Zwischen Genuss und Verzicht

Die dritte Staffel von The Marvelous Mrs. Maisel ist inhaliert, und für Ende Februar kündigt sich bereits das nächste Serienhighlight an: Hunters mit Al Pacino. Doch die Umwelt schreit auf.

2491
Zeichnung: Karin Fasching

Das Internet und die zunehmende Digitalisierung haben die Welt näher zusammengebracht. Das bringt auch für Juden und Jüdinnen in der Diaspora große Vorteile. Einerseits sind Flüge nach Israel über die Jahre immer günstiger geworden, vor allem lassen sie sich nun übers Netz auch sehr kurzfristig leicht von zu Hause buchen. Andererseits wurden Laptop und Smartphone auch zum globalen Shoppingcenter. Mit wenigen Klicks kann ich Kerzen für die Chanukkia oder Partydekoration für eine Bar-Mizwa-Feier aus den USA, England oder Israel bestellen und nach Österreich versenden lassen.
Vor allem aber bringen Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime jüdisches Lebensgefühl in das eigene Wohnzimmer. Einerseits bekommt man nun auch leicht Zugriff auf israelische Serien wie Shtisel, Fauda, When heroes fly oder Srugim. Andererseits produzieren diese Streamingdienste nicht nur Mainstreamware, sondern auch viele Nischenprodukte. Hier sei The Marvelous Mrs. Maisel genannt, deren dritte Staffel mir rund um Chanukka wunderbare Fernsehstunden beschert hat.

Umso mehr die Welt durch gemeinsamen Konsum zusammenrückt, desto schneller schreitet auch die Zerstörung des Planeten voran.

Interessanterweise wurde gerade diese Serie über eine jüdische Stand-up-Comedian in den 1950er-Jahren weit über jüdische Communitys hinaus zu einem Serienerfolg. Man könnte auch sagen: Die Nische goes Mainstream. Eine Serie, die schon im Vorfeld alleine auf Grund der Besetzung verspricht, ein Quotenerfolg zu werden, ist Hunters. Zu sehen ist die Geschichte von Holocaust-Überlebenden, die in den USA Nazis jagen, ab 21. Februar auf Amazon Prime. Al Pacino wird dabei einen der Jäger spielen.
Ich weiß also schon, was ich mir Ende Februar ansehen werde. Gleichzeitig plagt mich dann doch ein Stück weit das schlechte Gewissen. Denn umso mehr die Welt durch gemeinsamen Konsum zusammenrückt, desto schneller schreitet auch die Zerstörung des Planeten voran.
Jedes Paket, das um die halbe Welt reist, sorgt für zu vermeidenden CO2-Ausstoß. Jedes Streamen ebenso. Gerade der Onlinekonsum von Serien ist äußerst umweltschädlich. Eine halbe Stunde Streaming produziert laut Berechnungen des französischen Think Tanks The Shift Project Emissionen, die 1,6 Kilogramm Kohlendioxid entsprechen. Das Streamen war 2018 für den Ausstoß von Treibhausgasen in der Höhe jener verantwortlich, die in dem Jahr in ganz Spanien produziert wurden. Doch diese Menge werde sich in den kommenden Jahren noch verdoppeln, schätzt The Shift Project. Heute entstehen bereits 34 Prozent des globalen Datenverkehrs durch das Streamen.
Wie werden wir die Umwelt retten und den Klimawandel verlangsamen? Da gibt es individuelle Ansätze (etwa durch persönliche Einschränkungen), aber auch den Ruf nach staatlichen Regulierungen (Verboten). Persönlich meine ich: Es wird wohl eine Kombination aus beidem nötig sein. Da das Thema allerdings zu ernst ist, um einfach abzuwarten – nicht zuletzt aus Verantwortung für das eigene Kind, die eigenen Kinder, versuche ich doch jetzt schon, auch den Schutz der Umwelt in mein eigenes Konsumverhalten miteinzubeziehen.
Interessanterweise fällt es sehr leicht, auf den eigenen Pkw zu verzichten und vorrangig den öffentlichen Verkehr zu nutzen. Fleisch esse ich ohnehin seit Kindheitstagen nicht. Auf die Annehmlichkeiten des Netzes zu verzichten, ist da schon ungemein schwerer. Gerade das Ansehen einer gut gemachten Serie lässt einen für einige Stunden in eine andere Welt eintauchen, das entspannt und erfreut.
Ist hier nun Verzicht das Gebot der Stunde? Ich bin unentschlossen. Immerhin kann nicht jeder alles richtig machen. Darüber reflektieren sollte man aber allemal. Und dann vielleicht entscheiden, was ist mir wirklich wichtig anzusehen, und worauf kann ich doch verzichten. Denn auch solche Serien zu streamen, die ohnehin permanent auf diversen TV-Kanälen laufen, fällt dann doch unter vermeidbar.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here