Jüdische Gräber in Kobersdorf, Hohenems, Graz, Klosterneuburg, St. Pölten, Linz und Wien: Judith Pfeffer, Generalsekretärin-Stellvertreterin des Nationalfonds präsentierte Donnerstag Abend im Parlament Aufnahmen von wieder instandgesetzten jüdischen Friedhöfen aus ganz Österreich. Der Anlass: Das Erscheinen des Bildbandes „Häuser der Ewigkeit“ anlässlich „10 Jahre Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich“. Die Bilder dieser steinernen Zeugen in grünem Umfeld boten die passende Einstimmung auf eine Podiumsdiskussion zum Thema „Jüdische Friedhöfe als kulturelles Erbe“.
Für die emotionalsten Momente in dieser Runde sorgte der Präsident des European Jewish Congress, Ariel Muzicant, der sich einst als Präsident der IKG Wien massiv für eine Lösung für die österreichweit mehr als 60 jüdischen Friedhöfe eingesetzt und schließlich 2001 beim Abschluss der Entschädigungsverhandlungen zwischen Österreich, den USA und NS-Opferorganisationen das Thema in das schlussendliche Abkommen hineinreklamiert hatte. Mit einem Haken allerdings, wie er im Rückblick betonte: Festgehalten worden sei, dass Österreich die jüdischen Friedhöfe instandsetze. Nur wer sei Österreich?
In der Folge sei Jahre darüber gestritten worden, ob hier der Bund oder die Länder zuständig seien. Beendet worden sei dieser Hickhack schließlich 2009 durch den damaligen Vizekanzler Josef Pröll. Dann dauerte es weitere Jahre, um sicherzustellen, dass alle Mittel, die im Rahmen eines Fonds für die jüdischen Friedhöfe seitens der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt wurden, in die Instandsetzungsarbeiten fließen und nicht auch für die Dokumentation verwendet würden. „Seit 2014 läuft das Werkl“, so Muzicant. Wenn er heute über den Währinger Friedhof gehe, „dann lacht mein Herz“.
Der Währinger Friedhof gehört allerdings – wie auch das Tor 1 des Zentralfriedhofs in Wien – zu jenen Friedhöfen, wo noch viele Jahre lang sehr viel zu tun sein wird. Wolfgang Zehetner, Architekt und Dombaumeister, ist Teil des Teams, der sich um die Anlage in Währing kümmert, die Zeugin jüdischen Lebens in Wien im 19. Jahrhunderts ist. 2.000 Gräber konnten demnach bisher restauriert werden. Wenn in diesem Tempo weitergearbeitet werde, sei die Fertigstellung 2045 erreicht.
„Das sind Sie Optimist“, warf Muzicant ein, der zudem, ebenso wie Brigitte Mang, Professorin für Gartendenkmalpflege an der Hochschule Anhalt und Fachexpertin im Friedhofsbeirat, betonte: Es gehe um die Instandsetzung der Friedhöfe, nicht um die Restaurierung einzelner Gräber. Gelinge auch das, etwa durch das Engagement privater Initiativen, wie dies am Friedhof Währing der Fall sei, umso besser. Aber Ziel sei, dass jüdische Friedhöfe sicher betreten und besucht werden können.
Und auch das stellt die verschiedenen Teams, die sich um die einzelnen Friedhöfe kümmern, immer wieder vor Herausforderungen. Was etwa tun, wenn Bäume gefällt werden müssen? Es werden neue Bäume gepflanzt, erläuterte der Landschaftsarchitekt Gerhard Rennhofer. Dabei müssten aber immer das Gesamtensemble und die historische Struktur der Anlage berücksichtigt werden. Gleichzeitig gelte es Baumarten zu finden, welche die heutigen klimatischen Bedingungen gut vertragen. „Insgesamt geht es darum, den historischen Gartendenkmälern die würdige grüne Stimmung wieder zur Verfügung zu stellen.“
Jüdische Gräber werden für die Ewigkeit angelegt. Insoferne sind die Instandsetzungsarbeiten auf den jüdischen Friedhöfen, die zunächst von den Nationalsozialisten bewusst geschändet und zerstört wurden und dann nach 1945 über Jahrzehnte vor sich verfielen, weil sich niemand – weder die öffentliche Hand noch die kleinen jüdischen Gemeinden, die zunächst gar keine Zukunft für Juden mehr in Österreich sahen und sich später auf den Aufbau von Infrastruktur von Schulen bis zu Synagogen konzentrierten – ihrer annahm, einerseits im Interesse der Israelitischen Kultusgemeinden.
Bei der Podiumsdiskussion wurde jedoch klar: Sie sind auch im Interesse der nichtjüdischen österreichischen Gesellschaft. „Juden haben die Eigenschaft, dass sie sehr rasch die Kultur und die Gewohnheiten der Wirtbevölkerung annehmen“, sagte dazu Muzicant. Das lasse sich an der Gestaltung von Judaika, aber eben auch von Gräbern ablesen. Am Friedhof Währinger sehe man zum Beispiel Biedermeier-Gräber aus dem frühen 19. Jahrhundert, 100 Jahre später seien am Zentralfriedhof Jugendstil-Gräber entstanden. „Hier lässt sich auch eine kulturelle Entwicklung ablesen.“
Sylvia Preinsberger vom Bundesdenkmalamt unterstrich: ein wichtiger Teil der Denkmalpflege sei auch die Vermittlung. Bei den jüdischen Friedhöfen gehe es darum, deren Bedeutung zu vermitteln. Wo das bereits intensiv passiert, ist der jüdische Friedhof in Klosterneuburg. Heinz Schratt, Obmann des Komitees zur Erhaltung dieser Anlage, erläuterte die beiden Schienen, die man bespiele: das sei einerseits die Dokumentation und das Herstellen von Bezügen von hier Begrabenen zu Orten, Gebäuden, Geschäften in der Stadt. Das sei andererseits die Zusammenarbeit mit allen Klosterneuburger Schulen – Gymnasien wie Mittelschulen.
Zehetner berichtete für den Friedhof Währing vom Einsatz von 3D-Laserscans. Sichtbarkeit könne auch erreicht werden, indem diese 3D-Scans zum Beispiel auch digital zur Verfügung gestellt werden könnten und sich so eines Tages Nachkommen von in Wien Bestatteten die Grabstätten von New York aus ansehen könnten. „Man kann aber nur sehen, was in der Realität da ist.“ Daher sei der erste Schritt die Instandsetzung und teilweise auch Restaurierung.
Stichwort Digitalisierung: Muzicant zeigte sich erleichtert, dass bei dem Brandanschlag auf die Zeremonienhalle am 4. Tor des Zentralfriedhofs Ende Oktober 2023 – einer von vielen antisemitischen Vorfällen im Gefolge des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 – die vielen dort gelagerten Archivkarten nicht zu Schaden gekommen seien. Diese müssten nun digitalisiert werden, einerseits um sie zu bewahren, andererseits auch, um sie – unter Berücksichtigung des Datenschutzes – über das Internet Experten und Interessierten zugänglich zu machen.
Muzicant betont dazu: „Wer seine Geschichte nicht kennt, hat keine Zukunft.“ Die Geschichte der jüdischen Friedhöfe in Österreich ist, wie der Abend einmal mehr klar machte, eine umfangreiche und eine, die auch künftige Generationen beschäftigen wird.