Das Zeigen der Installation könnte man auch als so etwas wie eine doppelte Zeitenwende lesen. Hong reiht, beginnend mit der Entschuldigung Willi Brandts 1970 für den Holocaust vor dem Denkmal des Warschauer Ghettoaufstands, eine Entschuldigung eines Staatsoberhaupts, Ministers, aber auch Armeekommandanten an die andere. Einmal geht es um Völkermord, dann um Menschenrechtsverletzungen. Es geht um den Holocaust, den Sklavenhandel, die Kolonialzeit.
Was all diese Erklärungen eint, fasste Hannes Sulzenbacher, neuer Chefkurator des Museums, bei der Pressevorführung zusammen: All diese Erklärungen werden, weil inhaltlich so heikel, vom Blatt gelesen. Es sind vorformulierte Worte, die in gedrückter Stimmung vorgetragen werden. Wenn man diese so aneinandergereiht betrachtet, fällt zudem auf: Sie sind schlecht referiert, wenig überzeugend performt zusagen. Fazit Staudingers: Die Entschuldigung für die Schoa war die Blaupause für alle kommenden Entschuldigungen, auch wenn sie historische Begebenheiten betrafen, die lange vor dem Holocaust passiert sind. Nur: Haben diese politischen Rituale nicht ihre Kraft verloren, sind leer und hohl, wie auch das im Andenken an die Novemberpogrome so viel bemühte „Nie mehr wieder“? Braucht es hier nicht neue Wege?
An der Wand zu lesen ist daher auch dieses Zitat von Ruth Klüger: „Man sagt ‚Nie wieder‘ und dann schauen Sie sich mal all die Massaker an, die inzwischen passiert sind. Es ist absurd zu sagen, es soll nicht wieder passieren.“
Für Sulzenbacher ist dieses Zitat so ein bisschen der „missling link“, warum das Jüdische Museum Wien nun diese Filminstallation zeige. Die Raumgestaltung erinnert übrigens an Repräsentationsräume österreichischer Spitzenpolitik von Bundeskanzleramt bis zur Präsidentschaftskanzlei: auf rotem Teppich laden die typisch goldenen Sessel die Besucher zum Betrachten dieser sehr monotonen und aus dieser Monotonie heraus so kraftvollen Filmarbeit ein.
Die Zeitenwende, die am Mittwoch spürbar wurde, betrifft aber auch das Museum selbst. Die Installation sei programmatisch dafür, wie sich das Jüdische Museum Wien ab nun inhaltlich positioniere, sagte Staudinger. Man werde sich nicht nur verstärkt in aktuelle Diskurse einbringen, sondern auch versuchen, solche zu initiieren. Die erste große Ausstellung unter Staudinger Leitung, die ab 29. November zu sehen sein wird, verspricht schon jede Menge Diskussionsstoff. „Hundert Missverständnisse über und unter Juden“ sollen dabei verhandelt werden. Von Anfang an zeigt Staudinger damit Kante und ihre über Jahre entwickelte klare Handschrift: Museum muss nicht gefällig sein und Unangenehmes darf auch deutlich ausgesprochen werden.