Was die Deutschen uns voraus haben

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Doron Rabinovici / © APA Picturedesk/ Marko Lipus

Die AfD zieht nach den letzten Wahlergebnissen mit 13 Prozent in den Bundestag. Doch
eines ist sicher: Keiner denkt in Berlin an eine Koalition mit rechts außen. Das hat Berlin Wien wohl voraus.

Von Doron Rabinovici

Im deutschen Bundestag sitzt nun eine rechtsextreme Partei. Unter ihren Mandataren sind auch jene, die das Nazireich verharmlosen. Die AfD errang zwar nicht viel mehr als dreizehn Prozent, doch sie kündigt an, im Parlament aufzuräumen und Merkel jagen zu wollen. Allein diese Ansage verdeutlicht, welcher Ungeist diese Fraktion umtreibt. Das Phänomen ist in Österreich gut bekannt, denn hier ist der rechtsextreme Populismus seit Jahren auf dem Vormarsch. Dennoch: Die Berliner Republik ist kein Alpenkleinstaat und auch nicht mit jenen größeren Ländern wie Frankreich oder Italien zu vergleichen. Nazistische Vergangenheit, doch ebenso die deutsche Bedeutung in der europäischen Gegenwart prägen den Blick auf das, was bei unserem großen Nachbarn geschieht.
Manche meinen, dieser Aufschwung der Rechtsrechten liege an Merkels Asylpolitik, andere beschuldigen die bayerischen Christlichsozialen, da sie mit populistischen Ressentiments spielten. Immerhin verlor die CSU in ihrem Bundesland etwa zehn Prozent und damit mehr als die CDU im Rest des Landes. Viele verweisen, um den Erfolg der Afd zu erklären, auf die Modernisierungsverlierer, die im ehemaligen Osten den Scharfmachern zuneigen. Aber nicht wenige sind überzeugt davon, es seien im Grunde die neuen sozialen Medien, die unsere bürgerliche Öffentlichkeit und den kritischen Qualitätsjournalismus zerrütten, wodurch aufgeklärte Debatten erschwert und Hetzkampagnen erleichtert werden.

Umso wichtiger ist es nun, eine soziale Vision für den Kontinent zu entwerfen und nicht der rassistischen Agitation nachzugeben.

Aber sind diese ökonomischen, technologischen und politischen Entwicklungen eine deutsche Eigenheit? Gewinnen nicht rechtsextreme Parteien überall an Kraft? Regiert in Washington denn nicht ein Präsident, der Neonazis verharmlost und mit rassistischen Parolen auf Stimmenfang geht? Setzt in Budapest etwa nicht der Regierungschef auf antisemitische Kampagnen? Was haben die Zugewinne der Populisten in den Niederlanden, in Frankreich, in Großbritannien oder in Italien mit Angela Merkel zu tun?
Gerade in Österreich gilt, darauf hinzuweisen: Die Freiheitlichen erleben nicht erst seit 2015 und der so genannten Flüchtlingskrise einen Machtzuwachs. Wer die nicht mehr gar so neuen Rechtspopulisten endlich in die Schranken weisen will, darf die Auseinandersetzung nicht auf einen Kampf um mehr oder weniger Prozentpunkte reduzieren. Wir erleben im Zuge der Globalisierung eine Krise des Sozialstaates und der liberalen Demokratie. Zudem wird gegen die europäische Integration, die eine Antwort auf die Herausforderungen der postnationalistischen Moderne bieten kann, gehetzt.
Umso wichtiger ist es nun, eine soziale Vision für den Kontinent zu entwerfen und nicht der rassistischen Agitation nachzugeben. Es bringt nichts, der Angstmache zu folgen. Verantwortliches Regieren bedeutet nicht das Schielen auf Umfragen und das Gieren nach Quoten, sondern das unbeirrte Suchen nach konstruktiven Lösungen. Der wesentliche Vorzug der bundesdeutschen Politik ist dabei offenkundig: Anders als Wien, denkt in Berlin keine der anderen Parteien daran, mit den Rechtsextremen zu koalieren. In diesem Konsens erweist sich die eigentliche Stärke einer Demokratie.

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