Weiterhin auf Erfolgskurs: Der israelische Film

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Humorvolle und selbstkritische Produktionen heimsen laufend Preise bei internationalen Festivals ein. Von Marta S. Halpert   

Der Krieg in Gaza hat die aktuelle Produktion von Spielfilmen kaum beeinflusst. Aber er hatte sehr wohl Auswirkungen auf Fernsehproduktionen, und zwar wegen der ständigen Berichterstattung über die Kampfgeschehnisse“, berichtet Katriel Schory, Direktor des Israel Film Fund. „Besonders bedauernswert ist der Umstand, dass zwei große amerikanische TV-Serien, die in Israel im Entstehen waren, zuerst gestoppt und anschließend in andere Länder verlegt wurden.“

Der schnauzbärtige Schory hat bereits 1999 das filmische Potenzial in Israel erkannt und deshalb auch nach seiner Rückkehr aus den USA die operative Leitung dieser wichtigen Institution übernommen. Selbst für die Produktion von mehr als 200 Filmen verantwortlich, widmet er sich nun seit rund 15 Jahren dem Aufbau der israelischen Filmindustrie. „Ich sah es als große Herausforderung an, den israelischen Film zuerst als gleichwertige Kunstform neben Theater, Musik oder Tanz zu etablieren. Das ist uns sogar per Knesset-Gesetz gelungen.“ Nach dieser erfolgreichen Lobby-Aktion setzte der erfahrene Filmemacher den nächsten wichtigen Schritt: „Damit man einen israelischen Film auf dem internationalen Markt anbieten kann, muss man zuerst im eigenen Land fest verankert sein und entsprechende Besucherzahlen aufweisen können“, erklärt Schory.

„Die Zeiten sind vorbei, als Israelis vorwiegend mit den Filmen politische Botschaften aussenden wollten.“ Katriel Schory

Katriel Schory hat mit dem Israel Film Fund seine konkreten Ziele konsequent und erfolgreich umgesetzt: Er hat die alten Strukturen aufgebrochen, ein Fünfjahresbudget durchgeboxt, das langfristige Projekte absichert – und er hat den IFF für Autoren und Filmemacher aus allen kulturellen und gesellschaftlichen Schichten des Landes geöffnet. Der Debütfilm bekam ganz neue Chancen. Ab dem Jahr 2000 wurde die Filmwelt international auf die israelischen Produktionen aufmerksam: erst mit Time of Favor (2000) in der Regie von Joseph Cedar; und mit dessen Film Footsteps im Jahr 2012 schaffte es ein israelischer Beitrag auf den fünften Platz bei den Auslands-Oscar-Nominierungen in Los Angeles. Bis dahin, erzählt Schory, musste er „durch die Korridore von Berlin, Venedig, Cannes und Toronto den Filmeinkäufern und Verleihfirmen nachlaufen“. Jetzt rufen die gleichen Leute bei ihm an und wollen wissen, was es Neues gibt.

Ein Cousin von Hanekes „Amour“

IsraelFilmFund2Engel„Der größte Erfolg ist derzeit der Film Gett – The Trial of Viviane Amsallem, der in Frankreich herausgekommen ist und sehr gut läuft. Es gibt einige andere Filme, die in insgesamt mehr als 20 Länder verkauft wurden, dazu gehören Zero Motivation und The Farewell Party“, erzählt Schory. Mit 97 % Zustimmung erhielt The Farewell Party 2014 den Publikumspreis in Venedig und darüber hinaus den Humanitarian Award.

Es braucht etwas Besonderes, um bei den vielen Filmen der Filmfestspiele von Venedig herauszustechen. Die schwarze Komödie The Farewell Party fällt auf: Darin geht es um die Bewohner eines Altersheims. Einer von ihnen hat eine Maschine gebaut, die einen sanften Tod ermöglicht. Auf die erste Begeisterung folgt jedoch ein moralisches Dilemma. „Wir haben das Thema der Euthanasie angepackt, ein kontroverses und schwieriges Thema, das wir in einer dramatisch-komischen Art behandeln. Wir glauben, dass es so für die Zuschauer leichter erträglich wird“, meint Raffi Tavor, einer der Darsteller. „Normalerweise machen wir in Israel Filme über die Probleme zwischen Palästinensern und Israelis, aber in diesem Film geht es überhaupt nicht darum.“ Schauspielerkollege Ilan Dar ergänzt: „Es ist eine verrückte Geschichte von der Liebe zwischen Menschen, alten Menschen. Und Liebe existiert, selbst wenn du 80 bist, liebst du immer noch Menschen und willst ihnen helfen. So eine Geschichte ist universell.“ Durch den Film wurden die Künstler selbst mit der Frage der Sterbehilfe konfrontiert. In Israel ist die Beihilfe zur Selbsttötung nach wie vor illegal. „Man hat keine Meinung dazu, bis zu der Minute, in der man solch eine Entscheidung treffen muss. Gott hat es zwar verboten, aber ich denke, jeder muss es selbst entscheiden – das ist persönliche Freiheit“, sinniert Dar.

Ein Verkaufserfolg ist The Farewell Party schon jetzt: Die schwarze Komödie von Tal Granit und Sharon Mymon hat bereits Verleiher in Österreich (Polyfilm) gefunden, weiters in Deutschland, der Schweiz, den Benelux-Staaten, Australien sowie Neuseeland. Unter Experten wird der Film bereits als „Cousin“ von Amour bezeichnet, Michael Hanekes Oscar-Gewinner. Vorerst werden The Farewell Party gemeinsam mit Gett – The Trial of Viviane Amsallem als seriöse Preisanwärter beim Toronto Film Festival 2014 gehandelt.

Diese zwei erfolgreichen Filme bestätigen auch, dass die israelischen Filmemacher thematisch viel breiter aufgestellt sind, als der oberflächliche Blick vermuten lässt: „Die Zeiten sind vorbei, als Israelis vorwiegend mit den Filmen politische Botschaften aussenden wollten“, ist Schory überzeugt. „Die jungen Regisseure wollen vom eigenen Leben in Israel erzählen. Sie beschäftigen sich mit Themen, die ihnen nahe liegen, wie z. B. der gesellschaftliche Konflikt im Land zwischen den Religiösen und den Säkularen oder auch die vielen kulturellen Unterschiede. Das heißt aber nicht, dass die heutigen Filme unpolitisch sind.“

Innenpolitisch höchst brisant ist so auch die jüngste französisch-israelische Koproduktion Gett von Ronit und Shlomi Elkabetz, in der es um einen Scheidungsprozess vor dem Rabbinat in Tel Aviv geht: Viviane will sich von ihrem Mann Elisha scheiden lassen; doch der willigt nicht ein, und das israelische Gesetz ist auf Elishas Seite, denn der Mann kann nicht zur Scheidung gezwungen werden. Also ist Viviane auf Gedeih und Verderb Elisha ausgeliefert. Gett handelt von Vivianes langem Atem, ihren unermüdlichen Versuchen, sich durchzusetzen. Es ist ein geradezu kafkaeskes Spektakel mit ernstem Hintergrund, denn viele Frauen in Israel sind täglich damit konfrontiert: Das Gericht versteht Vivianes Wunsch, aber ihm sind die Hände gebunden.

„Die Fülle und Vielfalt der Themen, die uns angeboten werden, ist großartig. Es fällt immer schwerer, eine Auswahl zu treffen. Aber unser Budget ist begrenzt und wir können leider nicht alle Ideen verwirklichen“, bedauert Katriel Schory. „Denn leider wird es bei der Finanzierung des Israel Film Funds keine Verbesserungen geben, da unser Budget auf vier Jahre eingefroren ist.“

Nicht eingefroren ist einem das Lachen bei der herzhaft lustigen Komödie Zero Motivation, die jüngst sowohl beim Tribeca Film Festival (gegründet von Robert de Niro und Jane Rosenthal) in New York als auch beim Internationalen Filmfestival in Odessa erste Preise abräumte. Zero Motivation ist derzeit der größte Kassenerfolg in Tel Aviv: In diesem spritzig-witzigen Film beklagen junge israelische Rekrutinnen ihren langweiligen Pflichtdienst bei den IDF (Israel Defense Forces). Sie klagen humorvoll über ihre eintönige Sekretariatsarbeit und zeigen das Machoverhalten ihrer männlichen Kollegen auf – also ein durchaus realistischer Blick in den Alltag der jungen Israelinnen. ◗

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