Antisemitismus im Netz – wie die Politik den Kampf aufnimmt und was der Einzelne tun kann

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Bundesministerin Karoline Edtstadler und Präsidenten des IKG Oskar Deutsch bei der Pressekonferenz.

769 antisemitische Vorfälle im Internet dokumentierte die Antisemitismus-Meldestelle der IKG Wien für das Jahr 2023. Das ist einerseits beinahe eine Verdoppelung der 385 für das Jahr 2022 in dieser Kategorie gemeldeten Netzinhalte. Das ist andererseits nur ein vages Herantasten an das Phänomen der Judenfeindlichkeit in der Online-Welt. Das sehen auch die Behörden so. In der nun vom Bundeskanzleramt veröffentlichen Strategie gegen Antisemitismus im Netz heißt es dazu nämlich: Die genaue Quantifizierung antisemitischer Inhalte im Netz stelle eine beträchtliche Herausforderung dar und „die wohl überwiegende Mehrzahl der Vorfälle“ bleibe ungemeldet.

Maßnahmenpaket Antisemitismus Online (PDF, 408 KB)

Nach Jahren des zögerlichen Reagierens versucht die Politik sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene nun allerdings gegen Hass und Desinformation im Netz allgemein und gegen Antisemitismus im Besonderen vorzugehen. Auf EU-Ebene wurde eine Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens für die Jahr 2021-2030 verabschiedet, die sich auch des Themas Online-Antisemitismus annimmt. Hier spielt das Thema Dokumentation eine große Rolle. Berichte wie jener der Antisemitismus-Meldestelle der IKG Wien sollen die Lage in allen Mitgliedstaaten besser einschätzen helfen.

Es ist unsere Verantwortung als Republik Österreich, diesen bedrohlichen Entwicklungen entschlossen und tatkräftig entgegenzutreten und die digitale Welt zu einem sicheren und respektvollen Ort des Miteinanders für alle zu machen.

Bundesministerin Karoline Edtstadler

Bereits seit 2016 gibt es den „Code of Conduct“, der Plattformen verpflichtet, illegale Hassrede, die ihnen gemeldet wird, rasch zu überprüfen und zu entfernen. Hier zählt auch Antisemitismus dazu. Und mit 17. Februar dieses Jahres trat der „Digital Services Act“ (DAS) in Kraft, der auf eine noch schnellere und effizientere Entfernung rechtswidriger Inhalte abzielt. Jeder und jede, die schon einmal versucht hat auf Plattformen wie Facebook antisemitische Inhalte zu melden, um dann informiert zu werden, dass der beanstandete Inhalt nicht gegen Gemeinschaftsstandards verstoße, kann ein Lied davon singen, dass der „Code of Conduct“ allein hier noch nicht die gewünschten Ergebnisse brachte.

Das Maßnahmenpaket gegen Antisemitismus im digitalen Raum wurde von BM Karoline Edtstadler gemeinsam mit IKG-Präsident Oskar Deutsch im Bundeskanzleramt präsentiert.

In Österreich bemüht sich die Regierung seit 2021 mit der Umsetzung der „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus“ Judenfeindlichkeit auf den verschiedensten Ebenen zu bekämpfen. Bereits 2020 wurde das Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz beschlossen. Mit Beginn dieses Jahres trat zudem eine Novelle des Verbotsgesetzes in Kraft, die durch eine Ausweitung der inländischen Gerichtsbarkeit eine strafrechtliche Verfolgung auch von im Internet verbreiteten Inhalten beziehungsweise Verhaltensweisen ermöglicht.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass unsere Gemeinschaft – sowohl offline als auch online – ein Ort der Sicherheit und des Zusammenhalts für alle bleibt.

IKG-Präsident Oskar Deutsch

Das nun erarbeitete Maßnahmenpaket baut auf diesen bereits vorhandenen Instrumenten auf, bemüht sich aber, die Wirksamkeit zu erhöhen. Angesetzt wird dabei auf drei Punkten: einer noch engeren Zusammenarbeit mit Anbietern von Online-Plattformen und -Suchmaschinen, der Unterstützung und Vernetzung von Akteurinnen, die sich vor allem gegen Antisemitismus in sozialen Medien einsetzen und einer Stärkung zivilgesellschaftlicher Resilienz. Letzteres meint Bewusstseinsarbeit, damit alle Nutzer im Netz – nicht nur Juden und Jüdinnen – antisemitische Hassrede im Netz erkennen, kritisch hinterfragen, melden und sich auch dagegen einsetzen. „Förderung der Medienkompetenz in allen Alters- und Bevölkerungsgruppen“ wird hier in der Folge als Ziel definiert, als konkrete Maßnahmen werden die Erstellung von neuen Bildungsmaterialien und die Förderung von zielgerichteten Projekten genannt. Aber auch eine Medienkampagne über Antisemitismus wird angekündigt.

Das Papier des Bundeskanzleramts skizziert aber nicht nur die Pläne der Regierung, sondern zeigt auch den Handlungsspielraum des Einzelnen auf. Was kann also der Einzelne – ob persönlich betroffen oder auch nicht betroffen – tun?

Fünf Schritte werden hier aufgelistet:

  • Dokumentieren (Fotos machen und Screenshots anfertigen),
  • Melden (beim Diensteanbieter und/oder bei einer Meldestelle),
  • Anzeigen (bei einer Polizeidienststelle oder der Staatsanwaltschaft),
  • Gegennarrative formulieren (im Netz mit sachlichen Argumenten, Fakten und aufklärender Information ein Gegengewicht schaffen) sowie
  • Solidarität zeigen (etwa in dem man jene, die sich um ein Gegennarrativ bemühen, mit einem Like stärkt).

Wer sich entscheidet, hier im Netz aktiv gegen Antisemitismus zu argumentieren, dem werden die Seiten https://nichts-gegen-juden.de/ und https://getthetrollsout.org/ empfohlen. https://www.mimikama.org/ biete zudem Faktenchecks von Medienberichten und Netzinhalten an und hier gibt es Informationen des Justizministeriums zu „Hass im Netz“: https://www.bmj.gv.at/themen/Fokusthemen/gewalt-im-netz.html

Und hier finden Sie alle Informationen zur Nationalen Strategie gegen Antisemitismus:

bundeskanzleramt.gv.at/themen/kampf-gegen-antisemitismus.html

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