Die Chuppa im Land der Väter

Immer mehr Europäer und Amerikaner fahren zum Heiraten nach Israel. Dort steht eine hoch spezialisierte Branche bereit, um den großen Tag zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen.

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Ein Hauch von Great Gatsby schwebt über der Szenerie. Auf einem weitläufigen, perfekt manikürten Rasen flanieren die elegant gekleideten Gäste, Champagner-Gläser in der Hand, plaudern, begrüßen einander oder gustieren die feinen Häppchen, die von fliegenden Kellnern angeboten werden. Gleich hinter der Bar und den verstreut aufgestellten weißen Sitzgarnituren liegt der Strand, der Wellenschlag ist unüberhörbar.

Alles ist perfekt inszeniert und auch zeitlich abgestimmt

Die Hochzeitszeremonie dürfte dem Brautpaar wie seinen Freunden und Verwandten unvergesslich bleiben. Dabei werden es nicht bloß die uralten Rituale sein, die Gebete und Segenssprüche, die symbolische Verabschiedung von den Eltern, das Zertreten des Glases. Denn alles ist perfekt inszeniert und auch zeitlich abgestimmt. Die Sitzreihen vor der Chuppa sind nach Westen ausgerichtet, und genau dort senkt sich die Sonne als roter Feuerball ins Mittelmeer.

Später wird dann in einer mächtigen Halle mit Holzdecke fröhlich gefeiert, gegessen, getrunken und getanzt. Und auch hier ist bei aller ausgelassener Freude die genaue Planung, das exakt getaktete Zusammenspielen mehrer professioneller Unternehmen zu erkennen. Schon wenn sich die Gäste setzen, tun sie das an Tischen, die in ihren Arrangements kleinen Kunstwerken gleichen – Designerteller, Blumen, eingestellte bunte Vorspeisen. Dann kommt Bewegung in den weitläufigen Raum, wenn die einzelnen Grillstationen für die Hauptspeisen angesteuert werden. Und am Ende des Diners werden dann an diesen Buffets noch verführerische Desserts offeriert.

Ein genauer Beobachter wird kleine Differenzen bei der Kleidung der Gäste bemerkt haben. Nicht bei den Damen, hier ist die Mode längst international – bei den Männern gibt es solche mit und solche ohne Krawatte: Europäer und Israelis. Denn die Hochzeit findet in Caesarea statt, in einem eigens dafür errichteten „Venue“, einer Art großem Restaurant ohne die Möglichkeit für Individualgäste, hier einen Tisch für ein Abendessen zu reservieren. Kochav Hayam heißt der Ort, an dem die Österreicherin und der Schweizer heiraten, und er gehört wie zahlreiche ähnliche Einrichtungen einem Kibbuz, der sich von der Landwirtschaft über die Industrie zur Dienstleistung weiterentwickelt hat.

„Wir Juden heiraten gerne und wir lieben große Hochzeiten“, erzählt Naomi Tabor, eine professionelle Wedding Plannerin. „Das ist insgesamt ein großer Markt, und Israel ist besonders für elegante, aufwändigere Hochzeiten eine gute Destination.“ Tabor organisiert sowohl Hochzeiten für Israelis als auch für internationale Kunden: „Österreicher habe ich noch keine gehabt, aber Deutsche, Schweizer, Amerikaner, Franzosen, Niederländer oder Kanadier.“ Während die Israelis ihre Feste, auch wenn sie üppig ausfallen, oft selbst gestalten, mit Hilfe von Familie und Bekannten, nutzt ein Großteil der ausländischen Interessenten professionelle Planung und Organisation.

Internationales Interesse

Karen Tsafrir hat sich als Hochzeitsplanerin mit ihrer Firma Live Productions ganz auf den internationalen Markt spezialisiert und kann – anders als ihre Mitbewerberin Tabor – auch schon auf österreichische Kunden verweisen. Sie schätzt, dass bis zu zehn Prozent aller Hochzeitsfeiern in Israel von Ausländern gebucht werden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Erst einmal spirituelle oder politische Verbundenheit mit Israel; dann die Verlagerung an einen „neutralen Ort“, wenn die Brautleute aus unterschiedlichen Ländern oder Kongregationen kommen; weiters die Möglichkeit, den Kreis der Einzuladenden etwas zu reduzieren: Nicht jeder reist für einen entfernten Bekannten oder eine Bürokollegin einige Tausend Kilometer mit dem Flugzeug an; und schließlich gibt es in Israel gerade dafür eine hoch spezialisierte und auf die unterschiedlichsten Ansprüche flexibel reagierende Branche, die ihrerseits in zahlreiche Subbranchen zerfällt. Die Liste ist lang: von den Hochzeitshallen bis zu den Planungsagenturen, von Caterern bis zu Dekorateuren, von Floristen bis zu Billet-Druckern, von Sängern und Bands bis zu DJs, von Hochzeitsfotografen und Videofilmern über Friseure, Bus- und Taxiunternehmern bis zu den Hoteliers, in deren Häusern die ausländischen Gäste wohnen.

Professionelle Hochzeitsorganisation ist in Israel ein hoch industrialisiertes und vielverzweigtes Business. Auch wenn das private Fest noch so schön und persönlich aussieht am Ende.

Natürlich geht es dabei auch um die Kosten. „Obwohl Israel touristisch gesehen kein Low-Budget-Tourismusland mehr ist, sind Serviceleistungen hier immer noch billiger als in Europa“, analysiert Awi Blumenfeld, der in Tel Aviv im Investmentbanking und in der Finanzberatung tätig ist. „Wenn es um koscheres Essen geht, ist Israel sogar günstiger als die USA. Das gilt auch für das Catering und die Miete der Hochzeitsorte.“

Allein von Letzteren gibt es laut Wedding Plannerin Tsafrir in Israel Hunderte. Es beginnt ganz simpel bei den Hotels, dann kommen die speziell dafür gebauten „Venues“, oft auf den weitläufigen Flächen einzelner Kibbuzim errichtet, aber mittlerweile schon teuer und geschmackvoll gestaltet, selbst im Landesinneren mit künstlichen Teichen und subtropisch bepflanzten Gärten. Aber auch wer mehr Wert auf Geschichte legt, kann spektakuläre Orte buchen, ob in den historischen Innenstädten von Jerusalem, Jaffa oder Haifa, ob in unterirdischen Höhlen, deren Wände dann mit Lichtinstallationen zum Leben erweckt werden, oder in fragilen, kurzzeitigen Zeltbauten im Wüstensand.

Dabei variiert auch die Größe beträchtlich. In den professionellen Hochzeitshallen gilt meist ein Minimum von 300 Gedecken. „Und wenn nur 250 Gäste kommen, muss man dennoch 300 zahlen“, erinnert sich ein Wiener, der einmal eine Hochzeit in Israel ausgerichtet hat. Demgegenüber sind manche der steinumfassten Innenhöfe oder Säle in den Altstädten nur für Gesellschaften bis 150 oder 200 Personen geeignet. Und dann gibt es noch ganz spezielle Mini-Events. „Ich war einmal bei einer Hochzeit eines Amerikaners und einer Kanadierin in einer alten, kleinen Synagoge in Neve Tsedek“, erzählt eine Eingeladene. „Das waren insgesamt vielleicht 40 Menschen, die Verwandten haben selbst die Chuppa gehalten, es war zauberhaft.“

Wie teuer ist so ein Fest? Das lässt sich so einfach nicht sagen, denn die Kosten hängen vor allem von den Sonderwünschen der Kunden ab. Und dabei gibt es zahllose Möglichkeiten. Es beginnt einmal mit der Saison: Wie bei den Flugpreisen (die übrigens für die Gäste auch eine Rolle spielen) variieren die Kosten der Mieten und Caterer je nach Jahreszeit. Im Sommer, wenn es den meisten Israelis und auch Ausländern eigentlich zu heiß ist, geben es die Veranstalter billiger, im Frühjahr und Herbst gehen die Preise nach oben. Ähnliches gilt für die Wochentage: Am teuersten sind das – israelische – Wochenende und der Dienstag, der als besonders glückbringender Tag gilt. Der Wochenbeginn ist wiederum weniger gefragt.

Die Hochzeit als Bühne

Wie Finanzmann Blumenfeld in seinem Vergleich angesprochen hat, liegen die Preise in Israel noch niedriger als in Europa: Ein köstliches und kreatives Menü inklusive Wein und Softdrinks kann etwa 60 Dollar pro Gedeck ausmachen, Ähnliches dürfte in Europa für 46 Euro kaum zu bekommen sein. Darin ist schon die Saalmiete enthalten. „Aber dann braucht man noch einen Dekorateur“, erklärt eine Brautmutter, die damit Erfahrung gesammelt hat. „Denn die Venues sind beinahe kahl, man muss also von der Tischdecke bis zum Blumenschmuck noch alles zusätzlich mieten.“

Derartige Dekorateure gibt es in Israel zahlreiche, und die besten verfügen über Lager von der Dimension eines Wiener Theaterdepots – randvoll mit Stoffen und Tellern, mit Gläsern und Deko-Accessoires. Auch hier tun sich gewaltige Preisscheren auf. Hochzeitsplanerin Tsafrir gibt ein Beispiel: „Ich hatte einen Klienten, da machte allein der Blumenschmuck 36.000 Euro aus, andere haben in genau derselben Hochzeitshalle dafür 3.000 Euro investiert.“

„Es ist auf jeden Fall wichtig, dass man sich vorher ein Budget überlegt und das auch den einzelnen Lieferanten klar macht“, so die Wiener Brautmutter weiter. „Es gibt schicke Anbieter mit enormen Preisen, und dann wieder andere, die für eine vergleichbare Leistung viel günstiger sind.“ Das gilt auch für die Musik: Live-Band oder DJ oder beides hintereinander? Und für die Fotografie. In Israel arbeiten exzellente Hochzeitsfotografen, die teilweise auch in Europa Aufträge annehmen, entsprechend hoch sind ihre Honorarsätze, das können schon 1.500 bis zu 2.500 Dollar für den Abend sein; die Preise für Videofilme spielen sich in ähnlichen Kategorien ab.

Von der oft kahlen Grundausstattung der Venues zum überbordenden, hochmedialen Hochzeitssetting. Heiraten als kostbarer und kostspieliger Event für Auge, Herz und Magen.

Bleibt die Frage, ob man einen Wedding Planner buchen sollte?

Als Ausländer wohl eher ja. Denn das Internet ist zwar mit seinen Angeboten verlockend, doch ob über einem Veranstaltungsort die Einflugschneise eines Flughafens liegt oder aus den benachbarten Ställen des Kibbuz unliebsame Duftwolken drohen, das lässt sich am Computerschirm nicht erkennen. Auch verfügen die PlanerInnen meist über reichhaltige Erfahrung, worauf man bei welcher Location achten muss, welche Kaschrut-Stufe den Brautleuten entspricht, wo die Küche verlässlich gut ist, welche Dekorateure was auf Lager haben. Wer Verwandte in Israel hat, oder wenn eines der Kinder gerade dort lebt, der kann riskieren, einen Teil der Buchungen selbst vorzunehmen. Er mag eventuell die Hochzeitsprofis dann nur für den Ablauf des Abends einsetzen, damit die Lieferanten kontrolliert werden und alles glatt über die Bühne geht. Denn die Aufregung bei der Familie ist ohnehin groß, und Patzer merkt man sich dann fast ebenso lange wie ein gelungenes Fest.

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