WINA– TIPP
DAS GOLDSTÜCK
Marxergasse 9, 1030 Wien
Tel.: +43/(0)699/140 41 903
Mo.–Fr., 07:30–17:00 Uhr
dasgoldstueck.at
Dass hier einmal ein großes Billard- Kaffeehaus blühte, ist nicht schwer nachzufühlen. Doch die Zeiten haben sich geändert, jetzt gibt es hier keine dichten Rauchschwaden mehr, keine autoritäre Sitzkassierin gegenüber dem Eingang und keine älteren Herren, die sich halbe Tage lang hinter ihren Tageszeitungen verstecken.
„Das Goldstück“ auf der Marxergasse zielt auf eine andere Klientel. Zu Mittag braucht es sicherheitshalber eine Reservierung, um einen der modernen Tische zu ergattern. Hier sitzen junge Männer im Business-Anzug, Managerinnen im Pullover oder Kostüm, dazwischen parken Kinderwagen. Man hört auch Diskussionen auf Englisch.
Der lichtdurchflutete Raum oszilliert zwischen Moderne und Retro: Über der Kühlvitrine mit den frischen Gerichten, die man selbst auswählt und abholt, hängt eine elektronische Speisekarte mit dem jeweiligen Tagesangebot. Die ganze Länge des Restaurants schmückt eine gewundene Licht-Installation. Die Wände zeigen sich teilweise unverputzt wie in Budapester Shabby-chic-Lokalen, an der Decke verweist Stuck auf einstige Eleganz. Die Möbel sind aus hellem Holz getischlert, in den Regalen stehen Bücher.
Schon am Eingang liegen Bände des israelisch- englischen Starkochs Yotam Ottolenghi. Manche der bunten Mittagsteller atmen durchaus seine Ideen und geben sich völlig anders als dröge alpine Vegetariereintöpfe. Hier wird international gekocht und gewürzt, Curry und Minze sind zu schmecken, die hausgemachten Marinaden unterscheiden sich positiv von Standardregalware.
Die Ware geschmackvolles Bio,
allerdings wegen der Form
für die Handelsketten nicht geeignet:
Die Gurken sind krummer, die Äpfel kleiner,
die Karotten unterschiedlich gewachsen.
Das Gemüse, das hier zum Veggie-Mix mit Kurkuma-Rollgerste, Walnuss-Crunch, Rotkraut, Süßkartoffel und Apfel verarbeitet wird (12,90 €), gilt als „gerettet“. Das bedeutet aber nicht, dass es jemand aus den Abfall- Containern eines Supermarkts gefischt hat. Der Lieferant ist das Linzer Unternehmen Afreshed und die Ware geschmackvolles Bio, allerdings wegen der Form für die Handelsketten nicht geeignet: Die Gurken sind krummer, die Äpfel kleiner, die Karotten unterschiedlich gewachsen.
Den Veggie Mix findet man täglich auf der elektronischen Speisekarte, ebenso auf der Website des Lokals und auf Instagram. Dazu wechseln Tagesgerichte, etwa ein köstliches Satay Tofu Curry mit Brokkoli und Karotten, Limetten-Reis und Chili Slices (14,50 €), eine leuchtende Kürbissuppe (7,40 €) oder das Gochujang Peanut Sandwich mit Asia- Grillgemüse in einem Sauerteigbrot, dazu Salat und eine Erdnuss-Creme (8,30 €). Andere Tagesgerichte könnten etwa Gemüse- Lasagne sein oder ein Knödelteller mit Sauce. Eine reichhaltige Frühstückskarte – bis 11:30 Uhr – enthält unter anderem Greek Eggs mit Labneh, Shakshuka mit Feta-Käse oder Pink Baked Beans. Die Portionen sind durchwegs großzügig bemessen, laden auch zum Teilen ein.
Das Goldstück wird soeben ein Jahr alt und hat sich gut etabliert, zwischen dem Justizzentrum, dem Turm von Wien Mitte und mehreren Hotels. Eröffnet wurde das vegetarisch/vegane Restaurant von den beiden Frauen Christina Honegger und Alexandra Hilweg. Sie hatten einander in der Gastronomie als Angestellte kennengelernt und wälzten jeweils schon eigene Ideen zur Selbstständigkeit.
Es traf sich gut, dass Honeggers Vater Franz, der in Wien zwei Hotels besitzt, auch über eine Immobilie an der Marxergasse verfügte. Das Jahrhundertwende-Kaffeehaus existierte schon längst nicht mehr, hier residierte ein Institut für Physiotherapie. Die beiden Frauen begannen vorsichtig mit einem Pop-up, und als dieses gut ankam, wagten sie die professionelle Vergrößerung. Offensichtlich mit Erfolg.