Zurück am Glücksort des Vaters

Emily Schlosberg besuchte diesen April auf Einladung des Jewish Welcome Service Wien. Ihr Wunsch war, dabei auch die ZPC-Schule zu sehen, von der ihr Vater immer geschwärmt hatte. Über eine nostalgische Begegnung.

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Emily Schlosberg besuchte noch mit ihren Eltern deren Geburtsstadt Wien. Doch ein „Zuhause“ wurde sie trotz aller schöner Erinnerungen und Begegnungen nie. Foto: Daniel Brandel

Emily Schlosberg, 1950 in New York geboren, war schon mehrmals zu Besuch in der Heimatstadt ihrer Eltern, als Kind auch mit diesen gemeinsam. Die Sprache, die Speisen: Viel erinnerte sie hier an ihr eigenes Aufwachsen. „In gewisser Weise fühle ich mich sehr zu Hause hier, weil alle wie meine Eltern reden. Ja, es fühlt sich wie zu Hause an. Aber es ist nicht mein Zuhause, das ist es nicht. Es ist also ein seltsames Gefühl.“

Emotionen sollte Schlosberg in dieser Woche viele erleben. Da war der Empfang bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Von dessen Rede zeigte sie sich begeistert. „Er war fabelhaft, er hat den perfekten Ton getroffen.“ Von ihrem Vater habe sie immer und immer wieder die Geschichte gehört, wie er als Teenager 1938 in Wien erlebt hatte, wie die Menschen Adolf Hitler hier begrüßten. „Er hat immer gesagt: Österreich war kein Opfer.“ Das nun auch so klar aus dem Mund des Bundespräsidenten zu hören, war für sie ganz offensichtlich eine Wohltat.

Da war aber auch der Besuch der Namensmauer. Hier fand sie den Namen von Leo Perlmutter. Auch von ihm hatte sie wiederholt von ihrem Vater, Marcel Monies (1921–2012), gehört. Der Empfang der Österreicher für Hitler hatte ihn bestärkt, so rasch wie möglich das Land zu verlassen. Eigentlich zog es ihn als glühenden Zionisten nach Palästina. Doch über Verwandte, die bereits in den USA lebten, erhielt er ein Affidavit für die Staaten. Als er sich seine Nummer für die Ausreise holen gegangen sei, habe er auch „Onkel Leo“ aufgefordert mitzukommen. Doch dieser habe gesagt: „Nein, es wird nichts passieren.“

Dessen drei Kinder haben überlebt, sie waren teils schon vor 1938 ausgewandert. Der Onkel und dessen Frau aber wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Als sie nun vor der Namensmauer stand, habe sie ihre Cousine in Israel – die Enkelin von Leo Perlmutter – mit einem Videocall angerufen. „Und ich habe zu ihr gesagt: Hier sind die Namen deiner Großeltern.“

Bewegt zeigte sich Schlosberg aber auch beim Besuch der ZPC-Schule, die sie unbedingt sehen wollte. Ihr Vater hatte diese in den 1930er-Jahren besucht und stets von ihr geschwärmt. In einer Erinnerung, die er ihr vor einigen Jahren diktierte und die die Tochter nun nach Wien mitgebracht hat, erzählte er zum Beispiel vom damaligen Direktor Viktor Kellner. Sie las den kurzen Text auch der heurigen Maturaklasse der ZPC-Schule vor, mit denen sie sich zuvor ausgetauscht hatte.

„Ja, es gab Antisemitismus, aber es ging ihnen gut.“
Sie hätten zu den Glücklichen gehört,
die rechtzeitig entkommen konnten.

Ambivalente Gefühle. Die ZPC-Schule sei „eine sehr angesehene, säkulare jüdische Schule auf hohem intellektuellen Niveau und mit einer linkszionistischen Ausrichtung“ gewesen, hielt Marcel Monies fest. Hier, aber auch durch sein eigenes Elternhaus, sei ihr Vater zum überzeugten Zionisten geworden, erzählt die Tochter. Diesen Zionismus hat er auch ihr mitgegeben. Sie ist mit einem Israeli verheiratet und lebte und arbeitete – sie war Krankenschwester – auch zwei Jahre in Israel. Aus persönlichen Gründen sei sie mit ihrem Mann wieder in die USA zurückgekehrt, wo auch ihr Sohn aufwuchs.

Von den Schülern gefragt, wohin sie gehen würde, wenn sie sich in den USA auf Grund von Antisemitismus nicht mehr sicher fühlen würde, meinte sie: „Ich würde nach Israel gehen.“ Sie lebe aber in Queens in New York, da fühle sie sich sicher. „In Manhattan würde ich aber nicht herumgehen. Aber das ist nur mein Gefühl.“ Außerdem: „Amerika heute ist sicher sicherer, als es Österreich im Jahr 1938 war.“

Ihre Eltern – Mutter Camilla Monies, geborene Landmann (1922–2003), hatte im dritten Bezirk gelebt, der Vater in Ottakring – hatten viele positive Erinnerungen an ihre Geburtsstadt. Sie hätten aber auch beide hier bis 1938 ein schönes Leben gehabt. „Ja, es gab Antisemitismus, aber es ging ihnen gut.“ Sie hätten zu den Glücklichen gehört, die rechtzeitig entkommen konnten, „aber natürlich bin ich mir dessen bewusst, was in dieser Stadt passiert ist.“ Ambivalenz war auch eine der Emotionen, die Schlosberg in dieser Woche begegnete.

In der ZPC-Schule war sie jedenfalls beeindruckt davon, wie präsent auch Iwrit ist – von den von Schülern gestalteten Plakaten zu verschiedensten Themen in den Gängen der Schule bis zu den großen hebräischen Lettern an der Wand im zentralen Stiegenhaus. Und auch wenn ihr klar war, dass die Schule, die ihr Vater besuchte hatte, damals in einem anderen Gebäude an einem anderen Ort gewesen war, meinte sie doch, sie spüre auch am neuen Campus den Spirit, von dem ihr Vater immer erzählt habe.

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