Arad Fruchter liebt Trance-Musik. Als er und seine Freunde von einer 16-Stündigen Rave-Party hörten, zögerten sie nicht lange und besorgten sich Tickets. Am 6. Oktober 2023, es war das Ende von Sukkot, machten sie sich auf den Weg in die Negev-Wüste nahe der Grenze zu Gaza, wo das Nova-Musikfestival stattfand. Für viele junge Menschen war dies ein Traum: eine ganze Nacht zu Techno- und Trance-Musik tanzen, dann den Sonnenaufgang erleben.
Doch um halb sieben Uhr morgens wurde die Musik des DJs jäh übertönt – vom Code Red oder Zeva Adom, dem Alarm eines Angriffs, gefolgt vom furchteinflößenden Pfeifen tödlicher Raketen. Arad, mit 21 Jahren, kurz nach seinem Militärdienst, wusste sofort, dass er und seine Freunde so schnell wie möglich aus dem Angriffsgebiet flüchten mussten. Sie sprangen in ihr Auto und fuhren los, bis plötzlich ein Terrorist auf der Straße das Feuer eröffnete, auf das Auto schoss und den Freund von Arad am Bein traf. Das Auto fuhr nicht mehr weiter, und mit dem Freund auf dem Rücken suchte Arad Zuflucht in einer Bananenplantage, wo sie sich mit den großen Blättern zudeckten, um sich vor den Terroristen zu verstecken. Über ihren Köpfen hörten sie die Explosionen der Raketen und Schüsse – die Angst war überwältigend.
Nach mehr als zwei Stunden wurden sie endlich von einem israelischen Soldaten entdeckt, der sie mit seinem Auto zu einem Armeeposten in Sicherheit brachte. „Die dortigen Soldaten sagten uns, wir seien in Sicherheit und könnten nach Hause gehen. Mein angeschossener Freund wurde ins Krankenhaus gebracht. Der Vater eines anderen Freundes kam, um uns abzuholen. Wir fuhren so schnell wir konnten Richtung Norden, zurück nach Tel Aviv. Überall sah ich Feuer und Zerstörung durch die Bombeneinschläge“, beschreibt Arad Fruchter in einem seiner vielen Interviews die Eindrücke nach dem Terroranschlag.
Für jedes Kind werden 100.000 US-Dollar bis zu seiner Berufsausbildung zur Verfügung gestellt, begleitet von Mentoring und psychologischer Beratung.
Nachhaltige Hilfe statt Party-Netzwerk. Nur einen Monat vor dem Massaker des 7. Oktober hatten Arad Fruchter und sein Freund Gal Zilberstein die Veranstaltungsplattform zygo.co.il entwickelt. Ursprünglich war die App dazu gedacht, die Planung von Partys und Events zu erleichtern, indem sie Veranstalter mit Lieferanten, Locations und DJs verband sowie Gästelisten verwaltete.
Doch nach dem 7. Oktober schien es Arad sinnlos, Werbung für fröhliche Veranstaltungen zu machen. Zu schockierend und traurig waren die Ereignisse, um an Vergnügungen zu denken. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich nach seinen traumatischen Erlebnissen zu motivieren und anderen zu helfen, beschloss er, eine Silvestergala zu organisieren, deren Erlös den elternlos gewordenen Kindern des Massakers zugutekommen sollte. Seine App diente nun einem gemeinnützigen Zweck und wurde schnell für das philanthropische Projekt angepasst.
Um die Spenden der Silvester-Veranstaltung Echoes of Hope im Jaffa-Hotel zu verwalten, gründete Arad mit seinem Vater Ari zusätzlich die Hilfsorganisation Israeli Children’s Fund (ICF). Ari Fruchter, ein Umweltaktivist und Unternehmer, war fünfzehn Jahre zuvor mit seiner Familie von Philadelphia, USA, nach Israel gezogen und ist bestens vernetzt. Bekannt wurde er als Mitbegründer des Dead Sea Revival Project und Initiator des Dead Sea Museums und ist Mitglied des Board of Governors des Tel Aviv Museum of Art.
Nun unterstützt er seinen Sohn Arad dabei, die Zukunft der Kinder zu sichern, die ihre Eltern bei dem Terrorangriff verloren haben. Der Israeli Children’s Fund wird von israelischen Hightech-Führungskräften und Risikokapitalgebern gefördert und bietet den Kindern finanzielle Hilfe und emotionale Unterstützung. Jeder Schekel, der durch den Ticketverkauf der Silvester-Veranstaltung eingenommen wurde, verdoppelte sich durch den Betrag an Direktspenden.
Innerhalb weniger Wochen hat das ICF bereits über eine Million Schekel an finanzieller Soforthilfe für die Kinder bereitstellen können.
Die Silvester-Gala war nur der Anfang einer Reihe von Veranstaltungen, wie Konzerten und Vorträgen, deren Einnahmen in den Spendenfonds des ICF fließen. Arads Plattform Zygo dient aber nicht nur der Organisation der verschiedenen Veranstaltungen des ICF: Sie kann auch als direkte Spendenplattform genutzt werden. Innerhalb weniger Wochen hat das ICF bereits über eine Million Schekel an finanzieller Soforthilfe für die Kinder bereitstellen können und gleichzeitig die rechtliche und strukturelle Grundlage für langfristige finanzielle Stabilität geschaffen.
Der erste Schritt zur Unterstützung der Kinder bestand darin, wesentliche Informationen zu sammeln, Kontakt zu deren Erziehungsberechtigten herzustellen und ihre Bedürfnisse umfassend zu ermitteln. Seit dem 7. Oktober wurden Soforthilfegelder an über 230 Kinder ausgezahlt, um ihre dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei arbeitet das ICF aktiv und kontinuierlich mit anderen Organisationen zusammen, um die kollektive Wirkung bei der Unterstützung dieser Kinder in ihren kritischsten Momenten zu maximieren.
Nachhaltige Begleitung. Die Vision ist, den betroffenen Kindern bis zum Erwachsenenalter die bestmögliche Unterstützung zu bieten. Für jedes Kind werden 100.000 US-Dollar bis zu seiner Berufsausbildung zur Verfügung gestellt, begleitet von Mentoring und psychologischer Beratung. Das ICF hat sich zum Ziel gesetzt, Spenden bis 100 Millionen US-Dollar zu sammeln, was mit Hilfe der App Zygo erreicht werden soll.
Ein wesentlicher Aspekt der Wiedereingliederung der Kinder in das normale Leben ist es, eine liebevolle Familie zu finden, die sie aufnimmt. Die Organisation richtet daher für jedes Kind einen Treuhandfond ein, um die finanziellen Bedürfnisse der Aufnahmefamilien, die in Zukunft für die Betreuung dieser Kinder verantwortlich sein werden, zu decken. Gleichzeitig soll das Potenzial der Kinder gefördert werden. Darüber hinaus wird eine Bindung der Kinder mit der dynamischen Technologie- und Geschäftswelt Israels angestrebt, um ein Netzwerk zu schaffen, das es den Kindern ermöglicht, sich sowohl persönlich wie auch beruflich zu entfalten. Wenn die Kinder älter werden, umfasst dies den Zugang zu Mentoring, Jobs und vielfältigen Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung, um eine positive Zukunft aufzubauen