„Womit wir alle leben müssen, ist diese große Unsicherheit“

Der runde 12-er Tisch ist verwaist. Es fehlen die herzlichen Lacher auf die Anekdoten aus dem Künstlerleben von Altmeister Otto Schenk und Klaviervirtuosen Rudolf Buchbinder. Es fehlen die schwärmerischen Blicke der aufstrebenden Sängerinnen, wenn sie Camilla Nylund, der weltberühmten Sopranistin lauschen, die ihren letzten Auftritt an der Metropolitan Opera schildert - und die jetzt arbeitslos ist. „Mir fehlen diese kunstsinnigen Menschen, es entsteht ein mentales Manko,“ bedauert Sissy Strauss, die regelmäßig eine bunte Künstlerschar seelisch und kulinarisch in ihrem Speisezimmer verwöhnt. Wie es acht jüdischen Künstlern und Unternehmern in der aktuellen Krise ergeht, lesen sie hier.

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Von Marta Halpert & Reinhard Engel


©Reinhard Engel

ORSOLYA KORCSOLÁN
Geigenunterricht via Skype

„Meine Musikschule rettet mich jetzt, denn ich kann alle meine Geigenschüler über Skype einzeln weiter unterrichten.“

Dieses Wochenende sollte ich mit meinen AlumniKollegen von der Juilliard School in New York gemeinsam musizieren, u.a. auch mit Yitzhak Perlman“, bedauert die Violinistin Orsolya Korcsolán, die ihren Master an dieser renommierten Musikschule gemacht hatte, bevor sie ihre internationale Karriere startete. Doch nicht nur diese Absage hat die gebürtige Ungarin zu verkraften, sondern auch jene eines Debütkonzerts im Wiener Musikverein. „Ein Herzensprojekt gemeinsam mit meinem Mann und Musikern der Wiener Symphoniker war die Gründung des Anna Rothschild Ensembles Wien. Unser Auftaktkonzert war für den 17.März geplant. Bei aller Enttäuschung über den Abbruch, hatten wir noch ein wenig Glück: Da wir schon zwei Proben absolviert hatten, bekommen wir einen Ersatztermin – hoffentlich noch im Winter 2020.“

Verdient gemacht hat sich Korcsolán sowohl um vergessene als auch ermordete jüdische Komponisten aus Mitteleuropa, deren Werke sie in mühevoller Arbeit recherchiert und wieder zum Erklingen gebracht hat – live und auf mehreren CDs. „Im Rahmen des Kammermusikfestes hätte sich das neu gegründete Ensemble an dem Abend ausschliesslich zwei Werken von Kurt Weill gewidmet: Dem Konzert für Violine und Blasorchester op. 12 und der Suite aus der „Dreigroschenoper“ für Blasorchester, Klavier und Schlagwerk“, erzählt die Solistin, die sich trotz einer gewissen Traurigkeit auf das Positive konzentriert. „Meine Musikschule rettet mich jetzt, denn ich kann alle meine Geigenschüler im Alter von acht bis 24 Jahren über Skype einzeln weiter unterrichten.“ Natan, der 14-jährige Sohn bescherte ihr nur Freude, denn er übte täglich am Klavier: „Im September hoffen wir vor Publikum spielen zu können.“


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BOAZ DANIEL
Ein Bariton gerät zwischen diverse Verträge

Wenn die nächste Spielzeit nicht ordnungsgemäss beginnt, dann ist
das traurig und besorgniserregend

Es klingt wie ein Aufschrei: Fettgedruckt in roter Farbe taucht vier Mal das Wort CANCELLED auf dem Terminplan Operabase des israelischen Baritons Boaz Daniel auf: Allein an der Wiener Staatsoper fielen im März und April drei Auftritte in Wagner-Opern der Covid-19-Schließung zum Opfer: Unter dem Dirigat von Adam Fischer hätte Daniel den Donner in Rheingold, den Gunther in der Götterdämmerung sowie den Klingsor im österlichen Parsifal singen sollen. „Leider sind zwei Konzertabende, die für Mai in Paris geplant waren, auch abgesagt.“
Während unseres Gesprächs kommt noch eine Hiobsbotschaft. Das Musikfestival in Montpellier im Juli wurde vorsorglich abgesagt: „Da hätte ich konzertant eine sehr schöne Partie aus Umberto Giordanos Fedora singen sollen“, klingt es etwas betrübt. Der Bariton aus
Tel Aviv wurde musikalisch von seinem Vater, der Solobratschist im Israel Philharmonic Orchestra war und seiner Mutter, einer Sängerin, geprägt. Er absolvierte die Rubin Academy of Music in Tel Aviv und danach ein Zweitstudium am Wiener Konservatorium. „Meine Hoffnung richtet sich auf den Spätherbst in Berlin: Da soll ich den Giorgio Germont in La Traviata an der Komischen Oper singen,“ freut er sich. „Aber wenn die nächste Spielzeit nicht ordnungsgemäss beginnt, dann ist das traurig und besorgniserregend. Dann haben wir wirklich große Probleme.“
Von 1998 bis 2005 war Daniel Ensemble-Mitglied an der Wiener Staatsoper, seither tritt er regelmäßig als Gast hier auf – und das mit einem großen Rollenrepertoire: u.a. sang er in Falstaff (Ford), Madama Butterfly (Sharpless), Le Nozze di Figaro (Graf), oder La Boheme (Marcello). „Im März hatte ich für eine Serie von Auftritten einen Residenzvertrag, das ist ein Festvertrag für eine beschränkte Zeit. Für diese Periode sollte ich ausbezahlt werden“, erklärt der freie Künstler seine finanzielle Lage. „Meine Gastverträge für die Wagner-Partien werden nicht bezahlt, da gilt die Klausel der „höheren Gewalt“. Was wünscht er sich? „Gesund sein, um weiter singen zu können.“


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RUTH BRAUER-KVAM
Vom Regiesessel ins Bastelzimmer

„Wenn es im Herbst nicht normal weitergehen kann, sieht unsere Welt schrecklich schlecht aus.“

Wir hatten gerade zwei erfreuliche Probenwochen der Oscar-Strauss-Operette Drei Walzer hinter uns, als die Premiere für April im Stadttheater Baden abgesagt wurde“, erzählt Ruth Brauer-Kvam, die als Regisseurin und Choreografin diese Produktion betreut. „Ich durfte mich mit dieser schönen kleinen Operette des wunderbaren jüdischen Komponisten beschäftigen – und plötzlich war es aus.“ Obwohl das Sänger- und Musikensemble mit etwa 50 Personen relativ klein ist, musste alles gestoppt werden. „Bis jetzt wurde dieses Werk nur in der Schweiz aufgeführt, noch nie in Österreich. Deshalb hoffe ich sehr, dass wir in die Planung 2022 wieder aufgenommen werden.“
Zuletzt heimste Ruth Brauer Kvam als schräger Conférencier im Musical Cabaret an der Wiener Volksoper großen Erfolg ein. Gleichzeitig produzierte sie gemeinsam mit ihrem norwegischen Mann, dem Komponisten Kyrre Kvam, ein liebevolles musikalisches Porträt ihres Vaters Arik, das sie im Rabenhof Theater zur Uraufführung brachte und das weiterhin im Repertoire bleibt. Ruth Brauer, 1972 in Wien geboren, machte ihr Diplom am Tanz- und Gesangsstudio Theater an der Wien. Die vielseitige Künstlerin gehörte u. a. von 2007 bis 2018 dem Ensemble des Theaters in der Josefstadt an. Seither ist sie freischaffend.
„Es sind wahnsinnig viele meiner Kollegen, Tänzer und Choreografen, gekündigt worden, sie wurden nicht mehr ausgezahlt“, erzählt Brauer-Kvam. „Wenn es im Herbst nicht normal weitergehen kann, sieht unsere Welt schrecklich schlecht aus.“
Als großes persönliches Glück sieht sie ihren Lehrauftrag an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. „Dort unterrichte ich regelmäßig, so bin ich wenigstens versichert.“ Alina, die 15-jährige Tochter, lernt schon selbstständig, aber bei der sechsjährigen Naomi muss Papa Kyrre helfen. „Ich bin dann am Nachmittag beim kreativen Basteln gefragt“, lacht sie. „Womit wir alle leben müssen, ist diese große Unsicherheit.“


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GERGELY SUGÁR
Dirigieren und ins Horn blasen

„Wann wird es wieder möglich sein, für ein volles Haus zu musizieren? Und zwar nicht nur in Wien, sondern weltweit.“

Meinen letzten Live-Auftritt kann man sich täglich anhören und anschauen“, freut sich der Hornist der Wiener Symphoniker Gergely Sugár, denn die Fidelio-Produktion am Theater an der Wien in der Regie von Christoph Waltz wurde bei der Generalprobe für das Fernsehen aufgezeichnet – und ist jederzeit online abrufbar.
Seit 2008 spielt er als festes Mitglied bei den Wiener Symphonikern, die derzeit noch keine Kurzarbeit angemeldet haben. „Wir warten gespannt, ob wir bei den Bregenzer Festspielen auftreten können. Außerdem üben wir für die große Chinatournee, die für Juli geplant und noch nicht abgesagt ist.“ Sollte es diese Absage geben, werden sich auch die angestellten Orchestermusiker einschränken müssen. Dass Sugár an der Universität Graz sein Instrumentenfach unterrichtet, bringt etwas Sicherheit.
„Dem Orchester geht es noch nicht so schlecht, weil wir zuletzt vieles aufgenommen haben, das jetzt international ausgestrahlt wird. Ich mache mir eher mittel- und langfristig Sorgen: Wann wird es wieder möglich sein, für ein volles Haus zu musizieren? Und zwar nicht nur in Wien, sondern weltweit. Ein vollwertiges Konzertleben kann man nicht wie einen Wasserhahn plötzlich aufdrehen.“
Sugár studierte an der Budapester Franz-Liszt-Musikakademie; er wählte das Horn, aber seine Leidenschaft ist das Dirigieren. Deshalb übernahm er die musikalische Leitung des Anna Rothschild Ensembles Wien. Benannt ist es nach seiner Lieblingstante, die aus einem hochmusikalischen Elternhaus stammte. In Szentes, einer Kleinstadt im Südosten Ungarns, hatte ihr Vater schon in den 1920er-Jahren ein angesehenes Ensemble aufgebaut, in dem auch Größen wie Ernst von Dohnány Klavier spielten. 1939 floh die Familie nach Palästina und kam später nach Wien: „Ohne die Hilfe von Anna Rothschild, bei der ich gratis wohnen konnte, weil ich von Budapest hierher pendelte, hätte ich mein Studium nie geschafft.“


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Schnelle Hilfe
Ihre Klienten brauchen die Steuerberatungskanzlei ASKG von Anita Schnarch in der Corona-Krise dringender als sonst.

„Ich bin sehr stolz auf meine Mitarbeiter. Jeder kannte seine Aufgaben, wusste, was zu tun war. Jeder hat das Wort Verantwortung persönlich genommen.“

Unser Büro arbeitet derzeit in einer unglaublichen Intensität.“ Anita Schnarch gehört zu jenen Dienstleisterinnen, die wegen der Krise jetzt besonders gefordert sind. „Die sich täglich ändernden Gesetze, Verordnungen und Richtlinien haben zu einer Vervielfachung der Anrufe und E-Mails geführt“, erzählt sie.
Schon in den letzten Jahren war ihr Betrieb, der sowohl KMUs wie auch Konzerntöchter steuerrechtlich berät und vertritt, stetig gewachsen. In der Krise muss sich jetzt die Qualität dieser Beratung bewähren. „Ich bin sehr stolz auf meine Mitarbeiter, ein sehr gut eingespieltes und engagiertes Team. Jeder kannte seine Aufgaben, wusste, was zu tun war. Jeder hat das Wort Verantwortung persönlich genommen.“ Sämtliche Klienten wurden kontaktiert und nach ihren Problemen proaktiv befragt. Es reiche nicht, diese bloß zu betreuen, man müsse sich für sie mit aller Kraft einsetzen, so Schnarch.
Dabei geht es vor allem darum, ihre Klienten durch das Dick-
icht der Hilfsprogramme zu navigieren. Schnarch: „Unsere Erfahrung mit Behörden und zuständigen Stellen gehen weit auseinander. Während etwa die Finanzbehörde oder die Gesundheitskasse trotz aller Schwierigkeiten schnell, hilfsbereit und unkompliziert agieren, scheinen die WKO und das AMS mit ihren neuen Aufgaben überfordert zu sein.“
Insbesondere das Thema Kurzarbeit stellte sich als großes Problem heraus. Laut Schnarch ist die Kurzarbeit „zwar ein tolles Instrument. Aber die Komplexität und die Verwaltungsarbeit, die dahinter steckt, sind enorm und für einen Betrieb ohne eigenem fachkundigen Personal sehr schwer bewältigbar.“ Ihre Kanzlei ließ sich einen eigenen Kurzarbeit-Rechner programmieren, mit schnellen Erfolgen für die ansuchenden Klienten. Auch andere Hilfsprogramme ob Härtefall-Fonds oder Überbrückungsgarantien stellten oft beinahe „hellseherische“ Herausforderungen an die Berater, immer wieder fehlten konkrete Richtlinien.
Schnarch macht sich keine Illusionen über anhaltende große Probleme für viele Unternehmer. Sie hofft aber trotz aller Schwierigkeiten auf eine schnelle Erholung in den nächsten Monaten.


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„Die alten Kunden trauen sich nicht hinaus“
Michael Yonatanov
hat zwar seine Werkstätte wieder geöffnet, aber das Geschäft
geht schlecht.

„Jetzt ist es gerade elf Uhr, und ich habe heute erst eine einzige Kundin gehabt.“

Am Montag nach Pessach habe ich wieder aufgesperrt“, erzählt Michael Yonatanov. Er repariert in seiner kleinen Werkstätte am Salzgries in der Wiener City Schuhe und schleift Schlüssel. „Schuhservice – Schlüsseldienst – Reparaturen aller Art“ steht auf seiner Visitenkarte. „Die Nachfrage ist aber sehr, sehr schwach. Jetzt ist es gerade elf Uhr, und ich habe heute erst eine einzige Kundin gehabt.“ Manche rufen an, ob er offen hat, aber dann kommen sie doch nicht vorbei.
Yonatanov sieht die Gründe dafür vor allem im Alter seiner Stammkunden. „Viele von ihnen sind über 70 oder über 80 und trauen sich oft nicht auf die Straße.“ Auch in der Filiale im sechsten Bezirk in der Gumpendorfer Straße, die einer seiner drei Söhne, Igal, führt, ist momentan nicht viel los, nach eineinhalb Monaten Totalsperre. Yonatanov: „Auch dort wohnen eher ältere Leute.“ Sein Sohn hat bisher 1.000 Euro an Nothilfe bekommen, ein weiteres Ansuchen läuft. Yonatanov selbst ist mit seinen 68 Jahren bereits Pensionist, daher hat er keinerlei Ansprüche. „Miete und Krankenkassa laufen aber weiter, das müssen wir bezahlen. Das zieht die Bank ohnehin gleich ein.“
Für sein Geschäft hat er inzwischen die nötigen Investitionen getätigt, etwa eine Glaswand zwischen Werkstatt und Kundenbereich installiert. „Und auch Handschuhe und Masken haben wir angeschafft.“
Yonatanov zählt sich selbst zur Risikogruppe. „Ich habe Herzprobleme und auch Asthma, daher muss ich besonders aufpassen.“ Pessach hat er allein mit seiner Frau zuhause gefeiert, die Enkel schon mehr als einen Monat nicht in die Arme nehmen können. „Wir haben uns nur einmal gesehen, auf Entfernung, vom Balkon aus.“
Wie es weitergeht, traut er sich nicht zu sagen. Aber er klagt auch nicht. „Da kann man halt nichts machen“, so der religiöse Handwerker aus dem tadschikischen Duschanbe, bei dem im Hintergrund meist religiöse Texte zu hören sind, mit denen er sich in seiner Einsamkeit in der Werkstatt befasst.


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Umsatzeinbruch, Stau, Kurzarbeit
Eduard Pinchasov hat als Lieferant von Stahlprodukten aus Weißrussland die Krise in der Industrie hautnah kennengelernt.

„Als wir gesehen haben, was in Asien mit Corona los ist, habe ich meine Mitarbeiter mit Laptops ausgestattet und geschaut, dass alle auf den Server Zugriff haben.“

Zeitweise sind die Bestellungen um 90 Prozent zurückgegangen“, erzählt Eduard Pinchasov, der mit seiner Wiener 15-Mitarbeiter-Firma RMZ Stahlprodukte eines großen staatlichen weißrussischen Kombinats in ganz Europa vertreibt. „Zuerst, im März, hat es nicht ganz so schlecht ausgeschaut, weil manche vor der Krise noch ihre Lager füllen wollten. Aber dann hat sich die Situation doch dramatischer entwickelt.“
Es war vor allem die Bauindustrie, die ihre Order fast einstellte. Im Maschinenbau, einer anderen Branche, die Pinchasov mit Teilen wie Bolzen beliefert, konnte er sogar leichte Zuwächse feststellen. Europäische Industrielle, die bis dahin in Asien eingekauft hatten, suchten sich plötzlich näher liegende Erzeuger ihrer Vorprodukte. Doch auch da gab es Probleme. Pinchasov: „Manchmal sind die LKWs 30 bis 40 Stunden am polnischen Zoll gestanden. Inzwischen hat sich das wieder eingespielt.“
In seiner Wiener Firma wollte sich der Stahlhändler schon früh vorbereiten. „Als wir gesehen haben, was in Asien mit Corona los ist, habe ich meine Mitarbeiter mit Laptops ausgestattet und geschaut, dass alle auf den Server Zugriff haben.“ Es sollte sich als richtig herausstellen, inzwischen arbeitet die Mehrzahl von zu Hause, ein Großteil ist überdies nach Abbau von Überstunden und Urlauben in Kurzarbeit. „Wir werden bald versuchen, das Büro wieder hochzufahren“, erzählt er, „mit allen Vorsichtsmaßnahmen wie Abstand bei den Schreibtischen und der Aufteilung in zwei Teams, falls sich doch jemand anstecken sollte.“
Für ihn selbst hat trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Situation auch einen positiven Nebeneffekt. „Ich bin viel mehr bei meiner Familie. Normalerweise bin ich oft beruflich unterwegs, eher mehr im Ausland als zuhause.“ Videokonferenzen haben Werks- und Kundenbesuche ersetzt, Messen wurden verschoben. „Natürlich fehlt der persönliche Kontakt mit den Geschäftspartnern. Aber ich glaube, so viel reisen wie früher werden wir in der Zukunft nicht mehr.“


©Reinhard Engel

Langsamer Neustart
Das Hemdengeschäft Ferman in der City ist eine Institution. Geschäftsführer Janis Tillinger erzählt seine Krisenerfahrungen.

„Wir müssen mehr junge Menschen erreichen, vor allem deshalb, weil uns momentan die Touristen weggefallen sind.“

Das Geschäft war noch nie so lang geschlossen“, erzählt Janis Tillinger, seit dem Vorjahr Geschäftsführer des Familienbetriebs in dritter Generation Eurowien. Sein Großvater, Ferdinand Mandel, von dem sich auch der Markenname Ferman ableitet, hatte es 1958 gegründet, seit 1968 gibt es den Standort in der Kramergasse. „Auch seit wir wieder offen sind zunächst mit verkürzten Zeiten hat es recht langsam begonnen. Wir machen vielleicht 20 bis 30 Prozent unserer Umsätze von vor der Krise.“
Tillinger versteht die gesundheitlichen Gründe für den Lockdown. Die Umsetzung der staatlichen Hilfen sei aber zu bürokratisch und umständlich erfolgt, sowohl jene für Kurzarbeit wie auch die Nothilfen für Unternehmen. Dennoch gibt er sich zuversichtlich: „Wir kennen noch lange nicht alle wirtschaftlichen Folgen in den unterschiedlichen Branchen. Aber es wird sich wieder erholen.“ Er selbst intensiviert seine Werbeaktivitäten in den sozialen Medien, vor allem auf Instagram. „Wir müssen mehr junge Menschen erreichen, vor allem deshalb, weil uns momentan die Touristen weggefallen sind.“
Doch Tillinger sieht seine eigene Lage im Vergleich nicht ganz so schlimm wie bei anderen Unternehmen: „Unsere Ware ist nicht verderblich, wir führen vor allem klassische Herrenhemden. Sie hat auch kein modisches saisonales Ablaufdatum wie in der Damenoberbekleidung. Und ich bin der einzige Angestellte außer zwei Mitarbeiterinnen auf Basis geringfügiger Beschäftigung.“
Für die mageren Zeiten hat er sich dennoch gerüstet. So wurde etwa bei den portugiesischen Lieferanten weniger Ware bestellt als üblich. Tillinger möchte zuerst jene Hemden verkaufen, die wegen der Zwangssperre keine Abnehmer gefunden haben, sich nicht das Lager über Gebühr vergrößern. Und er überlegt ein zweites Standbein: Als Absolvent der Modeschule Hetzendorf will er Maßfertigung anbieten, von Masken bis zu Hosen oder Damenkleidern.

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