Wir haben euch nie zu hassen gelernt

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Dan Gordon ist Hollywoods Stimme in der IDF und wurde mit seinem Brief an die israelkritischen spanischen Schauspieler Bardem und Cruz bekannt. Seinen offenen Brief richtet er diesmal direkt an das palästinensische Volk.* Von Dan Gordon 

Letzte Woche hatte ich die große Ehre, den pensionierten Generalmajor Avigdor Kahalani zu einem Artilleriebataillon irgendwo in der Kampfzone zu begleiten. General Kahalani ist einer von Israels größten Kriegshelden, ein Veteran des Sechstagekrieges, des Jom-Kippur-Krieges und des ersten Libanonkrieges. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass ohne den Einsatz Avigdor Kahalanis und der Männer seines Kommandos die Syrer, die bereits den größten Teil der Golanhöhen eingenommen hatten, weiter in den Norden Israels vorgedrungen wären und das Schicksal nicht nur des Krieges, sondern ganz Israels in Frage gestellt hätten. Stattdessen waren Kahalani und die ihm unterstellten Truppen nicht nur maßgeblich an der Rückeroberung des Golan beteiligt, sie drangen auch tief in syrisches Gebiet ein, bis auf Artilleriereichweite an Damaskus heran. Es war eine nahezu einmalige Leistung in der Geschichte der modernen Kriegsführung, bei der ein Land einen verheerenden, Pearl Harbor gleichen Angriff erlitt, einer völlig neuen Taktik eines gut ausgebildeten, überragend gerüsteten Gegners gegenüberstand, sich auf die neuen Umstände einstellte, einen Gegenschlag führte und in zweieinhalb Wochen an den Vororten der Hauptstadt des Angreifers stand. Ganz einfach, General Kahalani und andere wie er retteten Israel. Am Ende seiner militärischen Laufbahn ging Kahalani in die Politik, wurde ins israelische Parlament gewählt, diente als Minister an der Spitze der Regierung und nahm an einigen der entscheidensten Debatten und Entscheidungen teil. Nach seinem Rückzug von der politischen Bühne wurde er Vorsitzender der AWIS, der Wohlfahrtsorganistion für Israels Soldaten.

„Wenn Menschen einmal hassen gelernt haben, finden sie immer jemanden, den sie hassen können.“ Avigdor Kahalani, Generalmajor

Es war in dieser Eigenschaft, dass er zu den im Feld unter Beschuss stehenden Soldaten hinausging. Für diese jungen Soldaten war es die Gelegenheit, einer lebenden Legende zu begegnen, dem israelischen Gegenstück eines Patton oder MacArthur. Ich nahm an, er werde eine flammende Rede halten, obwohl ihr Elan keiner Anfeuerung bedurfte.

Ich war vierzig Jahre lang Teil der israelischen Verteidigungskräfte, und nie habe ich einen so starken Kampfgeist gesehen und nie ein so geschlossen hinter seinen Soldaten stehendes Volk. Gerade neulich war ich in einer Gaststätte an einer Kreuzung kurz vor der Grenze zu Gaza. Es war so ziemlich die letzte Möglichkeit, vor der Grenze und dem Niemandsland noch ein anständiges Essen zu bekommen. Ich war hungrig wie der sprichwörtliche Wolf und hatte eine Riesenportion bestellt, im Wissen, es würde wohl das letzte sein, das ich an diesem Tag zu essen bekäme. Als ich bezahlen ging, meinte die Kellnerin, das sei schon erledigt.

„Jemand hat mir mein Essen bezahlt?“, fragte ich, um mich bei meinem Gönner zu bedanken.

„Nein“, antwortete sie. „Jemand hat die Rechnug für alle Soldaten hier drin übernommen.“ Es waren gut und gerne fünfzig Soldaten zum Mittagessen dort. „Das passiert hier jetzt täglich“, sagte sie lächelnd.

Ich bin schon von Wildfremden mit nach Hause genommen worden. Sie gaben mir einen Bademantel, während meine Uniform in der Wäsche war, gaben mir zu essen, ließen mich duschen und boten mir buchstäblich das eigene Bett für die Nacht an. Unglaublich … einfach unglaublich.

Diese Truppe hatte keine aufstachelnde Ansprache nötig. Aber was Kahalani wirklich sagte, war außergewöhnlich. Er sprach ruhig. So leise, dass die jungen Soldaten sich nach vorn beugten, um kein Wort zu verpassen. Er redete voll Überzeugung direkt vom Herzen und sprach das Herz aller Zuhörer an.

„Wir haben euch nie zu hassen gelehrt“, sagte er. „Nicht diese Armee, nicht die israelischen Verteidigungskräfte. Euch haben wir nie zu hassen gelehrt. Es gibt Armeen auf der Welt, die das tun. Und, ich weiß es nicht, vielleicht wirkt es einigermaßen, vielleicht hilft Hass auf den Feind, leidenschaftlicher zu kämpfen. Aber euch haben wir es nie beigebracht. Ich will euch sagen warum. Wenn wir euch hassen lehren, könnt ihr das nicht rückgängig machen. Ihr werdet aus dem Krieg zurückkehren und es wird nicht der ‚Feind‘ sein, sondern euer Schwager, euer Nachbar oder ehemaliger Freund. Wenn Menschen einmal hassen gelernt haben, finden sie jemanden, den sie hassen können. Deshalb haben wir es nie vermittelt.“

Plötzlich sprach er nicht wie ein General, sondern wie ein liebender Vater zu seinen teuren Söhnen und Töchtern. „Wir haben euch das nie gelehrt. Ihr wisst, warum ihr hier seid. Nicht um jemanden zu hassen, sondern euer Volk, euer Heim und eure Familien zu verteidigen. Jeder von euch muss die volle Verantwortung für das Schicksal des ganzen Volkes Israel auf seinen Schultern spüren. Jeder von euch hält dieses Schicksal in der Hand. Aber es geht nicht um Hass. Ihr habt jetzt diese Tradition von meiner Generation geerbt, und ihr werdet die sein, die sie fortsetzen. Aber Erben tragen Verantwortung. Ich weiß, ihr werdet mich nicht enttäuschen.“
Das war die Ansprache unseres Patton in einem grausamen und bösartigen Krieg, der uns von einem grausamen und bösartigen Gegener aufgezwungen wurde, der Hamas.

Seine Motivationsansprache lautet, hasst nicht

Tut, was ihr tun müsst, um euer Heim, eure Familie und euer Volk zu verteidigen, aber hasst nicht.

An das palästinensische Volk von Gaza: Wir hassen euch nicht. Wir wünschen euch nichts Böses. Wir wollen nur in Frieden an eurer Seite wohnen. Wenn ihr, wo immer ihr jetzt Unterschlupf gefunden habt, wieder herauskommt, dann fragt euch, warum Hamas euch nie Schutzräume gebaut hat. Sie sind schließlich großartige Tunnelbauer. Sie gruben sie unter unsere Grenze mit der Absicht, so viele unserer Zivilisten wie möglich zu ermorden; unsere Frauen und Kinder, versammelt in bäuerlichen Speisesälen. Keine Soldaten, keine Krieger – unsere Frauen, Kinder und alten Menschen. Sie sind also gut im Tunnelbauen. Warum haben sie keine Tunnel für euch gebaut, um Schutz darin zu finden? Dann seht eure Wohngebiete an. Jetzt sind sie zerstört, weil sie die Eingänge in diese Tunnel bargen, nicht neben euren Wohnungen, durch eure Wohnungen.

Wie sieht der Krieg der Hamas für euch aus? Haben eure Kinder eine bessere Zukunft? Haben sie irgendeine Zukunft außer Leid und Elend?

Sie haben eure Wohnungen und eure Wohngebiete in Raketenbasen und Waffenlager verwandelt. Nicht aus Versehen, sondern um euch verwundbar zu machen, um ganz sicher zu sein, dass ihr euch in Gefahr befindet, egal wie viele Warnungen Israel vor dem Angriff austeilt. Fragt, warum Hamas euch anwies, die Warnungen nicht zu beachten, und euch vorschrieb, es sei eure Pflicht in euren Vierteln zu bleiben, die sie zu Angriffszielen gemacht hatten.

Fragt euch, warum Hamas den ägyptischen Waffenstillstandsvorschlag ablehnte, der die Bodenoffensive und darauf folgenden Tod und Zerstörung verhindert hätte.

Es war keine zionistische Verschwörung. Es war ein ägyptischer Vorschlag, befürwortet von der Arabischen Liga und dem Präsidenten Palästinas, Mahmoud Abbas, und Israel hat ihn sofort und bedingungslos angenommen!

Es war die Hamas, die ihn in einem massiven Raketenangriff ablehnte, gefolgt von vier verschiedenen terroristischen Tunnelangiffen, nicht auf unsere Soldaten, sondern unsere Frauen und Kinder. Sie sollten ermordet, verstümmelt und als Geiseln verschleppt werden, durch dieselben Tunnel zurück nach Gaza gezerrt, damit Khaled Mashal einen großen Sieg ausrufen könnte – von einem Fünfsternehotel in Qatar aus, während ihr im Staub von Gaza liegt.

Seht eure Wohnviertel an. Wie sieht der Krieg der Hamas für euch aus? Hat er euer Leben verbessert? Haben eure Kinder eine bessere Zukunft? Haben sie irgendeine Zukunft außer Leid und Elend?

Hamas und ihresgleichen haben uns seit mehr als hundert Jahren ins Meer zu treiben versucht. Und ist es gut für euch gelaufen? Seht euch euer Leben an und seht unseres an.

Ohne einen einzigen Tag Frieden erlebt zu haben, sind unsere Städte ansehnlich, unsere Frauen strahlend, unsere Männer gutaussehend, unsere Kinder die Äpfel unserer Augen; unsere Industrie blüht, unser neu gegründeter Staat wird weltweit beneidet. Unser subjektives Wohlempfinden ist, obwohl wir ständig Opfer terroristischer Überfälle und Kriege gewesen sind, mit das höchste unter allen Völkern der Erde. Wir leben länger, haben mehr Hochschulabsolventen, mehr Computer, veröffentlichen mehr wissenschaftliche Artikel, haben mehr Künstler, Musiker, Wissenschaftler und Unternehmer pro Kopf als fast jeder Ort der Erde. Unsere Kühe geben mehr Milch als alles andere Milchvieh. Unsere Landwirtschaft beruht fast ausschließlich auf wiedergewonnenem Wasser, und kein Land der Erde nutzt Wasserentsalzung mehr als Israel. Dürren, die andere Länder niederzwängen, wirken sich für uns nicht aus. Und all das haben wir erreicht trotz der erklärten Pläne von Hamas und ihresgleichen, uns zu vernichten.

Dreimal seid ihr in den letzten fünf Jahren gegen uns in den Krieg gezogen. Ihr habt jeden einzelnen davon angefangen, und vor jedem flehten wir euch an, keine weiteren Raketen gegen uns abzuschießen. Aber jedesmal wurde euch ein g-ttgewollter Sieg über uns versprochen. Die Raketen würden das Schwert sein, das uns besiegt. – Wir erfanden Iron Dome.

Die Tunnel würden Hamas’ „Überraschung“ sein, die uns „die Tore zur Hölle öffnet“.– Wir sind gerade jetzt in diesen Tunneln und sprengen sie. Und wer hat den bittersten Preis bezahlt? Ihr! Ist es das wert? Ist bei all dem etwas für euch herausgekommen?

Hier ist ein Gedanke: Dreimal habt ihr es in fünf Jahren mit Krieg versucht? Probiert einmal etwas anderes. Versucht es mit Frieden. Ihr müsst ihn nicht einmal Frieden nennen. Hört einfach auf, uns umbringen zu wollen, und lasst euch überraschen, wie gut euer Leben auf einmal sein wird.

„Probiert einmal etwas anderes. Versucht es mit Frieden. Ihr müsst ihn nicht einmal Frieden nennen.“

Aber was ist mit der Einkesselung? Die so genannte „Blockade“ ist nichts als eine Maßnahme gegen eure Versuche, uns umzubringen! Also hört auf. Ihr seid gewitzte Leute. Ihr seid fleißige Leute. Hört auf, uns umbringen zu wollen, und ihr braucht keine Märtyrer mehr zu sein, um ins Paradies zu kommen. Ihr könnt euer Paradies auf Erden haben. Ihr könnt das Singapur des Nahen Ostens werden. Ihr habt herrliche Strände, die Tourismusziele werden können. Ihr seid am Mittelmeer, lieber Himmel! Ihr seid erfinderisch, arbeitsam und begabt. Setzt diese Talente ein, um eure Leben zu verbessern statt unsere zu beenden.

Ihr werdet das Tor zwischen Europa und dem Nahen Osten sein. Die Geber stehen längst bereit und warten darauf, euch einen Marshallplan anzubieten, der euer Leben versüßt. Der Plan jedoch, den Khaled Mashal für euch hat, führt nur zum Tod.

Ihr müsst uns nicht lieben. Ihr braucht uns nicht einmal zu mögen. Ja, ihr könnt uns sogar weiter hassen, wenn das eure Gefühle beruhigt. Es stört uns nicht. Verausgabt euch. Hört nur mit dem Versuch auf, uns umzubringen.

Wenn Hamas euch erzählt, es sei ein Heiliger Krieg, fordert sie auf, den Koran zu lesen. Die Sure der Kinder Israels, Sure 17: 104: „Und wir sprachen zu den Kindern Israels: ‚Wohnt in dem Lande, und wenn die Zeit des Jenseits kommt, dann werden wir euch als eine gesammelte Schar herbringen.‘“ Das sind wir! Wie gesammelt sollen wir noch werden? Wir wurden hier versammelt, nicht nur unserer Prophezeiung folgend, sondern eurer! Wir kamen von allen Enden der Erde, denn seit zweitausend Jahren sagt jeder Jude, der Passah oder Jom Kippur feiert, sei er schwarz, weiß, braun oder irgendeine andere der Regenbogentöne, die unser Volk ausmachen, „nächstes Jahr in Jerusalem“.

Also lest diesen Teil des Koran, wenn sie euch anweisen, einen Bombengürtel um euren Sohn oder eure Tochter zu schnallen.

Und an alle eure Unterstützer und Helfer, an alle, die in Demonstrationen marschieren, um den Tod und die Zerstörung zu beenden: Wenn euch wirklich die Palästinenser am Herzen liegen, wie ihr vorgebt, fordert sie nur auf zu versuchen, uns nicht mehr umbringen zu wollen. Gebt dem Experiment ein Jahrzehnt. Versucht es.

Wir gehen nirgends hin. Ihr werdet uns nicht bezwingen. Ihr werdet uns nicht vernichten. Ihr werdet uns nicht in solche Verzweiflung treiben, dass wir das Land, nach dem wir uns zweitausend Jahre gesehnt haben, für das wir gearbeitet, geschwitzt und geblutet haben, verlassen würden. Wir ziehen uns nicht aus dem Nahen Osten zurück. Weil wir hier zu Hause sind. Unsere Religion wurde nicht in Polen geboren. Es war hier. Unsere Sprache wurde nicht in Russland, in Amerika oder Frankreich oder Äthiopien oder im Jemen oder in Marokko geboren. Sie wurde hier geboren. Und ich verspreche euch, wir werden nicht ermüden. Wir können es uns nicht erlauben.

Also hört auf zu versuchen, uns umzubringen, denn wir hassen euch nicht. Wir lehren unsere Kinder und unsere Soldaten nicht, euch zu hassen. Die Worte unserer Nationalhymne fassen das einzige zusammen, das wir wollen: „ein freies Volk zu sein in unserm Land, dem Land Zion, Jerusalem“. Genau wie der Koran es sagt.

Dan Gordon, preisgekrönter Drehbuchautor von Filmen wie Hurricane und Wyatt Earp. Er ist in den Vereinigten Staaten geboren, wohnt derzeit in Israel und besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. Er dient in der IDF als Hauptmann der Reserve und gehört der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit an. Gordon schrieb unter anderem einen offenen Brief an Javier Bardem und Penelope Cruz, die gemeinsam mit vielen anderen spanischen Künstlern einen Kommunique der Kultur gegen den Völkermord an Palästinensern veröffentlichten.

* Übersetzung von F. Axel Berger; http://berger-odenthal.de

© Alaa Badarneh / picturedesk.com

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