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„Alle Juden, vom Knaben bis zum Greis, Kinder und Frauen, an einem einzigen Tag zu vertilgen, zu erschlagen, zu vernichten und ihre Habe als Beute zu plündern“, war der Plan des persischen Politikers Haman (Esther 3:13). Die Errettung vor dieser Vernichtung feiern wir jedes Jahr am 14. Adar, der 2015 auf den 5. März fällt. Tatsächlich beruhen wohl alle jüdischen Feiertage auf einem ähnlichen Prinzip: Juden wurden verfolgt; man hat versucht, sie umzubringen; ein Wunder geschah; G-tt hat sie gerettet. Nun soll gefeiert werden und gemeinsam gegessen. Diese Wunder sind meist unglaublich spektakulär, etwa die Teilung des Meeres oder das Fallen von Manna vom Himmel. Doch die Errettung zu Purim war viel stiller, wirkte eher wie ein Zusammenspiel vieler zufälliger Ereignisse und geschah in jener persischen Ära, in der die jüdische Diaspora sich wohl am sorglosesten gefühlt hat. Juden nahmen eine wichtige Rolle im persischen Reich ein, lebten in relativem Wohlstand, Esther konnte sogar die Frau des Königs werden. Doch in dieser vermeintlichen Sicherheit wurde plötzlich das Dekret zur Vernichtung des jüdischen Volkes erlassen. Ein Ereignis, das sich im 20. Jahrhundert unter ähnlichen Vorzeichen – Assimilation, Wohlstand, Sicherheit – mit tragischem Ausgang von einer bis dahin ungekannten Dimension wiederholen sollte. Wir leben heute in einer Zeit, in der erneut europäische Juden, die sich seit Jahrzehnten in Sicherheit wogen und als Teil der Mehrheitsgesellschaft fühlten, Angst haben müssen und ihre Heimatländer verlassen, darunter tausende französische Juden, die in den letzten Monaten nach Israel emigrierten. Wie sie dort aufgenommen werden und wie sich die Lage auf die wirtschaftliche, aber auch die Wohn- und Arbeitssituation des Landes auswirkt, darüber berichtet Daniela Segenreich im aktuellen Heft. Ronnie Niedermeyer befragte in seiner neuen Serie Mentschen den israelischen Psychologen Ariel Merari zum internationalen Terrorismus und dessen Motive. Unser Wirtschaftsexperte Reinhard Engel berichtet über Internetkriminalität und die weltweit anerkannten Leistungen Israels im Bereich Cyber-Security. Kurz vor den Wahlen in Israel sprach Marta S. Halpert mit dem israelischen Oppositionsführer Yitzhak Herzog über die sozialen Probleme seines Landes, nationale Sicherheit und die Situation der jüdischen Gemeinden in Europa. Und Anita Pollak las für Sie das neueste Buch von Israels notorischem Nobelpreis-Kandidaten Amos Oz. Mit diesen und vielen weiteren Themen im vorliegenden Heft wünsche ich Ihnen ein fröhliches Purimfest und einen sonnigen Frühlingsbeginn.

Julia Kaldori
Chefredaktion

Bild: © flash90

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