Beim Thema Flüchtlinge scheiden sich in der Wiener jüdischen Gemeinde die Geister. Die Angst vor Terror, vor islamischem Antisemitismus besteht. WINA bat IKG-Ehrenpräsident und EJC-Vizepräsident Ariel Muzicant um seine Einschätzung der tatsächlichen Bedrohungslage.
Interview: Alexia Weiss
WINA: Sie sind gerade als Vizepräsident des European Jewish Congress wiedergewählt worden, der jüngst in Brüssel getagt hat. Eines der wichtigsten Themen auf der Agenda: die Sicherheit von Juden in Europa. Gibt es Grund zur Besorgnis?
Ariel Muzicant: Es ist ein Unterschied zwischen dem, was real stattfindet, und dem, was die Menschen empfinden. Subjektiv empfinden die Juden in Europa derzeit, dass sie bedroht werden, einerseits von einem in manchen Randschichten der muslimischen Gemeinde dramatisch wachsenden Antisemitismus, andererseits von nationalistischen Strömungen. Und dann kommt noch ein drittes Phänomen dazu: das ist die massive Israel-Feindlichkeit vor allem der Linken. WennI eine schwedische Außenministerin nach den Terroranschlägen von Paris erklärt, Schuld an diesen Anschlägen sei der nicht gelöste palästinensisch-israelische Konflikt, hat das mit Politik nichts mehr zu tun, dann ist das Antisemitismus in Reinkultur. Diese drei Phänomene führen dazu, dass Juden sich unwohl und unsicher fühlen. Und Tatsache ist, dass Juden in Europa in den letzten zwei Jahren getötet wurden, weil sie Juden waren.
“„Gott
In der großen Linie – wir müssen menschlich sein, wir müssen solidarisch sein – sind wir uns einig.““ font_container=“tag:h3|text_align:left|color:%000″ google_fonts=“font_family:Droid%20Serif%3Aregular%2Citalic%2C700%2C700italic|font_style:400%20italic%3A400%3Aitalic“]Die Bedrohung ist aber doch je nach Region in Europa unterschiedlich.
❙ Es gibt Unterschiede nach Regionen und Ländern. Die Phänomene sind aber sehr ähnlich.
Wie sieht es in den verschiedenen Teilen Europas aus?
❙ In Frankreich, Belgien, Spanien und Italien sind die größte Bedrohung die dort lebenden Migranten aus den arabischen Ländern zweiter Generation sowie die jetzt aus Syrien und dem Irak kommenden IS-Kämpfer. In Skandinavien ist es eine Mischung aus Linken und Muslimen. Die Gemeinde in Malmö, die vor einigen Jahren noch 2.000 Mitglieder hatte, steht heute bei unter 800 und wird sich in den nächsten Jahren auflösen. Eine jüdische Gemeinde kann dort nicht mehr überleben, weil die Stimmung in Malmö durch die muslimische Zuwanderung so antisemitisch ist. Und dann kehren in Osteuropa, vor allem in Ungarn und Polen, die alten Nationalismen zurück. Ausnahmen sind Rumänien, wo sich die Regierung extrem bemüht, den rechten Rand niederzuhalten, und überraschenderweise auch Russland, wo Putin eine extrem anti-antisemitische Linie fährt, so gut er kann.