Malerin und Mäzenin

Das Belvedere würdigt in einer Einzelausstellung die österreichische Künstlerin Broncia Koller-Pinell.

1245
© belvedere.at

BRONCIA KOLLER-PINELL
Eine Künstlerin und ihr Netzwerk
Unteres Belvedere, Rennweg 6, 1030 Wien
bis 8. September 2024
Mo.–Sa., 10–18 Uhr
belvedere.at

Ihr Künstlerleben begann typisch für begabte Frauen des 19. Jahrhunderts – mit einem Verbot. Broncia Pineles durfte nicht an der Wiener Akademie studieren, das war noch eine rein männliche Domäne. Daher nahm sie Privatunterricht – zuerst beim Bildhauer Robert Raab, später beim Maler Alois Delug. In München gab es damals wenigstens eine Damenakademie – im Rahmen des Münchner Künstlerinnenvereins. Das sollte die nächste Station von Pineles werden, ehe sie 1890 mit einem einzelnen Bild im Wiener Künstlerhaus erstmals an die Öffentlichkeit trat.

Bronislawa Broncia Pineles wurde dabei von ihren Eltern maßgeblich unterstützt. Geboren in der galizischen Provinzstadt Sanok, die heute in Polen liegt, war ihr Vater Saul ein Wollwarenerzeuger und Lieferant von groben Militärdecken. Er entstammte einer Familie von jüdischen Gelehrten.* 1870 übersiedelte die Familie nach Wien und Oberwaltersdorf.

Broncia bewegte sich in Wien in unterschiedlichen künstlerischen Kreisen, etwa jenem der „Brucknerianer“, zu denen der Komponist und Musikkritiker Hugo Wolf, der Schriftsteller Fritz Eckstein sowie der Dirigent und spätere Staatsoperndirektor Franz Schalk gehörten. Dabei lernte sie auch ihren Mann Hugo Koller kennen. Dieser hatte Medizin, Mathematik und Physik studiert und arbeitete als Technologie-affiner Unternehmer. Er war allerdings umfassend gebildet und an Literatur wie bildende Kunst interessiert. Um Broncia – gegen den Widerstand ihrer Eltern – zu heiraten, verließ er die katholische Kirche, die Familie zog für einige Jahre nach Nürnberg, dann nach Hallein. Die beiden Kinder der Kollers, der Sohn Rupert und die Tochter Silvia, sollten ebenfalls künstlerische Berufe ergreifen, er wurde Dirigent, sie Malerin.

Ab 1902 lebte Broncia Koller wieder in Wien und fand in den Kreis um Gustav Klimt und die Secessionisten, nahm – als einzige Frau – an regelmäßigen Treffen teil. Als sie dann mit ihrem Mann ins ehemals elterliche Gut in Oberwaltersdorf übersiedelte, sollte dies das Zentrum ihres eigenen Künstlerkreises werden. Zunächst fungierten Kolomann Moser und Josef Hoffmann als Architekten und Ausstatter im Stil der Wiener Werkstätte. Später verkehrten dort Maler und Intellektuelle von Egon Schiele und Heinrich Schröder bis zu Sigmund Freud oder Rosa Mayreder sowie Gustav und Alma Mahler. (Broncias Sohn Rupert war auch kurz mit der Mahler-Tochter Anna verheiratet.)

Doch die Salonkultur – auf der finanziellen Basis ihres Mannes – sollte ein zweischneidiges Schwert sein. Nun stand ihr Mäzenatentum und ihr Networking eher im Vordergrund denn ihr eigenes künstlerisches Schaffen. Zwar stellte sie immer wieder in Sammelausstellungen in Wien und München Werke aus, aber eine eigene Personale schaffte sie nie.

Der befreundete Maler Albert Paris Gütersloh fasste in einem Nachruf Jahrzehnte später die Begründung für ihre weitgehende Nicht-Beachtung so zusammen: „Weil sie eine Frau und vermögend war, haben die männlichen und armen Maler sie nie recht gelten lassen wollen. Es nützte nichts, dass sie die Bilder ihrer Kollegen kaufte, dass sie verehrte, was auch jene verehrten: Klimt, Hoffmann, Schiele. Im Scherbengerichte würgte man die Kinder ihrer Muse und Muße hin.“

Zunächst musste Koller auch nichts verkaufen, erst als ihr Mann geschäftliche Probleme bekam, brachte sie einzelne Werke in Galerien ein. Nach ihrem Tod 1934 verkaufte ihr Sohn weitere Bilder. Wirklich wahrgenommen auf dem Kunstmarkt wurde sie erst in den 1980er-Jahren. Maßgebend dabei waren die Wiener Galerie Hieke (die auch heute noch Werke von ihr anbietet) sowie der Unternehmer und Sammler Jenö Eisenberger. Die Stille in der Öffentlichkeit wurde durch eine Ausstellung in der Niederösterreichischen Landesgalerie 1980 sowie eine weitere im Jüdischen Museum Wien 1993 unterbrochen. In der Schau Stadt der Frauen 2019 im Belvedere war Koller-Pinell ebenfalls vertreten.

Jetzt stellt das Belvedere Broncia Koller-Pinell. Eine Künstlerin und ihr Netzwerk vor. Darin sind nicht nur ihre Hauptwerke zu sehen, sondern es soll auch „gezielt auf die Netzwerke der Malerin und ihre Aktivitäten in der Kunstförderung eingegangen“ werden. Wechselwirkungen und Einflüsse werden angesprochen, ihre Bilder solchen anderer Künstler ihrer Zeit gegenübergestellt, etwa von Egon Schiele, Anton Faistauer, Albert Paris Gütersloh oder Franz von Zülow.


* Siehe dazu auch Angela Heide in wina-magazin.at/broncia-koller-pinell.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here