Es herrschen dunkle Tage. Tage, die dennoch Licht werfen auf das, was lange unter weichen Teppichen lag, gemütlich eingekuschelt unter der gewebten Wolle, verborgen hinter buntem Plüsch, fast nicht mehr da, wirklich, fast gar nicht mehr da. Tragödien wie das Massaker in Israel, das die Hamas an der Zivilbevölkerung verbrochen hat, lösen zuerst eine primäre Welle des Entsetzens aus. Nach und nach kommen schreckliche Details ans Licht. Geköpfte und verbrannte Babys, ermordete Väter und junge Männer, vergewaltigte und entführte Frauen, Frauen, die man blutverschmiert durch Gaza treibt, während rundherum Menschen Freudentänze aufführen und „Allahu Akbar“ brüllen. Es ist schlimmer als das Schlimmste, das man erwartet hat.

Und dann kommt die Sekundärwelle. Menschen, denen man bis dahin vertraut hat, solange der weiche Teppich über dem Unaussprechlichen lag, rücken weg. Sie sind nicht solidarisch. Sie sind solidarisch, aber. SOLIDARISCH, ABER IST NICHT SOLIDARISCH. Das ist pure Relativierung des Furchtbaren, das ist Verharmlosung des Terrors, das ist getreu dem Motto, Israel hätte einen zu kurzen Rock getragen. Man diskutiert und fühlt, wie sich der Boden unter einer öffnet, es liegt ja kein kuscheliger Teppich mehr darüber, die Faserrisse wachsen sich aus zu Sprüngen, die Sprünge zu Schluchten. Das sind ja Menschen, denen man vertraut hat. Das sind ja keine fremden Menschen. Und man weiß, dass es nicht mehr möglich ist, den Teppich darüber zu legen, weil ein Teppich über Unausgesprochenes passt, aber nicht über Schluchten.

[…] das ist getreu dem Motto,
Israel hätte einen zu kurzen Rock getragen.

Dann aber kommt die dritte Welle. Das sind die Demos mitten in Wien, in denen der blanke Antisemitismus hinausgespien wird. Mit erhobenen Fäusten. Mit aufgerissenen Mündern. Mit Hass in den Augen. Die erste Demo wird toleriert. Die zweite wird untersagt, findet aber dennoch statt, eine lange, lange Zeit. Die, die solidarisch, aber sind, erwähnen nun die Meinungsfreiheit. Sie sind nicht mehr solidarisch und nur noch aber. Mordlust ist keine Meinungsfreiheit, will man einwenden, und dann bekäme man zu hören, wie einseitig man sei und wie aggressiv. Frauen, die eigentlich immer für Frauenrechte eintreten, finden plötzlich keine klare Verurteilung der Gewalt, die Frauen in Israel erleiden mussten. Sie schweigen verschämt. Wenn sie nur schweigen, denkt man, ist es immerhin noch nicht so, dass sie diese Gewalt irgendwie okay finden. Aber man weiß es nicht genau. Sie sagen ja nichts.

In der kommenden Woche soll die nächste Demo stattfinden, in der man von der Vernichtung Israels und von Tötung von Juden und Jüdinnen schwadronieren kann. Den Teilnehmenden der Solidaritätskundgebung ohne aber wurde im Anschluss an die Veranstaltung gesagt, man solle die Israelfahnen und sonstige eindeutig zuordenbare Gegenstände verborgen halten, es wäre wegen der Sicherheit.

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