In einer neuen Sprache schreiben

Lore Segal, Carl Djerassi, Doris Orgel, Eva Kollisch und Frederic Morton: Obwohl sie alle Deutsch als Muttersprache hatten, schrieben sie im Exil auf Englisch. Die Publizistin und Übersetzungswissenschafterin Karin Hanta verfolgte nun den Prozess, den es bedurfte, dass die Bücher dieser Autorinnen und Autoren auch auf Deutsch veröffentlicht wurden. Zurück zur Muttersprache heißt das nun im Mandelbaum Verlag erschienene Buch dazu.

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Exilliteratur an sich ist schon länger ein Thema. Lange dauerte es allerdings, bis so manches Werk eines inzwischen im Ausland erfolgreichen Autors in seiner Muttersprache erhältlich war. Mancher Leser war vielleicht der irrigen Meinung, ein Frederic Morton oder eine Lore Segal schrieben zunächst auf Deutsch und die Bücher wurden danach in die neue Sprache übersetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Rückübersetzung ins Deutsche wurde dabei teils zum Kraftakt, wie Hanta nachzeichnet.
Auch hier war es wie in so vielen Teilen der Aufarbeitung der NS-Zeit sowie Entwicklung einer umfassenden Erinnerungskultur die Waldheim-Zeit, die als Katalysator wirkte. Nun wurde es nicht nur als interessant, sondern auch als wichtig empfunden, dass vor allem autobiografische Werke von Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, die den Holocaust und/oder die Zeit im Exil beleuchteten, auch auf Deutsch erschienen. „Diese letzten Zeugen und Zeuginnen fungieren auch als moralische Instanzen, die ihre von einem menschenverachtenden, rassistischen Regime verursachten Leiden in der Öffentlichkeit kundtaten.“

Gerade die Muttersprache
ist mit Gefühlen verbunden, gleichzeitig spielt auch ein
Verlust mit hinein.

Wertschätzung. Das Erscheinen dieser Werke auf Deutsch war daher Ergebnis eines schmerzhaften Prozesses. Und das nicht nur aus der Perspektive der österreichischen Gesellschaft, sondern auch aus jener der Autoren: Gerade die Muttersprache ist mit Gefühlen verbunden, gleichzeitig spielt auch ein Verlust mit hinein. Hanta hat mit all den eingangs aufgeführten Autorinnen und Autoren Interviews geführt, bis auf Kollisch wollten alle das Gespräch auf Englisch führen. Dennoch hielten alle in gewisser Weise Kontakt zur deutschen Sprache und auch zu Österreich, und zwar über die österreichische Exilgemeinde – entweder über familiäre oder freundschaftliche Beziehungen.

Karin Hanta: Zurück zur Muttersprache.
Austro-amerikanische SchriftstellerInnen im österreichischen literarischen Feld. Mandelbaum 2020, 368 S., € 29

Gleichzeitig übertragen auch Übersetzer Bücher nicht in einem Vakuum von einer Sprache in die andere. Wenn es um die NS-Zeit geht, ist zudem ein besonders achtsamer Umgang mit Sprache nötig. Und dann ist da auch noch die Öffentlichkeitsarbeit in Österreich. Autoren, die sich im Exil einen Namen gemacht hatten, waren in der alten Heimat kein Begriff. Hier kommt die Österreichische Exilbibliothek ins Spiel. Die Autoren standen mit Organisationen in Kontakt, die sich der Erinnerungskultur widmeten, und diese wiederum wandten sich an die Exilbibliothek, so Hanta. Es war zunächst nämlich gar nicht so leicht, einen Verlag für solche Übersetzungen zu finden. Die Exilbibliothek unterstützte hier, aber nicht nur: Sie hieß die ehemals Vertriebenen willkommen und zeigt Wertschätzung. Sie machte klar, dass es wichtig ist, Bücher wie Mortons Ewigkeitsgasse auch im deutschsprachigen Literaturkanon zur Verfügung zu haben.

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