Wien, Jerusalem und retour

Von Franz Vranitzky bis Sebastian Kurz – wie ein aufrichtiger Umgang mit Geschichte und der Verantwortung Österreichs auch die Beziehungen mit Israel verbessern kann.

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BK Sebastian Kurz in Yad Vashem mit Präsident Oskar Deutsch.

Reisediplomatie kann langweilig sein. Da gibt es fixe Rituale wie Kranzniederlegungen, Shakehands mit Amtskollegen und Arbeitsgespräche in Regierungsgebäuden. Vorigen Monat, als eine österreichische Delegation mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bildungsminister Heinz Faßmann an der Spitze, Israel besuchte, war das anders. 25 Jahre nach Franz Vranitzkys historischer Rede an der Hebrew University, in der er die Mitschuld sehr vieler Österreicher an der Schoah benannt hat, schrieb Sebastian Kurz im Juni 2018 erneut Geschichte: Beim Global Forum des American Jewish Committee (AJC) erklärte er, dass die Sicherheit der jüdischen Gemeinde und des Staates Israel zur Staatsräson Österreichs gehören. Ein Meilenstein, dem aber erst Taten folgen werden müssen.

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, hat keine Zukunft“, hörte ich einst Simon Wiesenthal sagen. Ich stimme dem zu 100 Prozent zu. Jede moderne Zivilisation baut auf ihre Geschichte auf. Wie wir mit der Vergangenheit umgehen, bestimmt unsere Gegenwart und Zukunft. In diesem Sinne ist ein weiterer wesentlicher Schritt, dass sich die Republik mit einer Million Euro am Bau des Shoah Heritage Collections Centers in Yad Vashem beteiligen wird. Bildungsminister Heinz Faßmann vereinbarte zudem die Intensivierung der Fortbildung österreichischer Lehrer. Jedes Jahr sollen bis zu 50 österreichische Lehrer Seminare in Yad Vashem besuchen.

Die Regierungskoalition besteht nicht rein
aus Türkis und Blau, sondern aus Licht
und Schatten.

Obwohl die Worte, die Abkommen und die Gesten des Kanzlers – entgegen EU-Usance besuchte Kurz die Klagemauer – von historischer Dimension waren, kam in Yad Vashem auch der braune Fleck der österreichischen Bundesregierung zur Sprache: die FPÖ, die allein in den ersten sechs Monaten der aktuellen Legislaturperiode für mindestens 31 antisemitische und neonazistische Vorfälle verantwortlich ist – und in mehr als zwei Drittel der Fälle keine Konsequenzen gezogen hat.

Genau das macht die besondere Ambivalenz der österreichischen Innenpolitik aus: Die Regierungskoalition besteht nicht rein aus Türkis und Blau, sondern aus Licht und Schatten. Deshalb plädiere ich für eine Differenzierung: Kurz und die meisten in der ÖVP gehen aufrichtig mit der Geschichte Österreichs um und stellen sich gegen jede Form des Antisemitismus. Strache und die FPÖ tun das nicht.

BK Sebastian Kurz bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Zwar gab es auch in der österreichischen Delegation, der auch IKG-Vizepräsidentin Claudia Prutscher und ich angehörten, Einzelpersonen, die die Kultusgemeinde anzupatzen versuchten und der FPÖ einen Persilschein ausstellen woll(t)en, doch auch in Jerusalem hat sich wieder deutlich gezeigt, dass der einstimmige Kultusratsbeschluss, keinen Kontakt mit der FPÖ und ihren Ministern zu haben, respektiert und von der israelischen Regierung geteilt wird.

Diese Reise hat die bilateralen Beziehungen verbessert. Zwar wurde Irans Präsident Hassan Rouhani Anfang Juli in Wien mit allen Ehren empfangen, aber zumindest hat Kanzler Kurz dabei die Hasspolitik Teherans verurteilt. Weitere Taten müssen folgen – und vor allem sollte sich das Abstimmungsverhalten Österreichs in den Gremien der Vereinten Nationen zugunsten Israels ändern.

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