„Ich wollte nicht der Mund des Moses sein.“ Zum 80. Geburtstag Aharon Appelfelds erscheint sein neuer Roman. Von Anita Pollak
In Aharon gibt es noch etwas von Erwin. Aharon ist ein erstklassiger Name. Aharon war der Mund des Moses.“ So wird dem Einwanderer im Jugendlager ein neuer Vorname nahe gelegt, doch dem Jungen gefällt das gar nicht. „Ich wollte nicht der Mund des Moses sein, ich war der Sohn meines Vaters und meiner Mutter, sie hatten meinen Namen ausgesucht, und ich war zufrieden mit ihrer Wahl.“
Erwins zweites Leben – als Aharon
Von Erwin, seinem deutschsprachigen Elternhaus in Czernowitz, zu Aharon Appelfeld, zur hebräischen Sprache, in der er einer der bedeutendsten Schriftsteller Israels wurde, war der Weg weit, schmerzhaft, gefährlich und voller Verluste. Mit acht Jahren wurde ihm die Mutter entrissen und ermordet, den Vater verlor er bald darauf im Lager. Allein floh der Bub in die Wälder und überlebte auf fast unglaubliche Weise den Krieg. Mit anderen Überlebenden schlug er sich durch bis an die Küste Neapels und von dort auf einem Schiff nach Palästina. Als „neuer Jude“ mit neuem Namen und neuer Sprache, beseelt vom Geist der jungen Pioniere, begann sein zweites Leben in Israel. Aharon Appelfeld hat nie aufgehört, davon zu erzählen. Wie es war und wie es wurde. Wie er wurde. Am 16. Februar 2012 wurde er 80.
Pünktlich zum Geburtstag erschien sein neues Buch Der Mann, der nicht aufhörte zu schlafen in Mirjam Presslers einfühlsamer Übersetzung auf Deutsch. Seine Bezeichnung „Roman“ sollte man ernst nehmen. Denn obwohl sehr vieles darin autobiografisch im engsten Sinn ist, ist es nicht, wie man nach der Lektüre annehmen könnte, die authentische Geschichte seiner Jugend. Die „Geschichte eines Lebens“, seines Lebens, hat er bereits vor über zehn Jahren in Buchform erzählt. Sie lässt den alten Mann aber offenbar nicht los, sie kommt immer wieder und verwandelt sich selbst – mit ihm und mit den Jahren.