Die Geschichte der frühen Zionistinnen weltweit zeugt von großem Mut, Ausdauer und Weitsicht. Von Marta S. Halpert
Sie gehörten zur ersten Generation der schulisch gebildeten jungen Frauen, kamen zumeist aus bürgerlich gut situierten Familien und verließen diese, um ihre sozialen und politischen Ideale zu verwirklichen. Das war zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine leichte Übung, ob in Mittelosteuropa, in Großbritannien oder in den USA. Obwohl eine Vernetzung der Frauen damals auch geografisch unmöglich war, begannen sie fast zeitgleich ihre Rolle in der jüdischen Gesellschaft zu hinterfragen, wagten ihr Unbehagen zu formulieren und formten sich selbst zu bewundernswerten Aktivistinnen.
Diese beeindruckenden Frauen finden in der Geschichte des politischen Zionismus viel zu wenig Beachtung, vor allem wegen der dominierenden Rolle der Männer in dieser Bewegung. Zur Illustration: Bei der Eröffnungsversammlung des 1. Zionistenkongresses 1897 in Basel zählte man nur zwölf weibliche Kandidaten unter 250 Männern. Während Max Nordau (1849–1923), Schriftsteller und Stellvertreter Theodor Herzls auf den Zionistenkongressen, die Frauenemanzipation rundweg ablehnte, verfolgte Herzl ein leicht abgemildertes Konzept: Er wollte die traditionelle Frau, vor allem die der jüdischen Oberschicht und des Bürgertums, im Sinne des Zionismus umkorrigieren, indem er diese direkt im Aufbau des jüdischen Staates einsetzen wollte. Das Wahlrecht erhielten die Frauen dennoch erst beim 2. Zionistenkongress 1898.
Dem französischen Historiker Vincent Vilmain* ist es zu danken, dass das Porträt einer Zionistin und Feministin der ersten Stunde nicht ganz vergessen wurde: Bereits beim historischen 1. Kongress in Basel meldete sich die scharfzüngige Myriam Schach (1867–1956) zu Wort und beeindruckte Theodor Herzl so sehr, dass er sie fortan mit „Fräulein Professor Schach“ anredete. 1867 in Litauen geboren, kam Myriam Schach schon sehr früh mit jüdisch-ethnischem Bewusstsein in Berührung, „aber sie war zuerst eine Feministin bevor sie zur jüdischen Nationalistin wurde“, schreibt Vilmain in seiner Doktorarbeit über Schach. Mit knapp 16 Jahren verließ sie ihr Elternhaus, um kurz nach Deutschland und anschließend nach Frankreich zu gehen, wo sie Sprachen und Pädagogik studierte. In Paris wurde sie zur aktiven Zionistin und versuchte gemeinsam mit Max Nordau, Alexander Marmorek und Bernard Lazar den Juden Frankreichs, die am wenigsten für den Zionismus empfänglich waren, diesen schmackhaft zu machen. Sie war Mitbegründerin der Wochenzeitschrift L’Echo Sioniste sowie eine sehr begabte Rhetorikerin, die mit ihren zündenden Reden alle folgenden Zionistenkongresse bereicherte. Obwohl sie die konventionelle Rolle der jüdischen Frau nicht frontal attackierte, forderte sie die stärkere politische Integration der Frauen in die Bewegung. Trotzdem gründete sie beim 8. Zionistenkongress in Den Haag 1907 eine Frauenorganisation, die sich stärker dem Fortschritt der Kulturarbeit in Palästina widmen sollte.
Dabei bekam sie zum ersten Mal Unterstützung aus den USA: Emma Gottheil (1862–1947) unterrichtete französische Literatur an der Columbia University, stammte aus einer sehr angesehenen russisch-sefardischen Familie und war wie ihr Ehemann offizielle Delegierte beim 2. Zionistenkongress 1898. Gottheil arbeitete nicht nur mit Myriam Schach zusammen, sondern auch mit Henrietta Szold (1860–1945), der Gründerin von Hadassah. Als sich die amerikanischen Zionisten wegen Unstimmigkeiten spalteten, gründete Emma Gottheil 1921 die Keren Hayesod Women’s League; diese kümmerte sich zuerst um die alleinstehenden Frauen, die als Pioniere nach Israel kamen, und gewährte später auch Flüchtlingen aus Deutschland Hilfe.
Myriam Schach blieb ledig und wollte damit auch beweisen, dass sie durchaus eine „männliche“ politische Karriere machen konnte. Mit ihrer Lehrtätigkeit hatte sie eine finanzielle Unabhängigkeit erlangt, die für diese Zeit noch sehr ungewöhnlich war. Im Jahr 1928 wurde sie vom französischen Unterrichtsministerium pensioniert; sie konnte der Deportation aus Paris entkommen und wurde Zeitzeugin der Staatsgründung Israels. Erst dann beschloss sie auszuwandern, sie starb 1956 in Haifa.