Breitenwirkung mit anspruchsvoller Unterhaltung

Danny Krausz, einer der erfolgreichsten Filmproduzenten des Landes, gewährt Einblick in seine ungarisch-jüdische Familiengeschichte und die internationale Filmwelt.

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Foto: Reinhard Engel

Interview mit Danny Krausz

WINA: Mit der 1988 gegründeten DOR FILM zählen Sie zu den erfolgreichsten österreichischen Produzenten zahlreicher Spiel- und TV-Filme sowie historischer Dokumentationen. Zuletzt waren Sie maßgeblich an der Realisierung des Vertrages über die Koproduktion von Filmen zwischen Österreich und Israel beteiligt, der seit Anfang 2016 in Kraft ist. Die satirische Komödie Baumschlager, derzeit im Kino, ist das erste Spielfilmprodukt dieser neuen Zusammenarbeit. Welche Vorteile bringt dieses Abkommen?
Danny Krausz: Unsere DOR FILM hat Tochtergesellschaften in München und Köln, und daher wusste ich auch von dem Abkommen zwischen Israel und Deutschland. Ich dachte mir, als Österreicher haben wir mit Israel mindestens so viel Historisches gemeinsam wie die Deutschen, und das rechtfertigt ein eigenes zwischenstaatliches Abkommen auf dem Gebiet der Filmherstellung.

Sie waren an den Verhandlungen beteiligt?
❙ Ja, die Diskussionen und Verhandlungen mit dem zuständigen Wirtschaftsministerium und den israelischen Behörden zogen sich über ein paar Jahre, aber wir haben es letztendlich nach einem guten Kaffee im Landtmann, wie sich das gehört, auf den Weg gebracht. Als Obmann des Fachverbandes der Film- und Musikwirtschaft in der WKO konnte ich mehrfach bei der Feinabstimmung zwischen Israelis und Österreichern behilflich sein. Der große Vorteil des Abkommens ist, dass Koproduktionen den inländischen Filmen gleichgestellt sind und so die äquivalenten Förderungen erhalten, die im jeweiligen Vertragsstaat zur Verfügung stehen. So ist Baumschlager sowohl ein österreichischer als auch israelischer Film. Der Großteil der Finanzierung kommt zwar aus Österreich, aber es gibt ein Ursprungszeugnis beider Länder, das nützt uns bei der internationalen Vermarktung und hat bereits bei den Dreharbeiten in Israel geholfen.

Führt Sie der Beruf oft nach Israel?
❙ Erstens habe ich Verwandte in verschiedenen Kibbuzim, und zweitens führen mich interessante Stoffe immer wieder da hin. Ich habe schon als Assistent bei Peter Stephan Jungk in den frühen Achtzigerjahren u. a. die TV-Dokumentation Der Meister der Nacht für den ORF/ZDF gemacht, in der es um den Schriftsteller Leo Perutz, der einige Jahre in Israel gelebt hat, geht. 2013 stellten wir den vierstündigen Dokumentarfilm Der letzte der Ungerechten her, in dem Claude Lanzmann den Wiener Rabbiner Benjamin Murmelstein* zu seinen umstrittenen Aktivitäten als Funktionär der jüdischen Gemeinde in Wien und Judenältester im KZ Theresienstadt befragt.
Das war eine sehr aufwühlende Arbeit, weil die Persönlichkeit Murmelsteins so viele dramatische Facetten beinhaltet. Lanzmann vertrat die Haltung, dieser Mann habe sich dafür entschieden, sich schuldig zu machen, um Menschenleben zu retten. Wir hätten kein Recht, darüber zu urteilen, weil wir nicht in seiner Situation waren – und hoffentlich nie in eine solche geraten.

„Man setzt sich ein kreatives Ziel, und wenn die ökonomische Komponente im Gleichgewicht ist, passt es!“

Es war Ihnen auch ein Anliegen, dieses Thema in seiner Vielschichtigkeit an österreichische Schulen zu bringen.
❙ Der Filmladen-Verleih hat daraus Portionen in Schulstundenlänge gemacht. Es ist Teil des Bildungsprogramms und damit Zeitgeschichte pur. Die Lehrer können anhand dieses Materials den politisch aktuellen und historischen Hintergrund mit den Schülerinnen und Schülern diskutieren. Wir müssen uns heute etwas anderes einfallen lassen, als nur Ausflüge nach Mauthausen zu unternehmen. Wir haben es bereits mit der vierten Generation nach der Schoah zu tun, da müssen wir konkrete Bezüge zu menschlichem Verhalten herstellen, damit nicht die gleichen Fehler wieder gemacht werden. Dass es möglich ist, Schmerz und Trauer mit Humor auszubalancieren, haben wir mit der Tragikomödie Die Blumen von gestern von Chris Kraus gezeigt. Beim renommierten Jewish Film Festival Moscow, einem der größten jüdischen Filmfestivals Europas, gewann dieser Streifen den Hauptpreis. Viel Anerkennung und einige Preise folgten noch in Tokio und bei deutschen Wettbewerben.


Wie wird man Produzent? Wie sind Sie es geworden?

❙ Die Antwort hängt stark mit unserer Familiengeschichte zusammen. Mein Vater wurde in Wien geboren und wäre mit seiner Affinität zur Musik sicher in diesem Fach gelandet. Doch es kam anders. Der Großvater Krausz stammte aus Ungarn, die Großmutter Möller aus Böhmen. Der Großvater hatte fünf Geschwister, davon gingen in den 1920er-Jahren einige als Pioniere nach Palästina. Meine anderen Verwandten sind in der ganzen Welt verstreut, eine wurde Opernsängerin an der Met in New York, andere Kürschner oder Mediziner in den USA, Kanada oder Australien.

Wo und wie überlebte Ihr Vater die NS-Zeit?
❙ Er war zwölf Jahre alt, als er Wien verlassen musste. Er kam zu einem Onkel in Israel, der ihn zum Elektriker ausbilden lassen wollte. Er wäre ein sehr schlechter Elektriker geworden, aber er wurde ein guter Kaufmann, das bewies er, nachdem er 1950 nach Wien zurückgekommen war. Hier hat er auch meine Mutter, eine Kärntnerin, kennengelernt. Zuerst wollte er in die Korkfabrik meiner Großmutter einsteigen. Sie hatte Auschwitz überlebt und von ihrem großen Unternehmen, das arisiert worden war, nach dem Krieg die leeren Fabrikhallen zurückbekommen. Der Plan ging aber nicht auf, meine Eltern wechselten in die Holzindustrie und bauten in der Folge die Firma 1000 x Tische auf.

Und Sie sollten nicht in den Familienbetrieb?
❙Oh doch: Da mein älterer Bruder als Bassist und später Komponist im Musikfach aufging, musste ich ins Möbelgeschäft. Eine Zeit lang ging das gut, aber ich merkte, dass das auf Dauer nicht meins war. Ich habe dann zum Glück den kanadischen Fotografen und Filmemacher John Cook kennengelernt, seine Arbeiten haben mich fasziniert, und so entstand mein Kontakt zur Film-Community. Ich bin ein gutes Beispiel für learning by doing: Das kaufmännische Grundwissen und vielleicht auch etwas Talent bekam ich von meinen Eltern mit. Als Kontrastprogramm zu den „Wahnsinnigen“ beim Film habe ich noch weiterhin alte Pendeluhrholzkästen restauriert. Da hatte ich ein stummes Möbelstück vor mir, das voll und ganz meiner handwerklichen Fertigkeit ausgeliefert war, mir auch nicht widersprechen konnte, nichts, nur Stille. Auch meine Eltern wurden am Ende glücklich, als mein jüngerer Bruder deren Geschäft übernahm.

Der Film gewann mit der Zeit die Oberhand?
❙ Ja, ich habe dann im Ausland als Freelancer bei zahlreichen Filmproduktion mitgearbeitet. 1983 lernte ich Milan Dor kennen, wir haben damals beide als Freiberufler gearbeitet, 1988 haben wir dann beschlossen, gemeinsam die DOR FILM zu gründen. Milans Vater, der großartige Mensch und Schriftsteller Milo Dor, wurde zu unserem starken geistigen Mentor.

Was war Ihre Zielsetzung?
❙ Unser Ziel war auch unser Motto: art and money. Beim Film funktioniert das gut. Man setzt sich ein kreatives Ziel, und wenn die ökonomische Komponente im Gleichgewicht ist, passt es! Wir orientieren uns ausschließlich am Inhaltlichen und entwickeln das dann mit den Regisseuren gemeinsam. Wir haben sehr viele Angebote abgelehnt, wo wir vielleicht viel hätten verdienen können, aber dieser Aspekt allein hat uns nicht locken können. Wir wollten und wollen weiterhin anspruchsvolle bis kritische Unterhaltung machen, weil uns gesellschaftspolitische Themen wichtig sind, die auch mit unserer gesellschaftlichen Mitverantwortung einhergehen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Stefan-Zweig-Film Vor der Morgenröte, für den wir 2017 den CIVIS-Medienpreis für Integration und kulturelle Vielfalt
erhalten haben.

Sie produzierten sechs der zehn in den österreichischen Kinos erfolgreichsten Spielfilme. Da findet man sowohl historisch lehrreiche und wichtige Dokumentationen wie Im toten Winkel über Hitlers Sekretärin als auch deftige Komödien wie Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott. Zusätzlich machten Sie auch TV-Serien wie Julia mit Christiane Hörbiger oder Der Winzerkönig mit Harald Krassnitzer. Also doch auch leichte Kost?
❙ Natürlich wollen wir die Menschen erreichen und nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit bleiben. Aber wir überlegen uns sehr wohl Themen, die eine entsprechende Nachhaltigkeit und Relevanz haben. Unterschätzen Sie nicht, wie gut man über das Medium Film auch subkutan eine wichtige Botschaft in die Breite transportieren kann. In Israel haben wir erst jüngst bei den Baumschlager-Dreharbeiten erlebt, wie die Herzen der Menschen aufgegangen sind, als sie erkannten, wie wir uns bemühten, die politisch angespannte Sicherheitslage durch Humor aufzulockern.

Sie haben viele Jahre die internationale Produzentenfortbildung im Rahmen des Media-Programms der Europäischen Union mitbestimmt. Wie und worin unterrichtet man Produzenten?
❙ Das fragen mich meine sieben Kinder auch sehr oft. Ja, meine Frau Or-trun und ich haben Mädchen und Buben im Alter von neun bis 27 Jahren. Wir haben unverhandelt beschlossen, das Patchworkmodell auszulassen!
Aber nun zur Fortbildung: Junge Produzentinnen und Produzenten haben auf internationaler Ebene die Möglichkeit, ihre eigenen Projekte zu entwickeln und am Ende auch Richtung Umsetzung zu treiben. Alte Hasen, zu denen ich auch irgendwie gehöre, sind da Wegbegleiter und Berater. Unterrichten aber kann man dabei nur aktuelle Standards, mehr nicht. Alles darüber hinaus muss die betreffende Produzentin oder der Produzent selbst leisten.

Verraten Sie uns Ihr nächstes Filmprojekt?
❙ Im September fangen wir mit der Verfilmung von André Hellers autobiografischem Abriss seiner Kindheit Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein an. Rupert Henning, der mit Uli Brée auch das Drehbuch geschrieben hat, führt Regie. Hier wird die Familiengeschichte aus der poetischen Sichtweise eines Zwölfjährigen erzählt, der eine außergewöhnliche Begabung zum Gestalten seiner eigenen Wirklichkeit hat. Da mein Bruder in der Band von André Heller spielte, kannte ich ihn aus seinen Erzählungen schon sehr früh. Viele Jahre später waren wir dann gemeinsam auf Tour, als wir den Dokumentarfilm Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin in den USA präsentierten. So eine persönliche, emotionale Geschichte zu erzählen wie unser jetziges Vorhaben, braucht Zeit und viel Geduld, da wird ausführlich darüber diskutiert, was man erzählen will, dann geschrieben und solange bearbeitet, bis man sich halbwegs sicher damit fühlt. Heller hat das Drehbuch natürlich gelesen, denn es geht um bestmögliche Authentizität: Es soll heute nichts missverstanden werden, was man von damals erzählen möchte, dafür braucht es die entsprechende Sensibilität und auch Leichtigkeit.

* Ab August 1938 musste Murmelstein mit der von Adolf Eichmann und Alois Brunner geschaffenen Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien kooperieren, die einzig dem Ziel diente, die Emigration von Wiener Juden zu forcieren.


Danny Krausz,
geboren 1958 in Wien, war von 1981 bis 1987 freiberuflich im Bereich Filmherstellung tätig und arbeitete u. a. mit Regisseuren wie Axel Corti, Milan Dor und Doris Dörrie. Mit Dor gründete er 1988 die Produktionsfirma DOR FILM, die einige der erfolgreichsten österreichischen Kinofilme schuf. Krausz zeichnet für zahlreiche preisgekrönte Literaturverfilmungen und internationale Koproduktionen verantwortlich sowie für eine Reihe von erfolgreichen Fernsehfilmen. 1998 gründete er die DOR FILM West GmbH in München und 2009 die DOR FILM Köln.
Seit 2001 ist Krausz Präsidiumsmitglied des Fachverbandes der Audiovisions- und Filmindustrie; seit 2005 ist er Obmann des Fachverbandes Film und Musik in der WKO. 2009 rief er gemeinsam mit anderen österreichischen Filmschaffenden die Akademie des österreichischen Films ins Leben. Danny Krausz ist Universitätsprofessor an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

© Reinhard Engel

 

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