Junge Opfer, junge Täter – Der Jahesbericht ´22 der Antisemitismus-Meldestelle wurde heute in der IKG präsentiert

719 antisemitische Vorfälle wurden laut dem Jahresbericht der Antisemitismus-Meldestelle im Jahr 2022 gemeldet. Der Bericht wurde heute von IKG-Präsident Oskar Deutsch und IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele präsentiert. Im Durchschnitt bedeutet das 60 Vorfälle pro Monat. Zwar stellt dies einen Rückgang im Vergleich zum Jahr 2021 dar, ist jedoch immer noch der zweithöchste Wert seit Beginn der Dokumentation vor knapp 20 Jahren.

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Präsentation des Jahresberichts 2022 in der IKG

Nach dem Negativrekord des Jahres 2021 kam es laut Jahresbericht der Antisemitismusmeldestelle im Vorjahr zu einem deutlichen Rückgang der Zahl an gemeldeten antisemitischen Vorfällen. Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt jedoch einen besorgniserregenden Trend: Im Gegensatz zum erfreulichen Rückgang der Gesamtzahl antisemitischer Vorfälle um rund ein Viertel ist die Anzahl der physischen Angriffe auf 14 Vorfälle angestiegen (14 nach 12 im Jahr 2021). Alarmierend ist dabei die hohe Zahl an Angriffen gegen Kinder und Jugendliche sowie der Umstand, dass bei einem großen Teil dieser Angriffe Kinder und Jugendliche nicht nur Betroffene, sondern auch Täter waren.

Bei der Präsentation des Berichts verwies IKG-Präsident Oskar Deutsch (l.) darauf, dass die hohe Zahl der Angriffe gegen Kinder und Jugendliche sowie das junge Alter der Täter besorgniserregend sei. Generalsekretär Benjamin Nägele (r.) ergänzte dabei, dass ähnliche Beobachtungen auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich gemacht werden.

In einem konkreten Fall wurde ein Schüler über Monate von einer Lehrerin und später von Mitschülern gemobbt, nachdem bekannt wurde, dass er einen jüdischen Background hat. Die Schulleitung war in diesem Fall unkooperativ, weshalb der Schüler die Schule verließ. In einem weiteren Fall wurde berichtet, dass ein jüdischer Jugendlicher in einem Freibad von einer Gruppe Jugendlicher im Alter zwischen 12 und 18 Jahren angepöbelt und antisemitisch beschimpft wurde. Im Laufe dieser Auseinandersetzung kam es auch zu Schlägen, die Angreifer liefen erst weg, als sich Passanten näherten.

„Besonders, dass die Gewalt speziell gegenüber Kindern und Jugendlichen zugenommen hat, die von anderen als Jüd*innen wahrgenommen wurden, muss uns in der Politik dazu bringen, noch aktiver gegen jegliche Form von Rassismus aufzutreten und über neue Wege in der Bekämpfung von Antisemitismus nachzudenken“, sagte Petra Bayr, SPÖ-NR-Abgeordnete.

In diesem Zusammenhang spielt nicht nur die unterstützende Mitarbeit von ESRA eine wichtige Rolle, die bei Traumatisierungen und Retraumatisierung von Holocaustüberlebenden und deren Nachkommen psychosoziale Hilfe bietet, sondern auch jede Initiative, die bereits in Schulen sich dem Thema Antisemitismus-Prävention annimmt. Hier ist die Arbeit des Dialogprojekts LIKRAT, einer Initiative der IKG Wien, hervorzuheben, aber auch die Initiativen erinnern.at und das Holocaust-Education-Programm des OeAD zu erwähnen.

Was den ideologischen Hintergrund der Vorfälle betrifft, so sind 55 Prozent aller Vorfälle dem politischen Rechten und Rechtsextremismus zuzuordnen, 20 Prozent der anderen Seite des politischen Spektrums, dem Linksextremismus. 16 Prozent der gemeldeten Vorfälle können ideologisch nicht zugeordnet werden, und in 9 Prozent der Fälle sind die Täter dem Islamismus zuzuordnen. Während sich bei Sachbeschädigungen, Beschimpfungen und Massenzuschriften dieser allgemeine Trend durchsetzt, gehen Bedrohungen und tätliche Angriffe mehrheitlich von Tätern aus, die einem islamistischen Hintergrund zuzuordnen sind.

Präsident Deutsch wies zudem darauf hin, dass der Bericht lediglich die unmittelbarsten Erscheinungsformen des Antisemitismus abbildet und keine umfassende Darstellung des Antisemitismus bietet. Hierfür wären unter anderem soziologische Studien erforderlich.

„Bekenntnisse und Sonntagsreden zum Kampf gegen Antisemitismus sind hier fehl am Platz, es müssen verstärkt spezifische Maßnahmen zum Einsatz kommen“, fordert Historikerin und Kultursprecherin der Grünen Eva Blimlinger und bedankte sich in ihrer Aussendung sowohl für die Arbeit der IKG-Meldestelle wie auch für die rasche Betreuung der Opfer durch die Mitarbeiter von ESRA.

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