert hat, nämlich die Sorge um die Sicherheit ausländischer Gäste. Durch die herbeigeführte Paralyse ist es nur schwer denkbar, dass so kurzfristig Vertrauen aufgebaut werden kann. Obwohl uns der Innenminister beruhigte, dass der Informationsfluss, den die Nachrichtendienste benötigen, reibungslos ablaufe, haben wir erfahren, dass nur Banalitäten weitergeleitet werden.

Ich hoffe für die wichtige Sache, dass das kurzfristig doch lösbar ist. Denn es ist legitim, daran zu zweifeln, ob in dieser Krisenzeit qualitätsvolle Arbeit geleistet werden kann.

Es gab einen Aufschrei der Justiz wegen Kürzungen im Personalbereich. Wie sehen Sie diese Entwicklungen?
Es hat noch nie eine Situation gegeben, in der die Richterschaft, die sehr ruhig und besonnen agiert und sicher keine linksextreme Gruppierung ist, derart lautstark auf die Barrikaden steigt. Das zeigt schon, dass das Gebälk in der Republik ordentlich kracht. Die Regierung erklärt, für mehr Sicherheit zu sorgen, aber sie agiert diametral dagegen: Sie führt mit Sicherheit zur Unsicherheit.

Ihre jüngste parlamentarische Anfrage trägt den Titel „Körberlgeld für Bundeskanzler“. Sie weisen darauf hin, dass aus diesem Extratopf die Schoah-Namensgedenkmauer, Unterstützungszahlungen für das Yad-Vashem-Museum in Israel oder das österreichische Hospiz in Jerusalem finanziert werden sollen, obwohl dafür bereits Mittel im Sonderbudget für das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 vorgesehen sind.
Das hat jemand auf Anfrage aus dem Bundeskanzleramt behauptet. Auch das profil hat das berichtet. Wir versuchen diesen Widerspruch aufzuklären.

Wie beurteilen Sie die Chancen der SPÖ, wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen?
Ich glaube, das ist eine Frage der Optimierung der eigenen Qualitäten. Ich muss sagen, dass wir die optimalste Form noch nicht erreicht haben. Doch wir wissen jetzt, wo wir ansetzen müssen: Das betrifft die Arbeit der Partei als Opposition und die Bereitschaft, Konflikte auszutragen. Die in der Regierungsverantwortung geübte Zurückhaltung wird langsam abgebaut, daher bin ich guten Mutes. Die nächste Auseinandersetzung findet in Wien statt, daher ist es wichtig, die Partei zu konsolidieren, um die Bundespartei mit einer starken Wiener SPÖ zu alter Stärke zu führen.

 

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