Wien wird nicht die letzte Station im Leben von David Braunstein sein. Für ein paar Jahre will der gebürtige Deutsche aber sicher noch bleiben – zumindest bis er sein Philosophie-Doktorat in der Tasche hat. Von Alexia Weiss
In meiner Familie wird viel gereist“, sagt David Braunstein, oder Dave, wie er von Freunden genannt wird. Sein Vater kommt aus Manhattan, in Deutschland lernte er Braunsteins Mutter kennen – und blieb. Seine Schwester arbeitet heute in Dublin. Die Familie – Braunstein kam 1988 zur Welt – lebte zunächst in der Nähe Stuttgarts und zog dann nach Büßlingen, einen kleinen Ort an der Grenze zur Schweiz. So wuchs er zeit seines Lebens als einziger jüdischer Bub in seinem Umfeld auf – beziehungsweise wurde als solcher erzogen. Gerne erinnert er sich an die jüdischen Feriencamps in Deutschland, der Schweiz, England, Holland – im Sommer und im Winter. Sonntags ging er zum Religionsunterricht. Da seine Mutter keine Jüdin ist, musste Braunstein allerdings zum Judentum übertreten: Das Rabbinatsgericht tagte kurz vor seiner Bar Mitzwa. Es war ein liberaler Übertritt. In Wien ist er seit einigen Jahren Mitglied der Reformgemeinde Or Chadasch.
Am Land als Jude groß zu werden, war von einem Gefühl des Andersseins geprägt, erzählt Braunstein heute. Was nicht immer etwas Negatives bedeuten müsse. „Ich habe immer den Eindruck gehabt, dass es auch eine Verbindung schafft, denn die andere Person interessiert sich dann dafür, was Jude sein bedeutet. Aber es bringt eben auch Distanz mit sich – weil man mit Unbekanntem konfrontiert ist.“ Im Geschichtsunterricht sei er immer, wenn es um die NS-Zeit gegangen sei, gefragt worden, ob er auch noch etwas dazu sagen wolle. „Das ist einerseits sehr zuvorkommend. Andererseits fühlt man sich dadurch immer anders. Man könnte auch sagen: Wie man es macht, ist es falsch.“
Nach dem Abitur zog es Braunstein nach Israel, wo er zuvor noch nicht gewesen war. In der Nähe von Netanja absolvierte er ein Freiwilliges Soziales Jahr – und lernte dort nicht nur modernes Hebräisch (zuvor kannte er nur Gebetshebräisch), sondern viel über die israelische Gesellschaft. Im staatlich geführten Internat, in dem man sich bemüht, schwer erziehbare, sozial schwache Schüler aus ganz Israel bis zu einem Bildungsabschluss zu begleiten, war er für eine Gruppe von 15 Jugendlichen verantwortlich. Konfrontiert war er mit zwei rivalisierenden Gruppen: Jugendliche äthio-pischen Ursprungs litten unter der Diskriminierung durch Gleichaltrige mit Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion.