Monika Löscher ist nicht nur Provenienzforscherin im Kunsthistorischen Museum und damit Mitglied der Kommission für Provenienzforschung des Bundes, sie urlaubt auch seit vielen Jahren gerne im Salzkammergut. Seit 2014 ist sie auch dort museal engagiert, und zwar als Mitglied des Vereins Arbeitsgemeinschaft Ausseer Kammerhofmuseum. Dieses im Jahr 1395 erstmals urkundlich erwähnten Kammerhof untergebrachte Museum versteht sich laut eigener Definition als „Heimatmuseum, das in erster Linie zur kulturellen Identität der Region beitragen und Bezugspunkt für Identitätsdiskussionen sein will“.

13 Abteilungen umfasst die Dauerausstellung des 1950 gegründeten Museums, wie die ehrenamtliche Leiterin Sieglinde Köberl erläutert. Sie ist die Obfrau jenes Vereins, der das Museum im Auftrag der Gemeinde Bad Aussee leitet. Bei zwei dieser Abteilungen wäre nach Ansicht Löschers eine genaue Abklärung der Herkunft einiger Exponate und wie sie genau den Weg ins Museum fanden, wünschenswert. Es handelt sich dabei einerseits um eine historische Trachtensammlung und andererseits um den Bereich Ausseer Handdruck. In beiden Sammlungen finden sich Objekte, die sich einst im Besitz der in der Gegend bekannten Familie Mautner befanden.

Einerseits hatte der 1924 verstorbene Konrad Mautner gemeinsam mit seinem Bruder Stephan Trachten aus der Steiermark aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert gesammelt. Konrads Witwe Anna Mautner wiederum begründete mit alten Modeln aus der stillgelegten südsteirischen Stoffdruckerei Gagl und neu entwickelten, chemisch hergestellten Farben 1935 mit ihrem zunächst in Grundlsee, später auch in Wien angemeldeten Gewerbe Grundlseer Handdruck den Ausseer Handdruck. Dabei ordnete sie mehrere Muster und Farben übereinander an und schuf so mit altem Handwerk innovative Stoffe.

Noch 1938 wurden sowohl die Trachtensammlung wie auch das Inventar der Handdruckfirma samt Modeln beschlagnahmt. Anna Mautner wurde zudem gezwungen, beides unter Wert zu verkaufen. Den Zuschlag bekam der nationalsozialistische Bürgermeister von Bad Aussee, Hanns Wöll, so Köberl. Wöll war Mitbegründer des Heimathauses, eines Museums, um dessen Eröffnung 1942 sich viele Persönlichkeiten bemüht hätten, so die Museumsleiterin. Die Mautner’sche Trachtensammlung wurde in diesem „Heimathaus“ gezeigt. Weitere Exponate seien Spenden und Leihgaben der örtlichen Bevölkerung gewesen, betont Köberl. Die Modeln wurden von Wöll dagegen beruflich eingesetzt, dazu später mehr. Wie aber kamen Teile der Mautner’schen Trachtensammlung und Modeln schließlich ins heutige Museum (das nicht der Rechtsnachfolger dieses Heimathauses ist, da dieses aufgelöst wurde, wie Köberl betont)? Und unter welchen Rahmenbedingungen?

Monika Löscher regte an, sich eben das genauer anzusehen. Im Herbst 2019 organisierte sie zunächst einen Workshop zum Thema Kunstraub und -politik in der NS-Zeit im Ausseerland sowie zur Geschichte des Heimathauses. Und sie nahm Kontakt mit der Leitung von Salzkammergut 2024 auf. Erstmals in der 37-jährigen Geschichte der Europäischen Kulturhauptstadt schließen sich dabei 23 Gemeinden zu einer Kulturhauptstadt im ländlichen Raum zusammen. Löscher ortete hier eine Möglichkeit, im Rahmen dieses Kulturjahres Provenienzforschung in den 40 Museen in dieser Region anzustoßen.

Der Projektvorschlag, den sie schließlich gemeinsam mit Birgit Johler, Kuratorin im Volkskundemuseum Graz, unter dem Titel Was wurde aus …? Provenienzforschung in den Regionalmuseen im Salzkammergut ausarbeitete, stieß beim zunächst eingesetzten Leiter, Stephan Rabl, auf Interesse. Er regte sogar an, das Projekt größer zu denken und im Projektantrag drei Bereiche – Forschung, Vermittlung und Präsentation sowie Nachhaltigkeit und Verwertbarkeit – auszuformulieren, erzählt Löscher. Das war im Februar 2021. Als Finanzierungsbedarf dafür hatten die beiden einen Betrag von 536.200 Euro veranschlagt, wobei sie 90.000 Euro an Drittmitteln eingeplant hatten. Für etwas über 50.000 Euro davon hatten sie bereits konkrete Zusagen.

Doch im März 2021 wurde Rabl als Leiter von Salzkammergut 2024 abgesetzt, und in der Folge hing die Finanzierung des Projekts in der Luft. Im Bidbook, das ist eine Art Bewerbungsmappe für die jeweilige Kulturhauptstadt, mit der es dem Salzkammergut überhaupt erst gelungen war, sich 2024 als Kulturhauptstadt präsentieren zu können, wurden für dieses Vorhaben lediglich 150.000 Euro veranschlagt. Mehrmals wiesen Löscher und Johler darauf hin, dass diese Mittel nicht ausreichen, redimensionierten das Konzept allerdings und legten es im Oktober 2021 nochmals vor. Das dafür veranschlagte Budget lag nun bei 218.150 Euro. Doch plötzlich wurden nicht einmal die 150.000 Euro seitens Salzkammergut 2024 als fix kommuniziert und darüber hinaus erklärt, dass sich das Projektteam um mehr Drittmittel bemühen müsse.

Für Löscher und Johler war dies schließlich der Punkt, an dem sie der neuen Leiterin des Kulturjahres, Elisabeth Schweeger, mitteilten, dass eine Realisierung des Projekts mit so wenig Mitteln nicht möglich sei und sie es daher zurückziehen. In dem Schreiben an Schweeger im Jänner 2022 hielten sie aber auch fest: „Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte sowie der Anstoß für eine umfassende Provenienzforschung in den Regionalmuseen im Salzkammergut dringend geboten ist (ein besonders bechämendes Beispiel dafür ist die beigelegte Korrespondenz um die Objekte der Sammlung Mautner im Kammerhofmuseum Bad Aussee, das sich bis heute einer kritischen Auseinandersetzung verweigert.)“

 

„Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass eine kritische
Auseinandersetzung mit der Geschichte sowie der Anstoß für eine umfassende Provenienzforschung in den Regionalmuseen
im Salzkammergut dringend geboten ist.“
Birgit Johler, Monika Löscher

 

Nun stellt sich die Frage: Warum ist ein Projekt, das zunächst begrüßt wird, schließlich nicht mehr willkommen? Löscher sieht hier einerseits ein strukturelles Problem. In Deutschland gebe es mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste eine Anlaufstelle, aber auch Finanzierung von Provenienzforschung für Regionalmuseen. In Österreich seien die Regionalmuseen dagegen leider ein weißer Fleck, wenn es um die Aufarbeitung der Herkunft von Sammlungsexponaten geht.

Sie ortet allerdings auch Vorbehalte seitens der örtlichen Verantwortlichen. Konkret bezogen auf ihre Bemühungen, die Sammlung des Kammerhofmuseums professionell aufzuarbeiten, sei sie mit informell getätigten Aussagen konfrontiert gewesen, dass sich Widerstand gegen ein solches Projekt formiere. Sinngemäß habe es da geheißen: Man wolle am Thema Nationalsozialismus nicht anstreifen.

WINA kontaktierte Elisabeth Schweeger, um zu erfragen, woran es aus ihrer Sicht schließlich hakte, dass das Projekt nicht die nötige Finanzierung im Rahmen von Salzkammergut 2024 erhält. Weil Provenienzforschung nicht die Aufgabe der Kulturhauptstadt sei, meinte sie, denn 2025 werde es die Kulturhauptstadt GmbH nicht mehr geben. „Und was würde dann passieren, wenn es durch die Forschung eventuell zu Restitutionsansprüchen käme?“ Gut vorstellen könne sie sich dagegen Rahmenprogramme für Bewusstseinsbildung.

Allerdings sei sie auch der Ansicht, dass Provenienzforschung nicht nur in Bundes- und Landesmuseen durchgeführt werden sollte, sondern auch in den kleinen Museen im ländlichen Raum, die teils durch Gemeinden, teils durch private Vereine ehrenamtlich geführt werden. Diese Forschung müsse dann allerdings „auch gesetzlich ordentlich geregelt werden“. Was das Salzkammergut anbelange, sei es zwar nicht so, dass diesbezüglich noch gar nichts passiert sei. „Aber es gibt eben auch Bestände, in denen es noch zu keiner Aufarbeitung gekommen ist.“ Was sie daher nun gemacht habe: Sie habe Kontakt mit dem Bundeskanzleramt und den Landeshauptleuten aufgenommen und gebeten, dass Provenienzforschung im ländlichen Raum, ähnlich wie in Deutschland durch das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste, auch in privaten Einrichtungen finanziell unterstützt wird.

 

Die Aufarbeitung der Bestände von Regionalmuseen scheint schließlich an der fehlenden Zuständigkeit zu scheitern.

 

Johler kann diese Argumentation nicht ganz nachvollziehen. Bei dem für Salzkammergut 2024 eingereichten Projekt sei es nicht um eine umfassende Provenienzforschung in allen 40 Museen der Region gegangen, sondern vielmehr um „Probebohrungen“, aber auch um Know how-Transfer an die Museen, die sich bereit erklärt hätten, hier teilzunehmen. Man habe sich als Angebot verstanden, als Hilfestellung. Die Idee sei gewesen, hier einmal von außen einen Bewusstseinsbilschämendes Beispiel dafür ist die beigelegte Korrespondenz um die Objekte der Sammlung Mautner im Kammerhofmuseum Bad Aussee, das sich bis heute einer kritischen Auseinandersetzung verweigert.)“ Nun stellt sich die Frage: Warum ist ein Projekt, das zunächst begrüßt wird, schließlich nicht mehr willkommen? Löscher sieht hier einerseits ein strukturelles Problem. In Deutschland gebe es mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste eine Anlaufstelle, aber auch Finanzierung von Provenienzforschung für Regionalmuseen. In Österreich seien die Regionalmuseen dagegen leider ein weißer Fleck, wenn es um die Aufarbeitung der Herkunft von Sammlungsexponaten geht. Sie ortet allerdings auch Vorbehalte seitens der örtlichen Verantwortlichen. Konkret bezogen auf ihre Bemühungen, die Sammlung des Kammerhofmuseums professionell aufzuarbeiten, sei sie mit informell getätigten Aussagen konfrontiert gewesen, dass sich Widerstand gegen ein solches Projekt formiere. Sinngemäß habe es da geheißen: Man wolle am Thema Nationalsozialismus nicht anstreifen. WINA kontaktierte Elisabeth Schweeger, um zu erfragen, woran es aus ihrer Sicht schließlich hakte, dass das Projekt nicht die nötige Finanzierung im Rahmen von Salzkammergut 2024 erhält. Weil Provenienzforschung nicht die Aufgabe der Kulturhauptstadt sei, meinte sie, denn 2025 werde es die Kulturhauptstadt GmbH nicht mehr geben. „Und was würde dann dungsprozess anzustoßen, der offenbar von innen nicht so recht in Gang komme.

Der Stups von außen: Diesen hatte ja auch Schweeger mit ihrer Kontaktaufnahme von Bund und Ländern im Sinn. Allein: Wie die weiteren WINA-Recherchen zeigten – das Ansprechen des Themas Provenienzforschung fühlt sich ein bisschen an wie eine heiße Kartoffel. Jedem ist die Wichtigkeit des Themas bewusst. Aber Österreich ist föderal organisiert – und die Aufarbeitung der Bestände von Regionalmuseen scheint schließlich an der fehlenden Zuständigkeit zu scheitern.

Pia Schölnberger ist die Leiterin der Kommission für Provenienzforschung im Ministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport. Für sie ist die Sachlage ganz klar: „Der Bund ist nicht zuständig für Sammlungen, die nicht in seinem Eigentum stehen.“ Sie betont aber auch: Der Kunstrückgabebeirat könne auch von Dritten, wie beispielsweise Vereinen oder Gemeinden, angerufen werden. Wie ein Verein oder eine Gemeinde mit der Beiratsempfehlung umgehe, liege dann allein in seiner oder ihrer Verantwortung. „Wir bieten seit Jahren an, andere Institutionen etwa mit der Bereitstellung von Expertise oder dem Transfer von Methodenwissen zu unterstützen. Aber es gibt hier keinen gesetzlichen Auftrag.“ Sie begrüße jedenfalls alles, war zur Bewusstseinsbildung in Sachen Provenienzforschung beitrage.

Ähnliches verlautet aus den Ländern. WINA fragte hier bei jenen drei Bundesländern an, in denen das Salzkammergut liegt: Oberösterreich, der Steiermark und Salzburg. Martina Berger-Klingler, Referentin für Kunst und Kultur im Büro des für Kultur zuständigen Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreters, Heinrich Schellhorn, meinte etwa, wenn im Zug der Inventarisierung von Beständen etwas mit zweifelhafter Provenienz auftauchen würde, „leisten wir natürlich Unterstützung und Hilfe“. Aber zu Provenienzforschung verpflichten können man die Regionalmuseen nicht. Zudem stehe die Provenienzforschung in Regionalmuseen „nicht als oberstes auf unserer To-do-Liste. Worum wir uns derzeit aber bemühen, ist ein Professionalisierungsschwerpunkt für diese Häuser, etwa durch Digitalisierung und vollständige Inventarisierung.“

Patrick Schnabl ist Leiter der Abteilung Kultur, Europa und Sport im Amt der Steiermärkischen Landesregierung. Auch er unterstreicht: Es könnte gemäß Landeskunstrückgabegesetz aus dem Jahr 2000 nur zurückgegeben werden, was dem Land gehöre. Laut Geschäftseinteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung sei seine Abteilung aber auch zuständig für den Bereich „Angelegenheiten der steirischen Regionalmuseen“. Und Schnabl betont, dass dabei auch das Thema Provenienzforschung ein Anliegen sei. Im Juli des Vorjahres sei hier bereits eine Veranstaltung zum Thema Provenienzforschung in Regionalmuseen angeboten worden. Das Land mache hier Angebote – diese müssen aber auch von den betroffenen Einrichtungen angenommen werden. Schnabl bedauert, dass das von Löscher und Johler designte Projekt im Rahmen Salzkammergut 2024 nun nicht zustande kommt. „Aufgrund der aktuellen Maßnahmen diesbezüglich des Landes Steiermark sowie der Universalmuseum Joanneum GmbH wäre das Zustandekommen dieses Projekts auf jeden Fall begrüßenswert gewesen.“

Die entscheidende Frage sei also nicht, wie hoch
der monetäre Wert sein, sondern,
„ist das Objekt unrechtmäßig erworben worden oder nicht?“
Brigitte Johler

 

Seitens Oberösterreichs meint Astrid Windtner von der Abteilung Kultur im Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, die Letztentscheidung, welche Projekte aus dem Bidbook umgesetzt werden, treffe die künstlerische Leitung von Salzkammergut 2024. „Der Bund sowie die Länder Oberösterreich und Steiermark sind lediglich Fördergeber und finanzieren die Kulturhauptstadt zu zwei Drittel (mit insgesamt 20 Millionen Euro, davon rund 8,8 Millionen Euro aus Oberösterreich).“ Man würde es aber begrüßen, würde die Kulturhauptstadt GmbH das Projekt aufgreifen und umsetzen. Dieses wäre „ein erster wichtiger Schritt, auch die Regionalmuseen in die Provenienzforschung einzubeziehen“. Auf Landesebene gebe es seit 2002 ein Restitutionsgesetz. Dieses sei aber eben nur Grundlage für die Rückgabe von Kunstgegenständen, die sich im Besitz des Landes Oberösterreich befänden. Hier bekenne sich das Land dazu, alle Seiten der Geschichte – auch die Schattenseiten – aufzuarbeiten und das Gedenken an alle Opfer des NS-Terrors zu wahren.

Die Situation bei Regionalmuseen sei allerdings komplex, gibt Windtner zu bedenken. Ihr juristisches Fundament sei sehr unterschiedlich, je nach Geschichte und Entwicklung des jeweiligen Hauses beziehungsweise der jeweiligen Sammlung. Zum Teil handle es sich um Privatsammlungen, zum Teil seien Vereine Träger, zum Teil Gemeinden. Eine einheitliche gesetzliche Lösung, die alle Regionalmuseen umfasse, sei daher kaum möglich. Eine weitere Besonderheit bei regionalen Sammlungen: Sie werden oft von ehrenamtlich Tätigen geführt, erklärt Johler. So fehle in vielen Häusern oft Grundlegendes, wie etwa eine professionelle Inventarisierung.

Löscher und Johler waren im Zug ihrer Bemühungen auch immer wieder mit dem Argument konfrontiert, bei den Objekten in Regionalmuseen handle es sich ja nicht um große, wertvolle Kunstschätze, wie sie dann bei der Restitution von Objekten aus Bundesmuseen in den vergangenen beiden Jahrzehnten immer wieder für Schlagzeilen sorgten. Nachhaltig in Erinnerung ist hier vor allem Gustav Klimts Gemälde Goldene Adele, das sich bis 2006 im Belvedere befand. Nach einem Jahre langen Rechtsstreit von Maria Altmann gegen die Republik Österreich ging es schließlich an die Erbengemeinschaft des Paares Adele und Ferdinand Bloch-Bauer. 2015 wurde die Geschichte dieses Prozesses auch fürs Kino verfilmt (Die Frau in Gold mit Helen Mirren als Maria Altmann).

Ob etwas an die Erben der ehemaligen Besitzer oder Besitzerinnen zurückgegeben werden soll, knüpfe sich aber nicht an den materiellen Wert eines Objekts, betont Johler. Sie findet es wichtig, dass jedes Museum schaut, wie Exponate Teil der Sammlung wurden. Sie sagt aber auch, dass jedes Objekt auch einen emotionalen Wert hat. Und wenn eine Familie nichts von ihren ermordeten Vorfahren besitze, bereite auch eine Haarbürste oder eine Rolle Stoff Freude. „Wir wissen aus vielen Rückgaben, wie auch die Nachfahren oft emotionale Beziehungen zu diesen Objekten entwickeln, obwohl man ja heute gar nicht mehr weiß, welche Beziehung die Vorfahren zu diesem Objekt hatten. Aber es ist eine Verbindung da.“ Die entscheidende Frage sei also nicht, wie hoch der monetäre Wert sei, sondern, „ist das Objekt unrechtmäßig erworben worden oder nicht?“

Und wie geht es nun, da es kein Provenienzforschungsprojekt im Rahmen von Salzkammergut 2024 geben wird, im Kammerhofmuseum in Bad Aussee weiter? Sieglinde Köberl ist sich dessen bewusst, dass die Mautner’schen Bestände einer Aufarbeitung, vor allem aber eine digitale Inventarisierung bedürfen, sagt sie im Gespräch mit WINA. Die Geschichte von Anna Mautners Modeln sei dabei recht klar. Konkret sei das Handdruckinventar zunächst beschlagnahmt worden und dann an den damaligen Bürgermeister Hanns Wöll gegangen. (Den hier seitens der Redaktion verwendeten Begriff „arisiert“ bittet Köberl im Zug der Freigabe des Textes durch „beschlagnahmt“ zu ersetzen.) Wöll habe in der NS-Zeit einen eigenen Handdruckereibetrieb begründet, der aber keinen Erfolg gehabt habe.

1946 sei Anna Mautner nach Österreich zurückgekehrt, und die Modeln seien an sie restituiert worden, oder zumindest ein Teil – einige seien auch bei Wöll verblieben, und dessen Sohn Hellmut habe 1971 erneut eine Handdruckerei begründet, für die er einerseits Modeln aus dem Nachlass seines Vaters, aber auch neue verwendet habe. 2003 sei die Modelsammlung dem Museum zum Verkauf angeboten worden, so Köberl weiter. Dieses habe sich mit Anna Mautner-Wolsey, der Tochter von Anna Mautner, in Verbindung gesetzt, „und sie hat uns schriftlich die Erlaubnis gegeben, sie zu kaufen und auszustellen, bat aber, dass man sie unter Denkmalschutz stellt“. Das sei also nachweisbar geregelt, betont die Leiterin des Kammerhofmuseums.

Was die in der NS-Zeit beschlagnahmte Trachtensammlung anbelange, sei diese nach 1945 an Anna Mautner restituiert worden. Diese habe der Gemeinde Bad Aussee dann den Kauf der Sammlung um 20.000 Schilling angeboten. „Dass 1950 10.000 Schilling an Anna Mautner bezahlt wurden, steht außer Frage“, sagt Köberl. „Aber wir konnten bisher den Nachweis noch nicht erbringen, dass auch der Rest bezahlt wurde.“

Als ehrenamtlich geführtes Gemeindemuseum wolle man aber nicht, dass die Provenienzforschungskommission die Bestände durchforste, sagt Köberl. „Wir wollen das selbst aufarbeiten. Wir wollen selbst recherchieren.“ Nie im Traum habe sie daran gedacht, dass mit der Sammlung etwas nicht in Ordnung sei. „Ich gebe zu, wir haben uns bisher wenig bis gar nicht mit der Provenienz der Trachtensammlung Mautner beschäftigt. Aber nun wissen wir, dass es noch etwas nachzuweisen gilt.“ Sie habe sich daher ein halbes Jahr Zeit erbeten (bis zum Jahresbeginn 2023), damit sie und ihre ebenfalls ehrenamtlich tätigen Kuratoren und „eigene Zeithistoriker“ Recherchen anstellen. Bis dahin wolle man auch die digitale Inventarisierung und fotografische Dokumentation, vor allem der Sammlung Historische Trachten mit einigen hundert Objekten, und die Recherchen zum Verbleib der Sammlung nach 1945 abgeschlossen haben. Danach, wenn Recherchen im Denkmalschutzamt Linz notwendig wären, würde wahrscheinlich die Unterstützung der Provenienzforschungskommission hilfreich sein, so Köberl.

Auch die Leiterin des Kammerhofmuseums weist darauf hin, dass es eine Professionalisierung des Museumsbetriebs brauche. „Ich bin pensionierte Biologin und arbeite – so wie auch die Kustoden – ehrenamtlich für das Museum. Ich würde die Leitung des Museums gerne in professionelle Hände übergeben, denn die Arbeit für das Museum ist trotz Unterstützung durch die Gemeinde ehrenamtlich nur mehr schwer leistbar. Wir arbeiten auch an der Aufarbeitung und digitalen Inventarisierung unserer ZeitgeschichteBestände. Dafür bedarf es zusätzlicher Mitarbeiter, die der Ausseer Geschichte kundig sind.“

Woran diese Professionalisierung bisher scheiterte? Wie so vieles am Geld. Das Museum sei in Gemeindebesitz, das Gemeindebudget erlaube aber keine großen Sprünge. Die eigenen Einnahmen seien im Verhältnis zum Arbeitsaufwand gering. „In den letzten Jahren vor Covid hatten wir etwa 5.000 Besucher. Heuer ist ein schlechtes Jahr. Bisher hatten wir nur 1.000 Besucher.“ Urlauber gingen in diesem Jahr seltener ins Museum, und die meisten Ausseer kämen nur bei Eröffnungen neuer Sonderausstellungen oder in der Langen Nacht der Museen, „da viele ja ihr Museum kennen“. Nur seitens der Schulen und an Führungen gebe es weiterhin beständiges Interesse. Auch für Marketing, um mehr Besucher und Besucherinnen anzulocken, sei nur ein geringes Budget da.

Versuche, den Bad Ausseer Bürgermeister Franz Frosch telefonisch und per Mail zu erreichen, um ihn einerseits zu fragen, ob es nicht doch möglich sei, aus dem Gemeindebudget eine Professionalisierung des Museum zu ermöglichen, aber auch, was er zum Thema Provenienzforschung und zur Sammlung Mautner zu sagen hat, scheiterten über mehrere Tage hinweg. Stets hieß es in seinemBüro im Stadtamt Bad Ausees, der Bürgermeister sei auch heute nicht erreichbar, bis auch die letzte gesetzte Deadline verstrichen war.

Ich gebe zu, wir haben uns bisher wenig
bis gar nicht mit der Provenienz der Trachtensammlung
Mautner beschäftigt.“
Sieglinde Köberl

 

Das Kammerhofmuseum weist übrigens inzwischen sowohl in der Ausstellung wie auch auf der Website auf das Schicksal der jüdischen Familie Mautner und ihre Sammlungen, die sich heute im Besitz des Museums befinden, hin. „Wir sind dafür kritisiert worden und haben es eingesehen. Da haben wir sicher zu wenig Wert darauf gelegt, aber nun informieren wir über die Provenienz der Sammlung Mautner und ihren Weg in unser Museum“, sagt Köberl.

Zu diesem Punkt merkt Löscher allerdings an: In der Vergangenheit, als die Erben nach Stephan Mautner ihre Trachtenkammer zurückforderten, habe der damalige Museumsdirektor Hans Gielge in der unmittelbaren Nachkriegszeit gesagt, „wir können uns diese Handlungsweise der Erben gegen das Vermächtnis nicht bieten lassen“. Er habe dann eine Ausfuhrsperre beantragt, und so sei die Trachtenkammer als unentgeltliche Leihgabe gegen Ausfuhr der restlichen Sammlung in Bad Aussee geblieben.

Ganz so geradlinig, wie nun vom Kammerhofmuseum dargestellt, seien die Abläufe rund um die Sammlungen der Familie Mautner eben nicht abgelaufen. Und auch bezüglich des Verkaufspreises – jene 20.000 Schilling, von denen bisher nur die Bezahlung der Hälfte seitens des Museums nachgewiesen werden kann – stelle sich die Frage, ob es sich dabei um einen angemessenen Betrag gehandelt habe. Hierzu wird übrigens auch auf der Museumswebseite selbst auf eine Publikation Martin Pollners, er veröffentlich seit Jahren als Hobby-Historiker Beiträge zur Geschichte Bad Aussees, verwiesen. Demnach verwendete er hier die Bezeichnung „billiges Geld“.

Und so scheint es, dass es eben doch den Anstoß von Provenienzforscherinnen wie Monika Löscher braucht, damit auch in Regionalmuseen die Geschichte der Bestände lückenlos aufgearbeitet wird. Es kommt allerdings dem Bohren harter Bretter gleich, jedes einzelne Museum hier von seiner diesbezüglichen Verantwortung zu überzeugen. Was im Bundesbereich in Sachen Provenienzforschung bereits gut gelungen ist, braucht in den Gemeinden wohl noch einen langen Atem.

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