Art & Fashion

Die israelische Designerin Dana Cohen gilt als Vorreiterin der textilen Wiederverwertung in der Modewelt und wurde für ihre Kollektionen mehrfach ausgezeichnet.

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An der Nahtstelle zwischen Mode und Kunst: Dana Cohens Recycling-Prozess in der Ausstellung Soft Worlds im Tel Aviv Museum. © Daniela Segenreich

„Fast fashion“ ist dieser vernebelte Begriff, von dem wir alle wissen, dass er etwas mit Schnelllebigkeit und Verschmutzung zu tun hat, den wir aber meist nicht direkt mit unserem persönlichen Kaufverhalten in Verbindung bringen. Und so kommt es, dass zwar Umweltaktivist:innen versuchen, das Bewusstsein der Konsument:innen für die Gefahren und die Auswirkungen von zügellosem Shopping auf unsere Umwelt zu schärfen, die Modeindustrie sich aber weiterhin an saftigen Gewinnzuwächsen erfreut. Einen Lichtblick schaffen jetzt auch in Israel die alternativen Lösungen, die innovative, junge Designer:innen auf dem Gebiet einschlagen.

Mit ihren recycelten Kollektionen Worn again und City Growth heimste die junge israelische Designerin Dana Cohen viele Preise ein und half mit, die Wiederverwertung von Textilien auch hier in Israel zum Thema zu machen. Begonnen hat Cohen ihren Weg, indem sie aus entsorgter Kleidung Kollektionen kreierte, von denen jedes Stück beinahe ein kleines Kunstwerk war. Damit war sie eine der Ersten in der Modebranche, die den Trend zur „Sustainability“, also Nachhaltigkeit, in Israel aufgriff. Die Absolventin der Shenkar-Hochschule für Design hat ihren geschärften Blick auf die Umweltsünden der (Textil)- Industrie von einem Studienaufenthalt in Amsterdam mitgebracht. Dort begegnete sie erstmals Umweltaktivisten, die einen alternativen, neuen Zugang zu Mode propagierten, und verstand, dass man auch anders arbeiten kann und dass sich etwas ändern muss.

Das war 2015, als Nachhaltigkeit in Israel noch kein Thema war. „Es war mein letztes Studienjahr. Ich saß im Atelier und schaute auf die vielen Textilien, die sich da angesammelt hatten, und es fühlte sich falsch an“, erinnert sich Cohen an den Beginn ihrer Arbeit in diese neue Richtung: „Ich dachte: ‚Was für eine Vergeudung! Was tun mit diesen vielen Kleidern?‘ Das brachte mich auf die Idee, recycelte Gewebe als Basis für meine Abschlusskollektion zu verwenden.“ Materialien und deren ästhetisches Potenzial haben die heute dreißigjährige Designerin immer schon fasziniert und so begann sie zu experimentieren.

© Daniela Segenreich

Lebenszyklen: Dana Cohen hat einen Weg gefunden, Kleidungsstücke, die als „nicht mehr tragbar“ gelten, zu neuem Leben zu erwecken. Sie werden zu monochromen Fasern zerkleinert (oben), zu neuen recycelten Textilien verfilzt, zugeschnitten (Mitte) und zu neuen Kleidungsstücken wie dem NASA-Mantel (unten) verarbeitet.

© cohendana.com

In einer Fabrik, die aus textilem Abfall Isolierungen für den Häuserbau herstellt, fand sie Säcke voll weggeworfener Kleidung, die zu Isoliermaterial zusammengepresst werden sollten: „Es störte mich irgendwie, dass diese Kleidungsstücke, die einmal getragen worden sind und eine Geschichte haben, zu etwas ‚Niedrigerem‘, Wertlosen verwendet werden“, erklärt sie die Entstehung ihrer ersten Kollektion: „Ich wollte die Textilien wieder zu Kleidung machen, ihnen ein neues Leben verleihen und sie in etwas Ästhetisches zurückverwandeln. Heute machen das ja bereits viele große Unternehmen.“ Es gelang ihr, eine Technik zu entwickeln, mit der sie die Garne der Gewebe nach ihren Farben separieren kann. Dann setzt sie sie neu zusammen, indem sie die so erhaltenen Fasern zu Filz verarbeitet. Das Ergebnis ist mehr als erstaunlich, und ihre so teils aus selbstgewebten Strickstoffen, teils aus weichem, wolkigen Filz entstandenen Kleidungsstücke und Kunstkreationen wurden inzwischen bereits in mehreren Museen ausgestellt.

 

„Ich wollte die Textilien wieder in Kleidung zurückverwandeln,
ihnen ein neues Leben verleihen.“
Dana Cohen

 

Mit dem Preisgeld, das ihr diese erste Kollektion einbrachte, eröffnete Cohen ihr eigenes Studio und kreierte die zweite, kommerziellere Kollektion City Growth, die sich mit dem Thema der Urbanisierung auseinandersetzt und darauf aufmerksam machen will, wie Felder und Wälder durch Industrialisierung und Verschmutzung immer mehr zurückgedrängt werden. Natur und deren Erhaltung waren für die Designerin und Künstlerin schon immer ein wichtiges Thema. Wie ihre britische Kollegin Amy Powney ist auch Cohen auf dem Land, in einer Moschav, aufgewachsen. Auch ihr Vater ist Farmer, doch die vermehrte Bautätigkeit in Israel brachte ihn um einen Großteil seiner Felder.

Um also ein Statement zu setzen, ließ sie sich bei den Mustern und Effekten ihrer selbstgemachten Stoffe von Fotografien der NASA inspirieren, die das Verschwinden von Naturgebieten und die fortschreitende Urbanisierung auf der Erde im Laufe der Jahre aufzeigen. Die neue Kollektion wurde gleichzeitig auf den Laufstegen der Modewochen in Tel Aviv und Vietnam lanciert. Es folgten Einladungen vom Jerusalemer Israel Museum, wo ihre Kreationen in der Ausstellung Fashion Statements gezeigt wurden, vom Museum Eretz Israel, wo sie im Rahmen der heurigen Design-Biennale einen riesigen interaktiven Wandteppich ausstellte, und von anderen Design- und Kunstmuseen im In- und Ausland.

© cohendana.com

Heute wandelt sie, wie sie es beschreibt, „an der Nahtstelle zwischen Mode und Kunst“, fühlt sich aber mehr und mehr zur Kunst hingezogen. Sie will beim ununterbrochenen Produzieren von Mode nicht mehr mitmachen und bringt ihre Kritik in ihren Werken zum Ausdruck. In ihrem Atelier in der Tel Aviver Dependance der Bezalel-Kunstschule fährt sie mit der Entdeckungsreise in „die Welt der Schönheit von Materialien“ fort. Sie experimentiert mit den recycelten und nach Farbschattierungen geordneten Fasern, mit bunten Plastiksäcken, Construction-Tape, zerlegten Industrienetzen oder mit ihren eigenen Mode-Labels, deren Stücke sie, gegen ihre Überzeugung, zu Tausenden produzieren lassen musste. Dabei bleibt ihr Statement weiterhin gültig: „Abfall kann einen Wert haben, und wiederverwendete Materialien können zu etwas Wertvollem verwandelt werden, das vorher nicht vorhanden war.“

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