Wo man gegen Wände anrennt und auf taube Ohren stößt

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Bundespräsident Alexander Van der Bellen absolvierte seinen Antrittsbesuch in Budapest: Dort erlebte er, wie man politische Kaltschnäuzigkeit mit ungarischem Schmäh verbindet.

Schnell noch ein paar Züge an der Zigarette gönnt sich der österreichische Bundespräsident, bevor er in die bescheidene Business-Class-Abteilung des ÖBB-Railjets nach Budapest steigt. Seinem ungarischen Amtskollegen wird Alexander Van der Bellen später erzählen, dass er als Parlamentarier schon mehrfach und als Tourist bereits einige Mal hier war und von der Stadt immer wieder begeistert sei. Aber das war es dann auch schon mit den diplomatisch-höflichen Floskeln. Van der Bellen ist viel zu gut in die Materie „Ungarn unter Orbán“ eingearbeitet: Er wird in der Folge die positiven Gemeinsamkeiten mit Österreich ebenso hervorstreichen, wie auf das Trennende klar hinweisen.

„We agreed to disagree.“
– VdB

Davon kann auch der prahlerisch angezuckerte protokollarische Empfang vor dem ungarischen Präsidentensitz hoch über Buda nicht ablenken. Auf dem zuvor schnell angenagelten roten Teppich hat eine Musikkapelle und eine finster blickende militärische Ehrengarde Aufstellung genommen. Fahnen der beiden Länder wehen im Wind – eine Europa­flagge ist nicht zu sichten. Drei Husarenreiter in bunten Uniformen eskortieren die Limousine des Staatsgastes zum Amtssitz von Ungarns Präsident János Áder. „Das ist k. u. k. Kitsch“, stichelt ein ungarischer Kameramann. Doch nach dem mehr als einstündigen Gespräch der Präsidenten ist es mit den erforderlichen Äußerlichkeiten vorbei.

Gleich drei gewichtige Themen werden die Meinungsdifferenzen offenlegen: Getreu der Taktik von Zuckerbrot und Peitsche lobt der frühere Ökonomieprofessor zuerst die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, weist auf das bilaterale Handelsvolumen und die österreichischen Direktinvestitionen hin. Dann kommt er sehr direkt und bestimmt auf das im April verabschiedete Hochschulgesetz zu sprechen, das Kritiker als maßgeschneidert ansehen, um die renommierte Central European University (CEU) ab 2019 zu schließen. „Ich bin ein Mensch der Universität, der relativ spät in die Politik gegangen ist. Daher interessiert mich auch hier die Situation der Hochschulen. Ich hoffe sehr, dass sich die Spannungen zwischen der ungarischen Regierung und der CEU beilegen lassen.“ Gleich darauf lässt er den erstaunten Kollegen Áder wissen, dass er wenige Stunden zuvor mit namhaften Rektoren und Professoren – auch jenen der CEU – zusammengetroffen war, um deren Einschätzung der Lage zu hören. Aus Kreisen der ungarischen Professoren verlautete, dass Van der Bellen nach der Aussprache wesentlich skeptischer war, dass es eine rasche Lösung geben könne. „Das ist ein Machtkampf zwischen Viktor Orbán und George Soros, nichts anderes“, fasste es einer der Gesprächspartner zusammen. So müsste die Universität einen – bisher nicht existierenden – Campus in den USA nachweisen. Außerdem besteht Ungarn auf einer Vereinbarung mit der US-Regierung, allerdings hat die Zentralregierung in den Vereinigten Staaten keine Kompetenzen in Bezug auf Universitäten. Dennoch hat der Staat New York, wo die CEU akkreditiert ist, Verhandlungen angeboten.

Während János Áder das angesprochene Thema gar keiner Reaktion würdig befand, wies Ministerpräsident Viktor Orbán den österreichischen Bundespräsidenten wenig später kaltschnäuzig ab. Er, Orbán, habe nichts damit zu tun, das Hochschulgesetz sei im Parlament verabschiedet worden. Die EU-Kommission hat in dieser Causa, Verletzung der akademischen Freiheit, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet.

Ein zweites solches Verfahren betrifft sowohl Ungarn als auch die übrigen Visegrád-Staaten, dabei geht es um die mangelnde Aufnahme von Flüchtlingen. Auf diese Problematik ging Ungarns Staatsoberhaupt emotional und ausführlich ein. Andere Staaten, ebenso wie auch Österreich, würden die Vorgaben aus dem Relocation-Programm ebenfalls nicht umsetzen. „Bisher noch nicht“, erwidert Van der Bellen umgehend und erinnert nachdrücklich daran, dass Österreich im Jahr 2015 rund 90.000 Asylsuchende und 2016 erneut 42.000 aufgenommen habe. Mit den Worten „Sie kennen meine Familiengeschichte“ wird nun auch Van der Bellen emotional, „diese ist von hundert Jahren Auswanderung und Emigration geprägt. Und ich behaupte: Niemandem ist dadurch ein Schaden entstanden.“

Wie abschätzig und arrogant mit Journalistenfragen umgegangen wird, bewies Áder beim dritten aktuellen Diskussionspunkt in Ungarn: Just zum Zeitpunkt der Pressekonferenz von Van der Bellen und Áder wurde das umstrittene Gesetz über Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Parlament beschlossen. Trotzdem sagte Áder ungerührt: „Warten wir die Entscheidung ab.“ Einige Tage später unterschrieb er selbst das Gesetz, laut dem NGOs, die aus dem Ausland finanziert werden, sich gerichtlich registrieren, ausländische Spender offenlegen und sich in ihren Publikationen als „auslandsgeförderte Organisation“ darstellen müssen. Absurd, aber wahr: Auch die österreichische Kinderhilfsorganisation SOS Kinderdorf fällt jetzt unter diese Bestimmung.

Haltung wird ignoriert

Politische Einwände oder konsequente Haltung von Außenstehenden werden einfach ignoriert. Daher verwundert das Resümee Van der Bellens nach der Unterredung mit Orbán nicht: „Wir wissen, dass wir bezüglich Migration und einer pauschalen Ablehnung des Islams nicht einer Meinung sind.“ Hier sei man nicht zusammengekommen – im O-Ton: „We agreed to disagree.“

Nach dem Treffen mit Orbán gab es Gelegenheit für ein paar exklusive Fragen des WINA-Magazins an den Bundespräsidenten: Ist nach dem Brexit mit einem stärkeren Einfluss der Viségrad-Staaten zu rechnen? Verschärfung der nationalistischen Egoismen? „So schade ich diese Entscheidung der Briten finde, im restlichen Europa hat das eher ein Zusammenrücken nach sich gezogen.“ Zudem hätte die Wahl Donald Trumps die alten transatlantischen Bindungen zumindest unsicher werden lassen sowie auch die Politik Putins. „Beides zeigt die Notwendigkeit eines vereinten Europas. Die Wahl Emmanuel Macrons in Frankreich, der eine eindeutig proeuropäische Linie vertritt, macht mich vorsichtig optimistisch, dass es nach der Wahl in Deutschland zu mehr Integration in Europa kommen könnte.“ Der Pegel der Intoleranz ist auch in Österreich angestiegen, siehe Hass im Netz oder stärkere Ressentiments gegen Juden und Muslime. Erwartet Van der Bellen infolge der Parlamentswahlen am 15. Oktober einen Rechtsruck? „Dass es in den sozialen Medien problematische Tendenzen gibt, ist evident“, so der Bundespräsident. „Sie treten aber in vielen Staaten auf, etwa auch in Deutschland, wo derzeit wohl niemand von einem Rechtsruck sprechen würde. Antisemitischen Tendenzen ist jedenfalls überall entschieden entgegenzutreten. Da darf es keine Toleranz geben.“ Zum Wahlausgang möchte er nicht spekulieren, was danach passieren könnte. „Österreich sollte jedenfalls Teil eines starken gemeinsamen Europas bleiben.“

Weder die mit rot-weiß-roten Fähnchen beflaggte Kettenbrücke, die die Stadteile Buda und Pest verbindet, noch die regelrechte Charme-Offensive Viktor Orbáns – von der Delegationsteilnehmer berichteten – ließen den Bundespräsidenten dem ungarischen Schmäh erliegen. Er selbst offeriert klugen, subtilen Humor, aber keinen platten Schmäh. Das zeremoniell-protokollarisch Notwendige bringt er bereits routiniert hinter sich. Sogar seinem mitgereisten Aufpasser, Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl, der darauf achtete, dass die bereits angepeilten Wirtschaftsprojekte von höchster ungarischer Stelle abgesegnet werden, pfuschte er nicht ins Handwerk: In der imperialen Residenz der österreichischen Botschaft lobte er die Eisenstädter Weinbauschule und die musikalischen Darbietungen der Haydn Brass. „Ich will ja der Wirtschaft nicht schaden.“ Sprach’s und zündete sich eine Zigarette an.

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