Die Baustelle „Hitler-Balkon“ ist doppelt offen: Da ist einerseits das Betretungsverbot seitens der Burghauptmannschaft, die für die Hofburg zuständig zeichnet. Argumentiert wird mit Baufälligkeit. Da ist andererseits die bis heute nicht erfolgte bauliche oder künstlerische Kontextualisierung. Das ermöglicht es auch weiterhin, diesen historischen Ort, an dem Adolf Hitler nach dem so genannten „Anschluss“ 1938 zu den zahlreich am Heldenplatz erschienenen Österreicher*innen (die wenige Monate später per Gesetz zu Deutschen wurden) sprach. Monika Sommer, Direktorin des Hauses der Geschichte Österreich, das in jenem Teil der Neuen Burg untergebracht ist, zu dem auch der Bauteil des Altan gehört, pocht hier seit Jahren auf eine adäquate Lösung. Sie tut dies nicht zuletzt, um Szenen wie jene aus dem Vorjahr, wo in einem über Social Media verbreiteten Clip der FPÖ-Jugend eine ideologische Instrumentalisierung dieses Balkons erfolgte.

Hier gab es in der Vergangenheit allerdings auch schon Kontrapunkte, wie Stefan Benedik, Leiter der Abteilung Public History im Haus der Geschichte, in dem Band Ver/störende Orte ausführt. Vielen bekannt ist beispielsweise der Film Der Mann auf dem Balkon, in dem der inzwischen verstorbene Zeitzeuge Rudolf Gelbard an Schauplätze im Wien seiner Kindheit führt und schließlich vom Altan der Neuen Burg aus spricht. Mit solchen Handlungen würde widerlegt, dass die „Aura“ eines Ortes jede Nutzung dominieren würde, betont Benedik. „Der Film legt somit das Potenzial offen, das dieser Ort bietet, um den lange zum Schweigen gebrachten Opfern eine Stimme zu geben und anhand dieses Objektes und seiner Rezeption grundsätzlich neue Zugriffe auf NS-spezifische Erinnerungskultur zu entwickeln.“

Eine in den vergangenen Jahren ebenfalls breit diskutierte Immobilie ist Hitlers Geburtshaus in Braunau. Hier wurde inzwischen eine Entscheidung getroffen: Das Gebäude soll ab 2026 von der Polizei genutzt werden. Damit soll der Ort nicht für Aufmärsche von Neonazis zur Verfügung stehen. Von einer öffentlichen Einrichtung werden inzwischen auch die Brückenkopfgebäude in Linz genutzt – von der Kunstuniversität. Hier sind sich Expert*innen allerdings uneinig, ob der dafür erfolgte Umbau auch ausreichend die Reflexion mit der NSGeschichte widerspiegelt.

Dazu meint Paul Mahringer, Leiter der Abteilung für Denkmalforschung im Bundesdenkmalamt: „Was das Denkmal am meisten gefährdet, und das gilt auch für NS-Bauten, ist der Nutzer*innenanspruch. Bei den Brückenkopfgebäuden kann man darüber diskutieren, ob die Renovierung wirklich ein Zeichensetzen war oder ob es nicht einfach eine Intervention am Objekt war, um es für universitäre Zwecke nutzbar zu machen. Vor allem das Innenleben folgt nach der Renovierung durch Adolf Krischanitz einer modernen Formensprache, aber dass in diesem Umbau eine Reflexion auf die NS-Baugeschichte stattgefunden hat, erschließt sich dem*der Benutzer*in nicht unmittelbar. Ich finde, da wurde eine Chance vertan.“

Ingrid Böhler/Karin Harasser/ Dirk Rupnow/ Monika Sommer/Hilde Strobl (Hg.):
Ver/störende Orte. Zum Umgang mit NS-kontaminierten Gebäuden
Mandelbaum 2023, 260 S., 25 €

 

 

Im allgemeinen Bewusstsein wenig verankert ist, dass sich die Nationalsozialisten in Wien auch an einem Ort, der wie kein anderer für Demokratie steht, breit machten: im Parlament. Hier war in der NS-Zeit das „Gauhaus“, das zu zahlreichen Veranstaltungen und Fortbildungen einlud und sich dabei zum Publikumsmagneten entwickelte, wie die Historikerin Verena Pawlowsky ausführt. Baulich wurden die große Linien zwar beibehalten, im Kleinen aber doch einiges verändert. So ließ Baldur von Schirach, der im August 1940 Gauleiter in Wien wurde, den von ihm als sein Büro genutzten Raum, damals als „Reichsleiter-Zimmer“ bezeichnet, von Theophil Hansens, dem Architekten des Parlaments, Opulenz befreien. Heute ist darin das Büro des Ersten Nationalratspräsidenten untergebracht.

Aber auch in der Säulenhalle ließ Schirach Änderungen vornehmen: Sowohl Luster wie auch Hermen wurden weggeschafft, wobei die Entfernung der Büstenpfeiler den politischsten Eingriff darstellte, so die Historikerin, der zudem angeblich einen Wunsch Hitlers als Basis hatte. Anders als die sonst im Hohen Haus angebrachten Statuen, die griechische und römische Staatsmänner darstellten, verkörperten die entfernten Hermen österreichische Parlamentarier. Sie kehrten auch nach 1945 nicht mehr in die Säulenhalle zurück: Das Gros wurde bei den Bombardierungen des Parlaments im Zweiten Weltkrieg zerstört.

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