BORIS ABAIEV, 19
„Diese Kette mit einem Davidstern hat mir meine Oma geschenkt, und sie ist für mich mit einer wichtigen Erinnerung verbunden. Meine Oma, es ist die Oma väterlicherseits, lebt noch. Die Kette erinnert mich an eine Begebenheit, die mein Urgroßvater väterlicherseits erlebt hat und die schlecht geendet hat. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion von den Nazis verschleppt und bekam dabei mit, wie ein Freund von ihm, der eine Kette mit einem Davidstern trug, sodass man ihn gleich als Jude erkannte, sofort erschossen wurde. Er selbst konnte sich retten, indem er in ein Loch sprang und dann in sein Dorf zurückrannte. Von diesem wurde er in der Folge allerdings verstoßen, weil man ihn bezichtigte, ein Spitzel zu sein. Die Kette erinnert mich an diese Geschichte.
Ich habe in meiner Familie gelernt, dass Menschen, die bereits verstorben sind, an die man sich aber erinnert, weiterleben. Das ist auch im Großen wichtig.
Wenn ich im Rahmen von Light of Hope durch die Stadt gehe, ist das außerdem auch ein stolzes Gefühl. Es ist wie eine gemeinsame, innere, lange Schweigeminute.“
SHARON NAGY, 17
„Diese Fiddler on the Roof-Statue ist die letzte Erinnerung an meine Uroma. Als sie verstorben ist, durften sich alle Urenkelkinder Gegenstände aus ihrer Wohnung aussuchen. Ich habe mich für diese Figur entschieden. Ich weiß zwar nicht, wie sie zu dieser Figur kam, aber sie stand immer in ihrer Wohnung und ist nun für mich eine schöne Erinnerung. Für mich ist ein großer Aspekt von Erinnerung die Familie. Wenn ich an Erinnerungen denke, denke ich an meine Vorfahren, an unsere Familiengeschichte, an meine Kindheit.
In meiner Familie gab es auch eine Verfolgungsgeschichte im Nationalsozialismus, aber wir reden nicht viel darüber.
Ich würde mir wünschen, mehr über meine Familiengeschichte zu wissen. Ich gehöre zur letzten Generation, die überhaupt noch mit Holocaust-Überlebenden sprechen kann. Am Light of Hope nehme ich jedes Jahr mit meiner Jugendorganisation teil. Ich finde, das ist ein sehr wichtiges Zeichen.“
VIVIENNE DAWARASCHWILI, 17
„Eine schöne Erinnerung ist für mich die Einladung zu meiner Bat Mitzwa. Es war ein schöner und lustiger Abend. Gerade bei so einem Fest geht es auch um Gemeinschaft, um Familie, um Freunde.
Erinnerung ist einerseits etwas Persönliches, andererseits etwas Generelles.
Man schaut zurück, und da gibt es Emotionales, aber auch Dinge, die andere erlebt haben und aus denen man lernen kann. In meiner Familie gibt es keine NS-Verfolgungsgeschichte – mein Vater stammt aus Georgien, kam aber selbst schon als kleines Kind nach Österreich, meine Mutter kommt aus Rumänien. Zu Georgien habe ich keinen großen Bezug mehr, ich war nur einmal dort. Dennoch finde ich es wichtig, dass die jüdische Jugend mit dem Light of Hope ein Zeichen setzt. Es geht darum, nicht zu vergessen, gemeinsam zu gedenken, aber auch darum, darauf zu achten, dass so etwas nicht mehr passiert. Wenn wir gemeinsam durch die Stadt gehen, zeigen wir auch unseren großen Zusammenhalt innerhalb der jüdischen Gemeinde.“
YAEL NEUBAUER, 17
„Ich habe diese Kette mit einem Chaj-Anhänger von meiner Uroma bekommen. Sie erinnert mich daran, wie speziell sie war. Als ich die Kette bekommen habe, hat ihr nur der Anhänger gefallen, und ich musste mit ihr in fünf, sechs Geschäfte gehen, bis sie die perfekte Kette dazu gefunden hat. Und dann musste auch die perfekte Länge angepasst werden. Ich habe die Kette zu ihrem Begräbnis vor zwei Jahren zum ersten Mal angelegt und trage sie seitdem jeden Tag.
Erinnerung ist in unserer Familie ein wichtiges Thema.
Meine Urgroßeltern, die die Shoah erlebt haben, haben allerdings nicht so gerne darüber geredet. Meine Großeltern wollen mit mir darüber sprechen, aber sie können nicht so viel sagen, weil sie selbst nicht so viel wissen. Aber über das, was wir wissen, sprechen wir viel. Die Shoah ist insgesamt unter jüdischen Jugendlichen ein Thema. Bei nichtjüdischen Jugendlichen ist es anders. Ich mache Ballett und habe dort auch eine große Gruppe von nichtjüdischen Freundinnen. Vereinzelt gibt es da schon auch welche, die Interesse am Thema haben und mich fragen, wie war das damals für deine Familie und wie ist das jetzt für dich. Aber der Großteil will nicht über die NS-Zeit reden.“
AVIVA FOLGER, 16
„Meine Mutter hat mir diesen Siddur geschenkt, und er hat für mich eine große Bedeutung. Ich nehme ihn auf jede Reise mit, und dadurch ist er mit zahreichen schönen Erinnerungen verbunden. Erinnerungen sind für mich sowohl persönlich wie auch kollektiv von Bedeutung. Es sind Erinnerungen an Erlebnisse mit meinen Eltern, Großeltern, Geschwistern. Aber es gibt auch die Erinnerung an die Verfolgungsgeschichte, in der sowohl traurige wie auch positive Momente miteinander verflochten sind.
Ich bin mit den traurigen und den schönen Geschichten meiner Familie aufgewachsen. Bei uns wurde immer offen über alles gesprochen, und so weiß ich viel über die Geschichte meiner Familie.
Ich finde es auch wichtig, über das zu sprechen, was während der NS-Zeit geschehen ist. Seit mehreren Jahren nehme ich am Light of Hope teil, denn ich finde es wichtig, das die Jugend hier ein Zeichen setzt und sagt, dass wir niemals vergessen werden“
JACK DAUBER, 17
„Ich habe meine Tefillin mitgebracht. Sie stehen für mich für Demut, Verantwortung und Vergangenheit. Demut, weil sie mich daran erinnern, nicht übermütig und arrogant zu sein. Sie sind ein Zeichen eines Bundes mit G-tt und erinnern mich an meine Religion. Verantwortung, weil ich sie von meinem Großvater bekommen habe. Mit der Bar Mitzwa gehen die Sünden, aber auch die guten Taten auf das eigene Konto. Und mein Großvater bringt mich auch zum nächsten Punkt: Vergangenheit. Meine Vorfahren waren alle praktizierende Juden.
Die Tefillin erinnern mich also auch daran, woher ich komme, aber auch an die Verbundenheit mit dem Staat Israel und mit anderen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde.
Beim Light of Hope kann man durchaus mit stolzer Brust durch die Stadt gehen; es zeigt die Präsenz des jüdischen Volkes auch in Wien und hoffentlich auch, dass man sich nicht unterkriegen lässt. Es geht bei diesem Marsch nicht darum, andere einzuschüchtern, sondern darum, an die Verbrechen in der Vergangenheit zu erinnern und gleichzeitig zu zeigen, dass heute dennoch Juden in Wien leben. Das Beste, was man gegen systematische Ermordung, Vertreibung und Diskriminierung tun kann, ist zu zeigen, dass es ein blühendes jüdisches Leben gibt.“