Eine schwierige Erbschaft

Noch stehen die 42 Figurinen des Trachtensaals im Volkskundemuseum Graz wie ausrangierte Schaufensterpuppen hinter einem Absperrband in einem anderen Teil des Hauses. Einer Figur fehlt ein Arm, bei einer ruft ein Kleidungsstück nach einer kleinen Reparatur. Birgit Johler, Kuratorin des Museums, hat mit der Neuaufstellung des Trachtensaals allerdings mehr als kosmetische Korrekturen im Sinn. Ihr geht es um eine historische Einordnung und ideologische Kontextualisierung, denn, wie sie im Gespräch mit WINA betont: Beim 1938 eröffneten Trachtensaal handle es sich um „eine schwierige Erbschaft“.

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Mit starrem Blick schauen die Figurinen über die Besucher:innen hinweg. © Alexia Weiss; Nikolaus Lackner/UMJ

Die Historie des Trachtensaals ist komplex: Das betrifft die hier erzählte Geschichte ebenso wie die Gestaltung der Figurinen und die Auswahl der ausgestellten Kleidungsstücke. Das betrifft aber auch die involvierten Personen und ihre persönlichen Biografien. Ohne den jüdischen (später nach einem Übertritt 1919 protestantischen) Sammler Konrad Mautner wäre wohl nie das Steirische Trachtenbuch entstanden, auf Basis dessen der Begründer des Grazer Volkskundemuseums, Victor Geramb, in der Zeit des Austrofaschismus den Trachtensaal entwickelte, der schließlich ab 1938 für Besucher zugänglich war. Ihn beschreibt Johler als „katholisch und konservativ, zugleich deutschnational bis völkisch orientiert und vernetzt“. Als Begleittext wird im neu gestalteten Trachtensaal zu ihm zu lesen sein, dass er „eine deutsche Identität und reaktionäre Heimatbilder durch Volksbildung, Trachtenpflege und Heimatschutz-Vereine wie den ‚Deutschen Schulverein Südmark‘“ propagiert habe.

Für die Herstellung der aus Zirbenholz geschnitzten Figuren verpflichtete Geramb verschiedene Künstler. Da war zum einen der damals noch junge Bildhauer Alexander Silveri, da war zum anderen aber auch Hans Mauracher. Er war bereits seit 1933 illegales NSDAP-Mitglied und leitete ab 1939 die Reichskunstkammer im „Gau Steiermark“. Er schuf zumindest vier der 42 Figuren und schrieb sich dabei gestalterisch mehr ein, als es der Auftraggeber Geramb wünschte, wie Johler erzählt. Gesichert ist, dass er die Figurine des „Einlegers“ gestaltete.

Ehrenscheibe für den Sammler Konrad Mautner im Volkskundemuseum Graz, Öl auf Holz, vermutlich aus den 1930er-Jahren. © Alexia Weiss; Nikolaus Lackner/UMJ

Anders als vom Museumsdirektor gewünscht, der um glatte, eher maskenhaft gestaltete Gesichter gebeten hatte, versah Mauracher diese Figur eines armen Mannes, der von der Gemeinde versorgt wurde, mit tiefen Furchen im Antlitz und auf den Händen. Das stand Gerambs Konzeption entgegen: Dem Austrofaschismus entsprechend sollte hier einerseits eine ständische Ordnung wiedergegeben werden. Andererseits könnten die Figurinen mit glatten Gesichtern auch als Zeichen für die angestrebte Systemkonformität gelesen werden, so Johler. Sozialkritik, wie von Mauracher hineingetragen, war dagegen nicht die Intention.

Sehr wohl intendiert war dagegen auch von Geramb die deutschnationale beziehungsweise völkische Perspektive, sagt die Kuratorin. Mit dem Trachtensaal wollte der Museumsleiter die Vorstellungen von gemeinsamer Abstammung und einer daraus gewachsenen sozusagen „organischen Verbindung von Menschen, Sprache, Land und Kultur – dem Volkstum – propagieren“, erläutert Johler weiter. In den 1930er-Jahren hätten sich – schon vor der NS-Zeit – in der Steiermark Deutschnationalismus und das so genannte Steirertum verbunden. Bereits 1922 schrieb Geramb in der Publikation Von Volkstum und Heimat. Gedanken zum Neuaufbau: „Zu einem starken Baum sind so all jene Kräfte verwachsen, zu einem Baum, über dem die Sonne des Volkstums und der Heimat leichten und dessen Wurzeln Kraft und Trieb saugen aus dem blutgedüngten Boden deutscher Erde. Pfleger des Baumes aber soll unsere deutsche Jugend sein, auf die wir unsere ganze Hoffnung legen.“

Woran aber kann man nun diese deutschnationale und auch völkische Ausrichtung im Trachtensaal festmachen? Etwa an der Figur des „Ostgermanen“ aus der sogenannten Völkerwanderungszeit. Er wurde von Geramb mit gefärbter und vierschäftig gewebter Kleidung und dementsprechenden Schuhwerk ausgestattet. Mit dem gewählten Gewebe sollte vor allem eine Kontinuität des Materials Loden verankert werden. „Die Herstellung von Loden ist in der Steiermark schon lange nachgewiesen, unter anderem aus der Hallstatt-Zeit.“

In derselben Vitrine finden sich allerdings auch die beiden Figuren „Slawe und Slawin in Urtracht“. Diese so genannte Urtracht – ein Verweis auf die volkskundliche Suche nach dem „Primitiven“ –, die im Begleittext als bis ins 19. Jahrhundert getragen beschrieben wird, besteht aus weißem Leinen. Beide Figuren tragen zudem keine Schuhe. Hier sehe man eine „Stereotypisierung durch den damaligen ethnologischen Blick“, erklärt Johler.

Die Wahl der weißen Gewänder verwundert auch, da zum Beispiel in Slowenien zur genannten Zeit für Trachten sehr bunte Stoffe gewählt wurden. Hier trägt dann eine 1942 publizierte Aussage von Melitta Maieritsch – sie nähte im Auftrag Gerambs einen Teil der Gewänder für die Figurinen – dazu bei, das Gesamtbild der Komposition dieses Saales besser zu verstehen: „Die starken Farben in der Tracht der slawischen Völker sind eine Gefahr, der durch Weckung des Stolzes auf die eigene Art begegnet werden muss.“

„Die Grundlseerin“: Diese Figur war der Schwester einer Schwiegertochter Konrad Mautners nachempfunden. © Alexia Weiss; Nikolaus Lackner/UMJ

Eine andere Deutung lässt aber nochmals eine ganz andere Interpretation zu. Gerade in der Zwischenkriegszeit schmerzte der Verlust der Untersteiermark. Seit dem Mittelalter war die slowenische Štajerska Teil des Herzogtums Steiermark gewesen, doch nach dem Ersten Weltkrieg fiel es an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Mit den beiden slawischen Figuren könnte Geramb also auch einen territorialen Anspruch erhoben haben. Als das NS-Regime das Gebiet 1941 eroberte, habe der Kreis um Geramb (der zu diesem Zeitpunkt das Museum nicht mehr leitete, aber weiterhin dort arbeitete – statt ihm war an der Spitze ein Mitarbeiter Gerambs, ein Nationalsozialist, eingesetzt worden) die „Heimkehr der Untersteiermark“ gefeiert worden.

Doch zurück zu den ausgestellten Gewändern: Nur ein Teil der Figuren wurden mit Originaltracht ausgestattet. Vieles ließ Geramb extra anfertigen. Er zog als Vorlagen verschiedenste Quellen heran: Diese reichten von archäologischen Funden über Kunstwerke aus Kirchen bis zu Aquarellen eines Kammermalers von Erzherzog Johann.

Die älteste Figur stellt einen „Hallstätter Bergmann“, zugeordnet der Zeit um 700 v. Chr., dar, die jüngste eine „Schladmingerin“ von etwa 1870. Doch auch die mit Originalkleidung ausgestatteten Figurinen zeigten nicht unbedingt tatsächlich das, was in einer Region getragen wurde. Da ist etwa die Figur der „Grundlseerin“. „Sie trägt nur ein Teil, das aus der Gegend rund um den Grundlsee stammt. Der Rest wurde zusammengestückelt, unter anderem aus den Beständen von Grazer Altwarenhändlern“, erläutert Johler. Die „Grundlseerin“ ist aber auch aus einer anderen Perspektive eine spannende Figur. Sie wurde wie ein Teil der anderen Figurinen auch nach dem Vorbild lebender Personen geschnitzt. Modell stand die in Grundlsee lebende Martha Schlömmer. Sie wiederum hatte eine Zwillingsschwester, Flora Schlömmer, und diese heiratete den ältesten Sohn Mautners, Heinrich. Damit schließt sich der Kreis zum eigentlichen Ideengeber für diesen Saal – wenngleich auch in völlig anderer Intention.

Ambivalente Beziehung. Mautner, 1880 in Wien als Sohn des Textilfabrikanten Isidor Mautner und dessen Frau Jenny geboren und aufgewachsen, entwickelte schon als Kind eine große Liebe zum Ausseer Land, wohin er mit den Eltern und Geschwistern immer auf Sommerfrische gefahren war. Als Erwachsener lebte er mit seiner Frau Anna und den Kindern zwar weiterhin in Wien, fuhr aber, wann immer es seine Arbeit in der Firma seines Vaters zuließ, an den Grundlsee und widmete sich seiner Leidenschaft: dem Sammeln und Dokumentieren von Trachten, Bräuchen und Liedgut der Region. Er hatte Geramb 1920 zur Mitarbeit am späteren Steirischen Trachtenbuches eingeladen und vier Jahre mit ihm zusammen daran gearbeitet. Er zeichnete schließlich für Teile der Recherchen verantwortlich. Die Veröffentlichung des ersten Teils des zweibändigen Werkes 1932 erlebte Mautner aber nicht mehr: Er starb bereits 1924. Und wenngleich Geramb den Freund in der Einleitung zu dieser Inventarisierung steirischer Trachten wortreich würdigte, erwies er im Vorwort auch dem rassentheoretischen und völkischen Zeitgeist Reverenz.

Neuaufstellung des Trachtensaals: Die Vitrinen bekommen eine Teilummantelung. Das schafft Distanz und bietet Platz für ausführliche Begleittexte. © Alina Rettenwander; Visualisierung: UMJ

Wie sich die Beziehung Gerambs und Mautners tatsächlich gestaltete, ist heute schwer zu greifen. In einem 1999 im Rahmen der Grundlseer Schriften veröffentlichten und von Nora Schönfellinger herausgegebenen Band über Konrad Mautner wird Geramb von Mautners Tochter Anna Wolsey-Mautner als Freund des Vaters und „gutmütiger, lustiger Onkel“ erinnert. Wie hier die jüdische Herkunft Mautners und Gerambs deutschnationale hatte Geramb wieder die Leitung des Volkskundemuseums übernommen – kehrten sie wieder in den Trachtensaal zurück und wurden so aufgestellt wie vor der kriegsbedingten Bergung. Erst in den 1980erJahren wurde eine erste Kontextualisierung versucht, wobei man sich damals auf das Hinzufügen von Gegenwartsbezügen konzentrierte. 2000 wiederum wurde eine Rückordnung vorgenommen, man folgte dem Prinzip des „Museums im Museum“. Ausgestellt wurde quasi die Idee einer musealen Repräsentation von Tracht in den 1930er-Jahren, und das „ohne Beipackzettel“, wie es Johler formuliert. Die Kuratorin hat seit 2019 bereits die anderen Teile des Museums neu gestaltet. Wichtig war ihr zum Beispiel, das Thema Menschenrechte in die (sich allerdings immer wieder ändernde) Dauerausstellung zu integrieren. Gegenüber des Museums war in der NS-Zeit die Grazer Gestapo untergebracht. Nun erzählt Johler genau in jenem Raum, von dem aus man zum ehemaligen Gestapo-Quartier hinüberblicken kann, zum Beispiel von in der NS-Zeit verfolgten Menschen aus der Steiermark. Reflektierte Museumsarbeit. Den Trachtensaal so zu belassen, wie er war, kam für sie nicht in Frage, macht sie klar. Ihn, wie ihr von so manchem geraten wurde, wegzuräumen und die Figurinen im Depot verschwinden zu lassen, schien ihr aber auch nicht der richtige Weg. „Das wäre kein adäquater Umgang eines reflektierten, kritischen Museums.“ beziehungsweise völkische Ausrichtung zusammengingen?

Eva Kunze, die an einer Dissertation über Konrad Mautner arbeitet sowie gemeinsam mit dem Journalisten Lutz Maurer und dem Historiker Wolfgang Hafner zudem eine populärwissenschaftlichere Biografie Mautners plant, geht davon aus, dass die beiden das Interesse an der Volkskunde einte und sie andere Themen möglicherweise aus ihrer Beziehung aussparten. Auffällig ist hier zum Beispiel, wie Geramb im Vorwort zum Trachtenbuch Mautner beschreibt. „Wiewohl er an Gestalt kleiner war als viele dieser tannenschlanken, blondhaarigen und blauäugigen Urbajuwaren, hatte er sich so unerhört tief in ihr Reden, Gehaben und Tun eingefühlt, dass ihn Fremde ausnahmslos für einen Bodenständigen hielten.“

Ein Tagebucheintrag Gerambs aus der NS-Zeit legt allerdings nahe, dass er später immerhin über den Freund von einst grübelte. In seinen Einträgen hielt er zwar nur in Stichworten, dennoch akribisch seinen Tagesablauf fest. Am 1. Februar 1942 schrieb er da zum Beispiel: „Nm. Führerrede gelesen u. geschlafen“ sowie „Abds. Mautnerbriefe geordnet, gedrückt u. verstimmt“.

Mehr als ein Jahr später, im September 1943, veranlasste Geramb übrigens auch, dass die Figurinen des Trachtensaals aus ihren Vitrinen herausgenommen, in Kisten verpackt und im Schloss Neudau an der Grenze zum Burgenland in Sicherheit gebracht wurden. Nach Kriegsende – nun hatte Geramb wieder die Leitung des Volkskundemuseums übernommen – kehrten sie wieder in den Trachtensaal zurück und wurden so aufgestellt wie vor der kriegsbedingten Bergung. Erst in den 1980erJahren wurde eine erste Kontextualisierung versucht, wobei man sich damals auf das Hinzufügen von Gegenwartsbezügen konzentrierte. 2000 wiederum wurde eine Rückordnung vorgenommen, man folgte dem Prinzip des „Museums im Museum“. Ausgestellt wurde quasi die Idee einer musealen Repräsentation von Tracht in den 1930er-Jahren, und das „ohne Beipackzettel“, wie es Johler formuliert.

Kuratorin Birgit Johler im noch leeren renovierten Trachtensaal. Die Eröffnung findet Mitte November statt. © Alina Rettenwander; Visualisierung: UMJ

Die Kuratorin hat seit 2019 bereits die anderen Teile des Museums neu gestaltet. Wichtig war ihr zum Beispiel, das Thema Menschenrechte in die (sich allerdings immer wieder ändernde) Dauerausstellung zu integrieren. Gegenüber des Museums war in der NS-Zeit die Grazer Gestapo untergebracht. Nun erzählt Johler genau in jenem Raum, von dem aus man zum ehemaligen Gestapo-Quartier hinüberblicken kann, zum Beispiel von in der NS-Zeit verfolgten Menschen aus der Steiermark.

 

Entlang der Frage „Was ist echt?“ wurden hier Trachten
und damit auch Traditionen auf dem Reißbrett entworfen.

 

Reflektierte Museumsarbeit. Den Trachtensaal so zu belassen, wie er war, kam für sie nicht in Frage, macht sie klar. Ihn, wie ihr von so manchem geraten wurde, wegzuräumen und die Figurinen im Depot verschwinden zu lassen, schien ihr aber auch nicht der richtige Weg. „Das wäre kein adäquater Umgang eines reflektierten, kritischen Museums.

Geramb habe mit dem neuen Gebäudekomplex, in dem dann in den 1930er-Jahren der Trachtensaal untergebracht wurde, noch weit mehr geschaffen als eine Art Völkerschau der eigenen Bevölkerung, gibt sie zudem zu bedenken. Hier war Platz für Veranstaltungen, hier wurde aber auch das Steirische Heimatwerk untergebracht, in dem einerseits Trachten genäht wurden und das andererseits mitbestimmend war, wenn es darum ging, wie Trachten auszusehen hatten.

Johler erinnert in diesem Kontext an den so genannten Trachtenkampf. Gerade Geramb sei in diesem Ton angebend gewesen. Tracht habe sich zu Mode entwickelt, einerseits befeuert von Städtern, die am Land urlaubten, aber auch durch das Singspiel Das weiße Rössl, das schließlich sogar verfilmt wurde. Diese Tendenz sei Ideologen wie Geramb ein Dorn im Auge gewesen. Auch er plädierte zwar für eine Modernisierung der Tracht, allerdings auf Basis bestehender Elemente und in geordneter Art und Weise. Eine Art Uniformierung sollte einerseits das Lokale verankern, die Modernisierung „das Dirndl möglichst bequem machen für den Straßenkampf“.

Das Heimatwerk fungierte bei dieser „Erneuerung der Tracht“ auch als Beratungsstelle – und das übrigens bis in die 1970er-Jahre hinein. Hier konnten sich Orte anleiten lassen, wenn es um die Schaffung ihrer Tracht ging. „Da wurde dann gesagt, für diese Region kann man dieses Material und jene Farbe nehmen. Und dann hieß es beispielsweise, die Nachbargemeinde hat schon rote Stoffknöpfe, dann nehmt ihr doch grüne.“ Entlang der Frage „Was ist echt?“ wurden hier Trachten und damit auch Traditionen auf dem Reißbrett entworfen. „Verpönt waren dagegen modische Einflüsse, die galten als Kitsch“, weiß Johler.

Wie aber kann es gelingen, den historischen Charakter des Saals beizubehalten und gleichzeitig so viele verschiedene Geschichten zu erzählen? Die Kuratorin hat sich dafür entschieden, die Figuren in der Ursprungsformation in den jeweiligen Vitrinen aufzustellen, allerdings einerseits einen Teil der Vitrinen eng zusammenzuschieben und so die frühere exakte geometrische Anmutung des Raumes aufzubrechen. Außerdem bekamen die Vitrinen eine Teilummantelung, die so wirkt, als seien die Glaskuben gerade in Schachteln verpackt worden. Das schafft einerseits Distanz und bietet andererseits Platz für durchaus ausführliche Begleittexte, welche die Figuren, deren Machart und das Gewand, mit dem sie ausstaffiert wurden, ideologisch einordnen.

 

„Es geht um das Lokalisieren von
etwas, das vermeintlich traditionell ist. “
Birgit Johler

 

Johler holt aber auch das Thema „Zeigen und Tragen von Tracht heute“ in den Saal – und zwar über ein dreiteiliges Video von Masoud Razavy Pour. Die Brücke vom Damals ins Heute schlägt zudem der Künstler Franz Konrad, der auf einer Wand des Saals eine Art Wimmelbild gestaltet hat, auf dem man Viktor Geramb, Erzherzog Johann, aber auch die Pfeiferlbuam vom Grundlsee und Versatzstücke heutiger Trachtenpraxis entdecken kann. Dieses Brüderpaar war übrigens nicht nur auch mit Mautner bekannt, es stand auch Pate für zwei der Figuren, die nun bald vom Übergangsquartier wieder in ihre Vitrine wandern.

Mit der Neuaufstellung des Saals will Johler vor allem eine Frage stellen: Welche Funktion hatte Tracht in den 1930erJahren, und welche hat sie heute? „Damals ging es darum, über die Kleidung sozusagen das Wesen der Steirer darzustellen. Ausgestellt wurden das sittlich-deutsche Wesen und die deutsche Kultur.“ Heute wiederum gehe es um die Einordnung des Bedürfnisses nach Tracht. Zuletzt hat sie dafür Besucher und Besucherinnen des „Aufsteirerns“ befragt, warum sie Tracht tragen. „Da kam dann sehr schnell: Das hat etwas mit Tradition und mit Heimat und mit Gemeinschaftsgefühl zu tun.“

Johlers Fazit dazu: „Es geht um das Lokalisieren von etwas, das vermeintlich traditionell ist. Das sind schon Phänomene, die mit dieser Zeit, mit Globalisierung, mit Krisen, Ängsten, aber auch Unterhaltungskultur gelesen werden können.“ Tracht habe zwar weiterhin etwas Uniformmäßiges, gleichzeitig würden heute aber von vielen Trägern und Trägerinnen auch Modeeinflüsse gerne aufgenommen und individuelle Noten gesetzt.

Es gebe zwar noch immer die einen, die sich an die ab den 1930er-Jahren für die einzelnen Regionen abgezirkelten Vorschriften, wie ein Dirndl oder ein Trachtenanzug auszusehen haben, halten. Trachtentaufen und Trachtenhochzeiten boomen, und auch unter ihren einheitlichen Kutten tragen Kinder bei der Erstkommunion heute oft Tracht, erzählt Johler. Gleichzeitig werde aber auch gerne mit der trachtigen Anmutung gespielt oder die Suche nach dem „Echten“ durch ein Spiel mit Körper- und Kleidercodes, eindeutigen geschlechtlichen oder regionalen Zuordnungen irritiert. All das wird nun im neu gestalteten Trachtensaal verhandelt.

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