Jedes Wesen, das kommt, geht auch irgendwann wieder. Das muss man wissen, wenn man sich auf das Leben einlässt. Das ist so, das ist der Preis, den man entrichtet, wenn man sich öffnet, bindet, liebt. Nichts bleibt. Das macht den Augenblick umso kostbarer. Dieser wird später Erinnerung sein, von einem selbst oder von jemand anderen. Die, die uns verlassen, können wir immer noch im Herzen mit uns tragen, aber das können wir natürlich nur, wenn sie zuvor dorthin gelassen wurden.

Das war eine langatmige Einleitung in etwas, das mich persönlich umtreibt: Mein Hündchen hat mich vor einigen Wochen verlassen. Es wurde ein recht biblisches Hundealter alt, und sein Vergehen war absehbar, und dennoch hat mich dieses Verlassenwerden getroffen wie ein Schwertschlag, aber nicht der zum Ritter, eher der, der mitten in die Brust gehauen wird. Dabei war unser Zusammensein von den wildesten Absurditäten und so viel Freude geprägt, wie kaum etwas anderes in meinem Leben. Das Hündchen kam zu mir aus einer Rettungsorganisation, Animal Hope. Ich hatte nur ein Foto gesehen, den Blick, und wusste, das war mein Hündchen, nicht irgendeines. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt null Hunderfahrung und ich hätte mich auch furchtbar irren können. Ich irrte mich glücklicherweise nicht. Das schwarze Hündchen kam, sah und sprang auf das blütenweiße Sofa, wo es sich zusammenringelte, also siegte. In den folgenden Tagen wurde ich staunende Zeugin der möglichen Vorgeschichte: Moja führte mir spontan Zirkustricks vor, die ich nicht abrufen konnte, weil ich keine Ahnung hatte, wie.

Offenbar war sie dressiert worden, und als ich sie später zu meinen Lesereisen mitnahm, stellte sich kristallklar heraus, dass sie Bühne und Publikum kannte, sie saß still und geduldig solange neben meinem Lesetisch, bis applaudiert wurde, dann beteiligte sie sich, indem sie bellte. Glücklicherweise versuchte sie nie, mir auf der Bühne die Show zu stehlen, so schöne Tänzchen, wie sie sie beherrschte, hätte ich niemals abliefern können. Offenbar hatte sie aber üble Erfahrungen mit bestimmten Menschen gemacht, was mich immer wie eine Rassistin dastehen ließ: Männer mit dunklem Teint und längerem schwarzen Haar wurden verbellt, aber, noch schlimmer: es konnten 20 blondlockige Knaben an ihr vorüberlaufen, ohne dass sie ein Ohrwaschl hob. Folgte den 20 Goldknaben aber ein dunklerer, legte sie los, als hätte ich sie darauf abgerichtet. Jahre brauchte das, bis wir es ablegen konnten. Bei Hunden war sie überhaupt schlichtweg und bis zum Schluss rassistisch und interessierte sich nur für die, die so schwarz waren wie sie selbst. Mich versuchte sie in der Eichhörnchenjagd zu unterrichten, bis sie einsah, dass ich mich einfach als absolut unfähige Schülerin entpuppte. Immer hielt ich sie fest, machte heftigen Lärm und war gänzlich unkonstruktiv. Gleichzeitig sprühte das Tier vor grenzenloser Dankbarkeit, die sich auf alle erstreckte, die mit ihr zu tun bekamen, sogar der Tierärztin gab sie noch beim Setzen der Infusion Bussis. Und sie schenkte mir den Genuss des gemeinsamen Reisens, sie reiste gern und suchte in gehobenem Alter ab und an sunsere Unterkünfte aus, auch ihre Seniorenresidenz in Mörbisch. Sie wurde zur Europaexpertin: in Prag, in Warschau, in Venedig, in Berlin und Budapest, in Rom und Piran. Irgendwann wurde mir klar, dass sie sich alleUnterkünfte einprägte und als mein Eigentum betrachtete, besonders das Hotel Innsbruck, in dem wir oft waren und wohin sie mich auch bei allen Umstiegen in der Stadt des Goldenen Dachls schleppen wollte.

Und jetzt hat das Hündchen ungefragt seine ganz eigene Reise angetreten und hat mich zurückgelassen. Farewell, meine Moja. Farewell.

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