WINA: Welche Beziehung hatten Sie zu Ari Rath, dem Namensgeber des Preises?
Alexandra Föderl-Schmid: Wir haben einander einige Jahre gekannt, und besonders die letzten Lebensmonate war ich viel an seinem Krankenbett. Er begleitet mich auch jetzt noch in Israel, weil sehr viele Menschen ihn gekannt haben und noch gerne über ihn sprechen. Und oft denke ich, was hätte Ari jetzt dazu gesagt.
Ist bzw. war er als Journalist für Sie auch eine Art Vorbild?
Absolut. Er war ja viele Jahre Chefredakteur der Jerusalem Post, als diese noch liberal war, und wir haben auch sehr viel über journalistische Projekte und Herangehensweisen diskutiert. Er war für mich jemand, den ich auch immer wieder um Rat gefragt habe, ein Spruch von ihm hieß ja: „Kommt Zeit, kommt Rath.“
Wie sehen Sie seine in den letzten Jahren zunehmend kritische Beziehung zu Israel?
Er hat das, was offensichtlich ist, nämlich dass Israel immer weiter nach rechts gerückt ist, kritisch kommentiert und, was ihm viele auch übel genommen haben, Israel kritisiert. Er hat es aber immer differenziert, d. h. er hat das auf die Politik bezogen und nicht auf das Land und die Menschen.
»Der Friedensprozess ist ins Stocken geraten
und zwar auf Grund der Führungskräfte
auf beiden Seiten.«
Hat Ihre Entscheidung, als Korrespondentin nach Israel zu gehen, etwas mit Ari Raths Persönlichkeit zu tun? Was hat Sie gerade an dem Hotspot Israel gereizt?
Wir haben in den 90er-Jahren Israel intensiv bereist, und da gab es schon ein großes Interesse, dann waren aber journalistisch andere Länder stärker im Vordergrund, und durch Ari ist dieses Interesse an Israel wieder erwacht. Er war ja ein intensiver Beobachter, er wollte auch immer diskutieren, und ich musste mich stärker mit der Region auseinandersetzen, um mit ihm mithalten zu können. Und das war schon mit ein Grund, dass ich diese Korrespondentenstelle der Süddeutschen in Israel haben wollte.
Mit welcher Haltung zum Land sind Sie hingekommen?
Mir war wichtig, mich in meiner Berichterstattung nicht so auf die Politik zu konzentrieren, weil der Friedensprozess ins Stocken geraten ist und zwar auf Grund der Führungskräfte auf beiden Seiten. Deshalb wollte ich von vornherein etwa die interessante Start-up-Szene in Israel näher beleuchten, ich habe auch eine spezifische Kolumne Silicon Valley, in der man genau diese Dinge fokussieren kann. Das zeigt ein runderes Bild von Israel, als wenn man sich nur auf das Problemthema Nahostkonflikt konzentriert.
Sind Ihre Erwartungen erfüllt oder enttäuscht worden? Und wie sind Sie in die Medienszene eingebunden?
Als Korrespondentin ist es natürlich eine sehr viel einsamere Arbeit als in einer Redaktion, was mir aber nicht fremd war, weil ich früher schon 17 Jahre lang Standard-Korrespondentin war. Man wird nicht hofiert, man muss selber lästig sein, und in einem Land, das nicht immer nach unseren Vorstellungen funktioniert, muss man oft länger lästig sein. Aber insgesamt erlebe ich sehr viel Offenheit, zumindest was den nicht politischen Bereich betrifft, und dass man sich freut, wenn sich jemand für diese Themen interessiert.
Sie haben bereits 2013 eine „Theodor-Herzl-Dozentur“ an der Uni Wien für „Poetik des Journalismus“ gehabt. Also schließt sich da auch ein Kreis?
Im Nachhinein ergeben viele Dinge Sinn. Damals musste ich mich auch mit Herzl auseinandersetzen, wovon ich jetzt sehr profitiert habe.
Sie sind auch Korrespondentin für die palästinensischen Gebiete. Wie sieht das praktisch aus?
Da gibt es keine Regeln. Ich war kürzlich einen Tag in Gaza, und da hat sich seit meinem letzten Besuch im Jänner viel geändert, weil die Hamas wieder ganz massiv die Macht ergriffen hat. Es ist jetzt sehr schwierig hineinzukommen. Auf Palästinenserseite hat sich eine völlig abgehobene Führungsklasse entwickelt, und die normalen Leute haben genauso viel Wut auf die eigene Führung wie auf Trump und die Israelis. Das bekommt man auch im Gazastreifen vor Ort bei den Demos mit, die von der Zivilgesellschaft, etwa von Managern und Lehrern organisiert wurden, die Hamas hat sich da nur draufgesetzt.
Israel feiert 70 Jahre. Wie erleben Sie das?
Ich mache dazu sehr viele Interviews mit Zeitzeugen, und das ist wahnsinnig spannend, weil man die Lebensgeschichten noch mitbekommt; aber man braucht auch viel Zeit, um zuzuhören. Sehr schön finde ich, dass der Unabhängigkeitstag ein Fest der Freude und der Familie ist, es ist ein Herzenstag, was unser Staatsfeiertag ja nicht ist. Aber an sich gibt es im Moment wenig Grund zum Optimismus, weil der Friedensprozess auf beiden Seiten festgefahren ist. Die Zweistaatenlösung wird immer unrealistischer. Erstaunlich war für mich auch, wie stark der Einfluss der Ultraorthodoxen ist, die der Politik überproportional ihren Stempel aufdrücken.
Ist Ihnen der professionelle Abschied von Österreich nach den letzten Nationalratswahlen leichter gefallen?
Der Abschied vom Standard ist mir, obwohl er selbst gewählt war, schwer gefallen, da lässt man auch viel Herzblut nach 27 Jahren, aber ich wollte noch einmal hinaus in den echten Journalismus, ich bin vom journalistischen Typ her eine Reporterin, und das kann ich.
Alexandra Föderl-Schmid, 1971 in Oberösterreich geboren, studierte Publizistik in Salzburg und war von 2007 bis 2017 Chefredakteurin und ab 2012 auch Co-Herausgeberin des Standard. Seit 2017 ist sie Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Israel.
Eine Jury unter Vorsitz von Gertraud Auer Borea d’Olmo, Generalsekretärin des Kreisky-Forums und langjährige Vertraute von Ari Rath, der auch die Initiative für diesen Preis zu verdanken ist, wählte Alexandra Föderl-Schmid einstimmig zur ersten Preisträgerin des „Ari-Rath-Preises für kritischen Journalismus“.