Die anderen Kindertransporte

Ein neuer englischer Film porträtiert Nicholas Winton, einen Börsenhändler, der mehr als 600 jüdische Kinder aus der Tschechoslowakei rettete. Anthony Hopkins spielt den reifen Winton, Helena Bonham Carter die Mutter des jungen, Regie führt James Hawes.

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Eine Gruppe von geretteten Kindern im Hafen von London bei ihrer Ankunft im Februar 1939. © Bundesarchiv, Bild 183-S69279 / CC-BY-SA 3.0 (Deutschland)

Die Präsentation von One Life fand in Kanada statt, beim Toronto Film Festival im September. Ein Kritiker des Guardian schrieb zwar über eine „zeitweise Nähe zu einem BBC-TV-Drama“, bemerkte aber, dass es am Ende des Streifens kaum noch trockene Augen gegeben hatte.

Der Film porträtiert den weithin unbekannten englischen Börsenhändler Nicholas Winton und seine Hilfsaktion für jüdische Kinder aus der von den Nazis überfallenen Tschechoslowakei im Jahr 1939. Dafür wurden einige international bekannte Schauspieler engagiert, etwa Anthony Hopkins. Dieser spielt den gealterten Winton, der im Nachkriegsengland bescheiden und unerkannt lebte. Der junge Winton wird vom britischen Sänger und Schauspieler Johnny Flynn dargestellt, seine Mutter von Helena Bonham Carter.

Der historische Winton wurde als Nicholas Wertheimer 1909 in West Hampstead geboren und anglikanisch getauft. Seine jüdischen Eltern waren 1907 aus Deutschland eingewandert und zum Christentum konvertiert. Er sollte bei mehreren Banken arbeiten und Karriere als Börsenhändler machen.

 

Es ist den herausragenden
Schauspieler:innen zu danken,
dass dieser
Film zu Tränen rührt.

 

 Im Dezember 1938 lud ihn ein Freund nach Prag ein, und er verzichtete auf seinen eigentlich geplanten Skiurlaub in der Schweiz. Der Freund arbeitete in der Tschechoslowakei für das British Committee for Refugees from Czechoslovakia. Dieses half Flüchtlingen aus dem gerade annektierten Sudetenland. Winton besuchte mehrere bereits gefüllte Flüchtlingslager in der noch unbesetzten Tschechoslowakei, war aber überzeugt, dass dies nicht so bleiben würde. Entweder würde es Krieg geben, oder die Deutschen würden die restliche Tschechoslowakei über kurz oder lang ebenfalls okkupieren.

Star-Besetzung mit Anthony Hopkins als Nicholas Winton. ©moviepilot.de

Winton hatte mitbekommen, was sich in Deutschland und im angeschlossenen Österreich rund um die Kristallnacht an Grausamkeiten gegen Juden und Jüdinnen abgespielt hatte. Und er hatte ebenfalls von den angelaufenen Kindertransporten gehört, die unbegleitete jüdische Kinder nach Großbritannien brachten – es sollten insgesamt rund 10.000 werden. Etwas Ähnliches wollte er von Prag aus organisieren.

Er ging schnell ans Werk, scharte eine kleine Gruppe Helfer um sich und begann zunächst von einem Hotel aus, später mit einem eigenen Büro, Eltern zu empfangen, die ihre Kinder in Sicherheit bringen wollten. Dann kehrte er nach London zurück, arbeitete während des Tages an der Börse und kümmerte sich nach dem Job um Spendengelder für die Garantiezahlungen, die die britische Regierung pro Kind verlangte – jeweils 50 Pfund.

Nicholas Winton (1909–2015) rettete in
der Shoah mehr als 600 jüdischen Kindern
das Leben. ©moviepilot.de

Daneben sorgte er für die notwendige Organisation der Reisen – es waren insgesamt acht per Flugzeug und mit der Bahn –, und er sammelte Freiwillige, die als Gastfamilien Kinder aufnehmen könnten. Insgesamt dürfte Winton auf diese Weise 669 Kinder gerettet haben. Teilweise handelte es sich bei ihnen um jüdische Kinder aus Österreich und aus Deutschland, die zuvor mit ihren Eltern in die Tschechoslowakei geflohen waren.

Nach dem Krieg lebte Winton bescheiden, und kaum jemand wusste von seinen Leistungen. Erst als seine Frau Grete 1988 ein Büchlein mit Kinderfotos und vollständigen Namenslisten fand, erfuhr zumindest eine Teilöffentlichkeit von ihm. Ezer Weizman bedankte sich in einem Brief bei ihm, Winton erhielt mehrere Ehrungen in Prag. Im Jahr 2002 schlug ihn Königin Elizabeth II. zum Ritter. Winton starb 2015 in England.

In England soll One Life mit Anthony Hopkins und Helena Bonham Carter ab Ende Dezember in die Kinos kommen, der Zeitpunkt des Filmstarts in Österreich ist noch nicht bekannt.

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