Um die 8.000 Israelis und Palästinenser haben am Gedenktag an die gefallenen israelischen Soldaten und Opfer des Terrorismus Jom haSikaron eine alternative Gedenkfeier in Tel Aviv abgehalten. Der alternative Gedenkabend jährt sich in diesem Jahr zum 13. Mal.
Ins Leben gerufen wurde die Gedenkfeier vom Parents Circle – Families Forum (PCFF), einer Organisation palästinensischer und israelischer Familien, die aufgrund des Konflikts unmittelbare Familienmitglieder verloren haben. Gemeinsam mit der Graswurzelbewegung Kämpfer für den Frieden setzen sie sich für Versöhnung und Toleranz ein.
Nachdem mehrere Veranstaltungsorte das Ereignis abgelehnt hatten, weil es zu „politisch“ sei, fand die Zeremonie im HaYarkon-Park in Tel Aviv statt. Ein langer beleuchteter Weg führte zur Bühne. Entlang des Weges hatten die Veranstalter Tische mit Informationsmaterial aufgestellt.
»Jedes Mal, wenn ich versucht bin, Wut und Hass nachzugeben, fühle ich sofort, dass ich die Verbindung
zu meinem Sohn verliere.«
David Grossman
Die Menge an Besuchern war weit jenseits der Kapazität, auf die sich die Organisatoren vorbereitet hatten. Die aufgestellten Stühle waren alle besetzt, viele Besucher saßen auf dem Boden, und um die Bühne bildete sich eine Menschentraube. Zu den diesjährigen Rednern gehörten Adi Kahlon, dessen Vater Dov bei einem Selbstmordanschlag in Haifa getötet wurde; Amal Abu Sa’ad, deren Ehemann Yaqub Abu Alqian von der israelischen Polizei im Beduinendorf Umm al-Hiran erschossen wurde; Jihad Zriar, dessen Sohn Alaa von israelischen Soldaten in Hebron auf dem Weg zum Haus seines Großvaters erschossen wurde; und Autor David Grossman, dessen Sohn Uri im Zweiten Libanonkrieg getötet wurde.
David Grossman ist einer der bekanntesten Schriftsteller und Friedensaktivisten des Landes. Vor Kurzem wurde ihm der prestigeträchtige Israel-Preis verliehen. Grossman erinnerte sich an seinen Sohn Uri, und es fiel ihm sichtlich schwer, über ihn zu sprechen. Doch, so der Autor in seiner bewegenden Rede, „jedes Mal, wenn ich versucht bin, Wut und Hass nachzugeben, fühle ich sofort, dass ich die Verbindung zu meinem Sohn verliere.“
Grossman gab auch seinen Plan bekannt, die Hälfte seines Preisgeldes an das Elternkreisfamilienforum sowie Elifelet, eine Organisation, die Kinder von Asylsuchenden unterstützt, spenden wird.
Für viele Israelis ist der Jom haSikaron im Vorfeld des Jom haAtzma’ut ein Anlass, sich ausschließlich auf die Trauer um die gefallenen Soldaten des Landes und die Opfer des Terrors zu konzentrieren. Familien und Freunde besuchen Friedhöfe, und landesweit ertönt die Sirene, um den Gefallenen gemeinsam Respekt zu erweisen. Die Vorstellung, dass Israelis und Palästinenser den Tag zusammen begehen und einander trösten, ist für manche daher ein Dorn im Auge.
Bereits am Parkplatz positionierten sich einzelne Gegendemonstranten und beschimpften die Besucher. Menschen, die gekommen waren, um sich für Toleranz und Frieden einzusetzen, mussten sich anhören, dass sie „Volksverräter“ seien. Als ich mich vom Auto auf den Weg zum Eingang machte, rief mir ein junger Mann zu: „Schäm’ dich, du Terroristenfreundin!“
Diese Absurdität wurde dann noch von mehreren rechtsextremen Demonstranten vor dem Eingang zur Veranstaltung fortgeführt: Über Lautsprecher wurden die Besucher beschimpft und mit Flaschen und Steinen beworfen. Während bei der Zeremonie die Redner von Verlust und Trauer und dem Wunsch nach Frieden sprachen, waren die Gesänge und der Spott der Gegendemonstranten in der Ferne zu hören.
„Es gibt viel Lärm und Tumult um unsere Zeremonie, aber wir vergessen nicht, dass dies vor allem ein Abend des Gedenkens und der Gemeinschaft ist“, sagte Grossman.
„Der Lärm, auch wenn er vorhanden ist, ist jetzt über uns, doch im Herzen dieses Abends herrscht eine tiefe Stille – die Stille der Leere, die durch den Verlust entstanden ist.“