Von dessen großer jüdisch geprägten Vergangenheit soll hier nicht die Rede sein. Nicht von illustren Gästen wie Schnitzler, Zweig, Altenberg und Freud, die sich von der Bergwelt zu mancherlei inspirieren ließen. Hier soll einmal an die bislang letzte Blüte des einstigen Nobelkurorts erinnert werden, die 50er- und frühen 60er-Jahre, als jüdische Familien aus Wien ihre Kinder auf 1.000 m Seehöhe lüfteten und dabei ein recht munteres Gesellschaftsleben entwickelten. Von Anita Pollak
Edlach, Reichenau, Semmering – ein aufsteigender Dreiklang nostalgischer Kindheitsparadiese. Edlach, die dörfliche Idylle am Fuß der Rax, wo man in einfachsten Privatquartieren die wunderbarsten Ferien verbringen konnte. Etwas nobler das nahe Reichenau, da wurde in Frühstückspensionen gewohnt, im Kurpark gerudert und sogar schon Tennis gespielt. Von Edlach ging man zur Jause hinüber, wenn die Väter am Wochenende die Familien besuchten. Der Gipfel in jeder Hinsicht aber war der Semmering, dazumal ein jüdisches Biotop mit feinen gesellschaftlichen Nuancen.
Sein glanzvoller Nimbus reichte einst an die fernsten Ränder der Monarchie, hatte sich abgeschwächt in die Zwischenkriegszeit gerettet und schwebte noch als Sehnsuchtsbild in den Köpfen vieler Juden, die nach dem Krieg in Wien gestrandet waren. Wer es auf den Semmering geschafft hatte, mit oder ohne Kinderfrau, im Panhans oder Südbahn residierte, der hatte es geschafft. Auch umliegende Villen wurden bevölkert, Wohnungen angemietet, im Sommer oft für mehrere Wochen.