Silvia Friedrich (r.) im Gespräch mit Anita Pollak; Foto: Konrad Holzer

Silvia Friedrich:
„Wen das nicht
anspricht, der ist nicht ansprechbar“

Wie wird aus einer katholischen Bäckermeisterstochter aus Meidling eine hingebungsvolle Freundin der WIZO und Israels? Silvia Friedrich, Oberamtsrätin im Wiener Rathaus und Klubobfrau der ÖVP Döbling, ist in vieler Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Was sie zunächst einmal verneint. Aber schließlich muss sie doch zugeben, dass es nicht allzu viele gibt, die sich so leidenschaftlich engagieren wie sie.
Ihre politische und christliche Prägung verdankt sie dem Elternhaus. „Nach christlichen Prinzipien zu leben, ist schwer genug.“
Seit 1998 ist Silvia Friedrich in der Magistratsdirektion im Bereich Internationales tätig „und da ist mir die WIZO zugelaufen“, und zwar bei einem Ball im Rathaus in Gestalt der WIZO-Aktivistin Rita Dauber, „die mich nicht nur mit der WIZO, sondern insgesamt mit der jüdischen Welt in Berührung gebracht hat, von der ich bis damals überhaupt keine Ahnung hatte. Das hat mich absolut fasziniert.“
Bald danach folgte ihr erster Besuch in Rechovot bei den Kindern der WIZO- Tagesstätte und in „Jeruschalaim“, wie sie es nennt, worauf sie kurzerhand beschloss, ihrer ganze Familie samt Schwiegermutter, Tante und Kusine „dieses tolle Land zu zeigen“. Dass sie etwas Missionarisches hat, gibt sie gern zu. „Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, lass ich nicht locker und will auch andere dafür begeistern.“
An WIZO schätzt sie die „Überschaubarkeit und Unmittelbarkeit“. Im Gegensatz zu manchen anderen Organisationen wisse man durch persönliche Kontakte genau, wie die Mittel vor Ort eingesetzt würden. „Dieser Spirit in Rechovot hat mich gleich gepackt, und ich glaube, wen das nicht anspricht, der ist nicht ansprechbar.“

„Woman of Valor“. Für ihre Verdienste um WIZO ist sie im Vorjahr als „Woman of Valor“ geehrt worden, was sie beschämt habe, denn „das Schicksal hat mir Skills und ein Mundwerk gegeben, die es mir ermöglichen, Türen zu öffnen oder Hilfe zu bringen. Und weil es mir immer gut gegangen ist, möchte ich auch etwas zurückgeben.“

„Aber wenn es einem immer gut geht, ist es leicht, positiv zu denken.“ Silvia Friedrich

Ihr Engagement koste sie gar keine Kraft, „denn das energisiert sich immer wieder selber. Wenn man die Kinder in Rechovot sieht und etwas für sie tun kann, ist das so schön, das kann mir niemand bezahlen.“ Wie die Kleinen auf sie zugegangen sind und ihr ein Stück von der Challa angeboten haben, davon schwärmt sie noch jetzt mit feuchten Augen.
Als Israel-Besucherin ist sie eine Wiederholungstäterin, das Heilige Land spricht sie aber auch als „Kraftort“ an, und einmal möchte sie sich wirklich Zeit für einen längeren Aufenthalt in „Jeruschalaim“ nehmen, um das dort „zu spüren“.

Netzwerke. Der „unheimlichen Netzwerkerin“, als die sie sich selbst sieht, macht es Freude, „die richtigen Leute mit den richtigen Dingen zu verbinden“, und gerade das „jüdische Wien mit seinen vielen Facetten“ ist ihr diesbezüglich offenbar eine Herzensangelegenheit. So versucht sie in einem Projekt mit der israelischen Botschaft, auch einer bildungsferneren Jugend einen Zugang zu Israel zu ermöglichen, denn aus eigener Erfahrung weiß sie, dass Schüler mit der jüdischen Thematik kaum in Berührung kommen.
Als Wiener Gemeindepolitikerin hat sie aber speziell das moderne Tel Aviv im Auge und will die Beziehungen der beiden Städte in Projekten verbessern, obwohl es schon funktionierende Netzwerke gäbe. „Aber das sind noch ungelegte Eier.“
Wenn man Silvia Friedrich näher kennen lernt, weiß man, dass diese Eier sicherlich auch noch ausgebrütet werden, denn ihre positive Ausstrahlung arbeitet für sie.
„Aber wenn es einem immer gut geht, ist es leicht, positiv zu denken.“


Der Spirit von Rechovot lässt Sophie Karmasin nicht mehr so schnell los.

Sophie Karmasin:
„Hier geht es um
Chancengerechtigkeit“

Im Mai 2015 war die Familienministerin das erste Mal in Israel, und ihre damalige Begegnung mit dem 93-jährigen gebürtigen Wiener Gideon Eckhaus in der österreichischen Botschaft war auch die Initialzündung für ein Projekt, das sie rund eineinhalb Jahre später wiederum nach Israel führte.
„Herr Eckhaus hat uns seine Geschichte erzählt, und wir haben von unseren Projekten im Austausch mit israelischen Jugendlichen berichtet. Dann haben wir uns entschlossen, einen Gideon-Eckhaus-Preis zu stiften, und das hat letztlich zu einem Projekt mit österreichischen Jugendlichen aus verschiedenen kulturellen und religiösen
Hintergründen geführt, die einen Film gestaltet haben. Es ist ein 16-Minuten-Streifen geworden, der das ehemalige jüdische Leben in Wien beleuchtet mit Bezug zur Gegenwart, d. h. was man davon noch sieht, was man davon als Jugendlicher heute mitnehmen kann. Gideon Eckhaus hat das unterstützt, und diesen Film haben wir mit ihm, seiner Familie und mit den 15 Jugendlichen, die sich eine Woche in Israel aufhielten, im österreichischen Pensionistenverband vorgestellt.“
Bridges of Experience steht jetzt auf Youtube und verschiedenen Websites und soll auch ins Englische und Hebräische übersetzt werden, um einen größeren Radius zu erhalten. Die Filmpräsentation sowie die Preisverleihung an Gideon Eckhaus waren der unmittelbare Anlass der zweiten Israel-Reise, erklärt Sophie Karmasin.

Zwei Tagesstätten Zum Besuch in Rechovot tags darauf in Begleitung von Botschafter Dr. Martin Weiss hat sie Dr. Hava Bugajer, Präsidentin der WIZO Österreich, angeregt.
„Wir haben uns in Wien vor etwa zwei Jahren kennen gelernt, uns gleich gut verstanden und immer wieder ausgetauscht. Hava hat immer so begeistert von WIZO erzählt und uns eingeladen, das einmal selbst anzusehen. Die Größenordnungen und die Bedeutung, den wirklichen Beitrag, den WIZO für Israel und für Kinder leistet, die sonst wahrscheinlich wenig Chancen hätten, das erlebt man natürlich vor Ort ganz anders. “

„Den wirklichen Beitrag, den WIZO leistet, erlebt man natürlich vor Ort ganz anders.“ Sophie Karmasin

Nach dem WIZO Day Care Centre, in dem fast ausschließlich Kinder aus unterprivilegierten, jedenfalls sehr bildungsfernen Schichten größtenteils äthiopischer Herkunft betreut werden, ging es zum Weizmann-Institut in die Tagesstätte für Kinder einer Bildungselite, die am weltberühmten Forschungsinstitut tätig ist. Ein ziemlicher Kontrast also.
„Ich hätte mir den Unterschied aber größer vorgestellt, und das ist eigentlich positiv. Auch in der Tagesstätte der ärmeren Gegend hat man weder von den Räumlichkeiten noch von der Atmosphäre her gespürt, dass es sich um Kinder unterprivilegierter Familien handelt. Überhaupt nicht. Ich finde das sehr zukunftsorientiert und glaube, dass die Kinder da bestens auf eine angenehme und positive Art begleitet werden.“
Ob dieses Modell auf Österreich bzw. auf Flüchtlingskinder oder Kinder, die familiär wenig Zugang zu Bildung haben, übertragbar wäre?
„Natürlich kommt man hierher, um auch zu lernen und Dinge mitzunehmen und zu reflektieren. Aber man kann das nicht schon morgen in Österreich machen, weil wir im Kindergartenbereich anders aufgestellt sind. Er ist bei uns auch Länder- und Gemeindesache, aber wir sollten noch mehr als bisher umdenken, nämlich den Kindergarten nicht als Aufbewahrungsstätte sehen, sondern als frühpädagogische Einrichtung. Erst durch diesen Wandel der Betrachtungsweise sind ja solche Projekte überhaupt möglich, denn Chancengerechtigkeit und Frühbildung sind in reinen Aufbewahrungsstätten kein Thema. Hier geht es ja darum, Chancen, die Kinder nicht haben, auszugleichen und ihnen Möglichkeiten zu bieten, an die Gesamtgesellschaft Anschluss zu finden. Im Sprachlichen, Kognitiven, Sozialen und auch in den Kulturtechniken. Das bringt schon extrem viel. Da sind wir auch mit durchaus vergleichbaren Situationen in Österreich konfrontiert.“
Ein wesentlicher Erkenntnisgewinn sei die Bedeutung der Elementarpädagogik für die Förderung und Integration von Kindern, „und zwar nicht erst mit fünf, wie wir in Österreich denken: Hier fängt man bereits mit drei Monaten an, und dazwischen ist ein weites Feld. Man erkennt ganz klar, dass es für Kinder sehr wertvoll ist, sie möglichst früh zusätzlich zum Elternhaus zu begleiten und Förderungen anzubieten. Wir realisieren noch nicht genügend, dass mehrere Betreuungs- und Erziehungsformen für Kinder einen Benefit darstellen.“
Von der WIZO, deren Tätigkeit und Aufgaben sie in Rechovot persönlich kennen gelernt hat, zeigt sich die Familienministerin begeistert.
„Das ist einfach großartig. Es ist schon eine mächtige Organisation und nicht eine NGO, die vielleicht zwei Kindergärten hat. Das israelische Sozial- und Bildungssystem könnte wahrscheinlich nicht so funktionieren, wenn diese Organisation nicht einen deutlichen Puzzlestein beiträgt. Es ist interessant, dass der Staat eine Sozialorganisation als Ergänzung braucht und andererseits WIZO das offenbar so kompetent und verlässlich macht, dass es keine Überlegung gibt, das anders zu gestalten. Natürlich ist auch die internationale Partnerschaft mit anderen Ländern und Privaten einzigartig. Ich kenne in unserem Bereich keine Organisation, die so groß und international vernetzt ist.“

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