Jeannine Schiller ist glücklich, wenn sie sieht, was sie mit ihrem Charity-Engagement erreicht. Nicht zuletzt durch ihre Teilnahme bei Dancing Stars im ORF-Fernsehen ist sie österreichweit bekannt. Von Alexia Weiss
Meine Mutter konnte schwer Gefühle zeigen“, erzählt Jeannine Schiller, aber verbittert ist sie darüber nicht. „Heute verstehe ich, was sie durchgemacht hat. Sie hat einfach keine Kraft gehabt, sich mit mir auseinanderzusetzen.“ Die kleine Jeannine kam 1944 zur Welt – in Casseneuil in Frankreich. Der Vater, der schon in jungen Jahren in Wien mehrere Fleischereigeschäfte aufgebaut hatte, fand hier Beschäftigung in einer Konservenfabrik. Der Besitzer sei ein französischer Nazi gewesen, erzählt Schiller. Aber männliche Arbeitskräfte waren rar, es war ja Krieg – und der Vater tüchtig gewesen. „Er hat ihm die Fabrik geschupft.“
Mehrmals wurden die Eltern verhaftet, jedes Mal hat sie der Fabriksbesitzer wieder befreit. „Meine Mutter war sogar einmal im Zug nach Auschwitz. Und da ist er mit der SS gekommen und hat sie wieder herausgeholt.“ Die Eltern der Mutter hatten weniger Glück. „Sie haben gesagt, wir haben ja niemandem etwas Böses getan, wir bleiben in Wien.“ Geendet hat ihr Leben in Auschwitz. Ganz zum Schluss haben sie noch eine Karte an die Tochter geschrieben: „Greterl, jetzt gehen wir hinein.“
Nach dem Krieg dann hat man den Konservenfabrikanten aus Casseneuil als Kollaborateur angeklagt, und es drohte ihm der Tod. „Da haben ihm dann meine Eltern das Leben gerettet.“ Ihren Vater hat Jeannine Schiller allerdings nie bewusst kennen gelernt. „Er hat sich in einem Lager eine Infektion geholt und ist Anfang 1946 gestorben.“ Heute macht sie sich auch Gedanken darüber, wie eigentlich die Beziehung zwischen den Eltern gewesen war.
„Ich habe all die Jahre nie gefragt, ob sie ihn geliebt hat. Es ist schon komisch. Jetzt ist meine Mutter 34 Jahre tot, und nun denke ich darüber nach.“ Die Hochzeit der beiden sei nämlich eine „geschacherte“ (arrangierte) gewesen. Die Mutter hatte den Besitzer eines kleinen Likörgeschäfts heiraten wollen, aber die Eltern waren dagegen gewesen. Sie drängten auf eine Verbindung mit dem vermögenderen Fleischermeister. Irgendwann hat die Mutter dann eingewilligt.

Nach dem Krieg in Wien, als die Mutter sich wieder etwas Wohlstand erarbeitet hatte, indem sie um die Rückgabe der Maschinen aus dem Fleischereibetrieb des Mannes gekämpft hatte und damit erneut in das Geschäft einsteigen hatte können, heiratete sie nochmals – einen Meister aus dem Betrieb, „ein schrecklicher Mann“, wie Schiller sich erinnert. Sie vertrug sich nicht mit dem Stiefvater, war auch frech und wurde im Alter von sechs Jahren ins Pensionat geschickt.
Schon damals sei sie „eine Zierpuppe“ gewesen, erinnert sich Schiller – ganz im Gegensatz zur Mutter. Diese hatte sich dem Hobby ihres ersten Mannes verschrieben – den Trabrennpferden – und immer wieder betont, die Tiere seien ihr lieber als die Menschen. „Ihr ganzes Leben waren die Pferde.“
In ihrer Kindheit sei sie „todunglücklich“ gewesen, erzählt Schiller. Sie kam von einem Pensionat ins nächste. Heute bewundert Schiller ihre Mutter, „wie sie das alles geschafft hat, ohne Mann mit drei Kindern wieder zurückzukommen und sich hier aus dem Nichts etwas aufzubauen“. Aus der Kinderperspektive sagt sie aber: „Es war sehr, sehr schwer, und ich denke oft darüber nach, wieso ich heute das Bedürfnis habe, so viel für Kinder zu tun. Vielleicht war es meine Kindheit, die mich hier geprägt hat.“
Es geht immer um Kinder
Schiller wurde selbst früh Mutter und hat zu ihren beiden Kindern ein inniges Verhältnis – auch wenn diese es nicht sehr schätzen, dass sie so oft im medialen Rampenlicht steht. Dieses brauche sie aber, betont Schiller, um das zu tun, was sie seit nunmehr fast 20 Jahren tut: Geld für karitative Zwecke sammeln. Wobei es immer um Kinder geht.
Anfangs waren es die Cliniclowns, für die sie Spenden aufgetrieben hat. Dann trat das Hilfswerk an sie heran, mit der Bitte, sich ein Dorf in Moldawien anzusehen. Zunächst zögerte sie, aber dann ist sie gefahren. „Und da habe ich staatliche Kinderheime gesehen, die nur einen Lehmboden hatten. Es war Dezember, die Kinder hatten keine Socken an, keine Schuhe, und manche waren in Käfigen. Es war schrecklich.“
Also stellte Schiller die Mittel auf, um ein Heim zu errichten, mit Bädern und Toiletten, was am Land in Moldawien bis heute ungewöhnlich sei. Vor elf Jahren wurde der Bau fertiggestellt – doch viele weitere Jahre wurde auch die Erhaltung und der laufende Betrieb aus Spendenmitteln finanziert. Inzwischen hat diese Kosten die Gemeinde übernommen. Inzwischen steht aber auch schon das zweite Jeannine-Schiller-Therapiezentrum in einem anderen Ort in Moldawien. 50 behinderte Kinder leben in diesem Dorf – und in der Umgebung weitere 250. Hier bekommen die Kinder nicht nur Hilfe. Es wird auch den Eltern gezeigt, wie sie mit ihren Kindern arbeiten, sie fördern können.