Den zionistischen Traum leben – im Einklang mit der Natur

Auf Anregung des Staates gründeten umweltbewusste Stadtbewohner:innen alternative Gemeinschaftssiedlungen in Galiläa. Als die Region Profit versprach, wurden sie von der Landverwaltung als Eindringlinge gesehen, deren rechtlicher Status zurzeit ungeklärt ist.

1324
Eyal Ansbacher ist Gründungsmitglied der kleinen Ortschaft Klil. Foto: Tal Leder

Laut jährlichem Bericht des Nachrichtenmagazins The Economist gehört Tel Aviv zu den acht teuersten Großstädten weltweit. Wer in der israelischen Mittelmeer-Metropole wohnt, nimmt hohe Lebenshaltungskosten in Kauf. Überhaupt belasten die steigenden Ausgaben, darunter teure Mieten, die Gesamtbevölkerung. Ein Grund, weshalb sich in den letzten Jahren viele nach alternativen Wohnmöglichkeiten umsehen. Während zahlreiche Israelis den Kibbuz für sich wiederentdeckt haben, machten manche ihr eigenes Boot in der Marina zu ihrem neuen Zuhause. Andere sahen diese Probleme schon Jahrzehnte voraus und gründeten ökologische Siedlungen, die von der Regierung allerdings bis heute als rechtswidrig eingestuft werden.

„Ich habe mein Haus ohne Baugenehmigung gebaut“, erzählt Eyal Ansbacher, Yoga-Lehrer und Gründungsmitglied der kleinen Ortschaft Klil in Westgaliläa. „Es liegt sogar ein Abrissbefehl vor. Das gleiche Schicksal droht hier vielen.“ Die ökologisch kommunale Siedlung liegt zehn Kilometer östlich von Naharija und wurde 1979 von einigen Stadtbewohner:innen gegründet, die nach Veränderung und mehr Lebensqualität suchten. Es wurde nach den antiken Klil-Ruinen (hebräisch: Hurvat Klil) benannt, die in der Gegend entdeckt wurden. Die Neuankömmlinge kauften privates Agrarland von Grundbesitzern in benachbarten Dörfern sowie Staatsgrundstücke mit Unterstützung der Jewish Agency, die ihnen eine Fläche von 10.000 Quadratmetern übertrug. Allerdings bauten sie darauf ohne Genehmigung und Lageplan ihre Häuser. Später kamen noch ehemalige Siedler aus dem Sinai dazu.

Was als sozioökologische Bewegung begonnen hat, steht heute möglicherweise vor dem Aus. Foto: Tal Leder

Ohne Zaun und Abgrenzung liegt das Dorf mit seinen 1.000 Bewohner:innen in einem Waldstück zwischen großen Olivenhainen. Es gibt keine kommunalen Dienstleistungen oder gar ein Zentrum. Auch besitzt Klil kaum asphaltierte Straßen und ist nicht an das nationale Elektrizitätsnetz angeschlossen. Seine Bewohner:innen müssen ihren eigenen Strom hauptsächlich durch Solar- und Windkraft erzeugen. Der Großteil des Abfalls wird recycelt, ebenso das Wasser. „Unsere Energien sind begrenzt“, lacht der 53-jährige Ansbacher. „Im Winter fiel manchmal der Strom aus. Meine Kinder konnten ihre Hausaufgaben nicht beenden und dadurch am nächsten Tag nicht zur Schule gehen.“ Der besondere Charakter der Siedlung zieht den lokalen Tourismus an, und im Laufe der Jahre wurden dort viele Gästezimmer, Restaurants und Geschäfte mit Kunsthandwerk sowie landwirtschaftlichen Produkten, u. a. Bioolivenöl, eröffnet. Während die Häuser der Bewohner:innen sich in die grüne Umgebung der Siedlung einfügten und der Staat ein Programm zur Judaisierung Galiläas initiierte, passte diese ökosoziale Vision zu den demografischen Plänen Israels. Der illegale Bau auf landwirtschaftlichem Boden florierte, und dank des Profits schlossen die Behörden anfangs ihre Augen. „Bei meinen ersten Häusern hatte ich noch eine Erlaubnis“, erklärt Ansbacher. „Danach sagte mir der Staat, dass ich ohne Probleme weiterbauen kann. Bis sich die Situation änderte: Erste Abrissbefehle und Klagen folgten.“

„Die Bewohner von Klil und Kadita
sind Pioniere und leben den zionistischen Traum.“
Eyal Ansbacher

 

Nicht nur die Bewohner:innen hatten das wirtschaftliche Potenzial des günstigen Landes um Klil herum entdeckt: Im Laufe der Jahre wurde aus einer zionistischen Siedlervision ein Profitprojekt für Spekulanten. Es dauerte nicht lange, bis der Staat beschloss, zwar die Wohneinheiten für 180 Familien zu erweitern, aber illegales Bauen zu verbieten. Und so wurden aus zionistischen Pionieren plötzlich Kriminelle. Mittlerweile haben die Behörden Dutzende provisorische Unterkünfte zerstört.

Ökologisches Pionierprojekt vor dem Aus. Ähnlich erging es auch Kadita, einem ökologischen Dorf auf dem Berg Koter in Obergaliläa, acht Kilometer nördlich von Safed, unweit der libanesischen Grenze. 1988 wurde der ehemalig arabische Ort von vier Familien gegründet – darunter Tamar Har Zahav, Tochter des berühmten Fotografen David Rubinger –, die im Rahmen einer Sondervereinbarung mit der israelischen Landverwaltung Boden im Austausch für ihr Privatland am Berg Meron auf den Golanhöhen erhielt. Sie kaufte den drusischen Bewohnern von Beit Jan ein Stück Land ab, mit der Absicht, ein Naturschutzgebiet zu errichten. Als Har Zahav es nicht realisieren konnte, erlaubte ihr Ariel Sharon, damals Wohnbauminister, nach einem alternativen Gebiet in Galiläa zu suchen. Man wurde in Kadita fündig, wo die Gräber einiger berühmten Rabbiner aus dem ersten Jahrhundert als Pilgerstätte dienen.

„Ich gründete 1991 einen Verein mit dem Ziel, eine ökologische Siedlung in Kadita zu errichten“, erzählt Moshe Elbaz, studierter Landwirt. „Ich wollte mit meiner Familie im Einklang mit der Natur leben. Dafür erhielt ich sogar den Segen von Sharon.“ In einem offiziellen Schreiben bestätigte das Ministerium seine Unterstützung für die Errichtung der Siedlung. Es belegt auch, dass die israelische Landverwaltung die Bodenverteilung an die Siedler:innen durchführen würde. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung wanderten 20 Familien in die Siedlung ein. Sie bauten provisorische Häuser und begannen, das Land zu kultivieren. Mittlerweile leben knapp 200 Menschen in dem alternativen und autarken Dorf, in dem sie ihren eigenen Strom, ebenfalls durch Solarund Windkraft, erzeugen.

 

Foto: Tal Leder

„Die Menschen hier verfolgen eine umweltbewusste Agenda.
Sie gründeten
den Ort, um in Einklang mit der Natur zu leben.“
Moshe Elbaz

 

„Leider haben sich die Staatsbeamten nicht an ihr Versprechen gehalten und viele Häuser um die Ortschaft herum ab- gerissen“, erzählt Elbaz. „Sie haben uns Hindernisse in den Weg gelegt und nur die Gründerfamilien anerkannt. Die Regionalverwaltung wollte kein ökologisches Dorf, sondern eine Gemeinschaftssiedlung mit mehr als 150 Wohneinheiten.“ Daneben soll auch ein Komitee gegründet werden, das über die Aufnahme in die Siedlung entscheidet. Der Agronom sieht darin eine Zerstörung von Kadita: „Die Menschen hier verfolgen eine umweltbewusste Agenda. Sie gründeten den Ort, um in Einklang mit der Natur zu leben und nicht, damit Spekulanten das meiste Geld bieten, um hier eine Stadt zu bauen und den Wald zu zerstören. Wir sind ökologische Beduinen und gekommen, um zu bleiben.“

Während sich die ökologischen Dörfer als regionale Zentren für Bildung und nachhaltiges Leben bezeichnen, sieht der Staat deren Bewohner:innen als Kriminelle an, die illegal Land besetzen. In Kadita und Klil dauert der Rechtsstreit schon Jahrzehnte, zwischen den Parteien dominieren Misstrauen und Feindseligkeit. „Es wurden auf allen Seiten Fehler ge macht“, erklärt Uri Ilan, Vorsitzender des Bezirksausschusses in Nord-Israel. „Der Staat ließ sie anfangs gewähren, und die Siedler:innen nutzten diese Situation aus. Viele wollten das Gesetz in seiner jetzigen Form auch nicht durchsetzen, denn dann hätte man die Häuser der Gründerfamilien sofort abgerissen.“

Nach ersten gescheiterten Versuchen des Staates und der Anwohner:innen, einen Rahmenplan zu vereinbarten, wurde vor zehn Jahren ein Ausschuss eingerichtet, um grundsätzliche Planungsfragen sowie die gesetzliche Regelung der Wohneinheiten festzulegen. So gab es zwar eine Erweiterung für beide Dörfer, aber auch den Abriss Dutzender Häuser, die weiter entfernt von den Siedlungen gebaut worden waren. „Wir hatten keine Wahl“, sagt Ilan vom zuständigen Bezirksausschuss. „Das oberste Gericht Israels beschloss ihre Auflösung.“

Foto: Tal Leder

Ziel war es, den bestehenden Bauzustand mit der Notwendigkeit der Erhaltung von Grünflächen und einer akzeptablen Basis für die Bewohner:innen in Einklang zu bringen und gleichzeitig Landressourcen zu schonen sowie die Grenzen benachbarter Orte und ihrer Territorien zu berücksichtigen. Doch trotz Erstellung des Rahmenplans wurde dieser je hinterlegt noch gefördert. Aufgrund der fehlenden genauen Definition des Begriffs „ökologische Siedlung“ sind diese weiterhin gesetzlich umstritten: „Laut Thora ist es für das jüdische Volk eine Mitzwa (hebr., Gebot), ganz Eretz Israel zu besiedeln. Alle Regionen Israels, einschließlich der ödesten Gebiete“, erläutert Eyal Ansbacher aus Klil. Dass der Staat sich querstellt, versteht er nicht, und er erklärt, dass die Siedlungen in Galiläa nicht mit denen in Judäa und Samaria zu vergleichen sind. Letztere werden von der internationalen Gemeinschaft als illegal eingestuft. „Die Bewohner von Klil und Kadita sind Pioniere und leben den zionistischen Traum: Das Volk Israel im Lande Israel“, erklärt der Yogi.

 


* Mit Jischuw bezeichnet man die jüdische Bevölkerung und das Gemeinwesen in Palästina vor der Gründung des Staates Israel.
** Der Moschaw ist im Unterschied zum Kibbuz eine genossenschaftlich organisierte ländliche Siedlungsform, deren Güter sichteils in Kollektiv-, teils in Privateigentum befinden.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here