Vom Wegfahren und Wespen

Für alles gibt es ein erstes Mal – aber auch ein letztes! In diesem Monat berichtet Autorin Nadine Kegele aus der Baby-Nachtschicht von einem Urlaub, der niemals hätte zu Ende gehen müssen.

1908

Die Vorarlbergerin Nadine Kegele, 40, debütierte 2013 mit dem Buch Annalieder, im selben Jahr wurde sie zum Ingeborg-Bachmann-Preis eingeladen und gewann dort den Publikumspreis. 2017 erschien ihre Protokollsammlung Lieben muss man unfrisiert über das Selbstverständnis von Frauen. Im Text für das Theaterstück Bin noch in Tanger und darf nicht reisen/Thérèse beschäftigte sie sich mit Therese Zauser, geboren 1910, die als 19-Jährige Feldkirch verließ und als Artistin arbeitete. In Nordafrika und den Mittelmeerländern trat sie als Sängerin und Tänzerin (oder, wie sie es nannte, „danseuse et chanteuse fantaisiste“) auf. Nach einem Auftritt in Deutschland wurde Zauser wegen feindlicher Äußerungen gegenüber dem Naziregime denunziert, verhaftet und im Oktober 1941 in das KZ Ravensbrück transportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Die Sterbeurkunde des KZ Ravensbrück ist auf den 11. Februar 1942 datiert.
Bin noch in Tanger und darf nicht reisen/Thérèse:
30.6., 20 Uhr, Theater Hamakom,
hamakom.at

 

Das letzte Mal,

dass ich reisen wollte, aber doch nicht durfte, war wenige Wochen nach der Geburt meines Kindes. Es ist ein Baby für Fortgeschrittene – ich bin Anfängerin. Diese Lautstärke bei gleichzeitig fehlendem Schlaf hat mich trotz der Freude hart erwischt. Da kam der Satz aus mir: „Wie schön wäre es, einfach für ein Wochenende auf Erholung zu fahren.“ Ich meinte natürlich ohne Baby.

Das letzte Mal, dass ich mich gerne mit einem Wochenendurlaub belohnt hätte,
ist eigentlich jetzt. Jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich uns gern dafür belohnen würde, wie gut wir mittlerweile mit den Grenzerfahrungen des Elternseins umgehen. Unser Baby dürfte jetzt sogar mit.

Das letzte Mal, dass ich von einer Reise am liebsten nicht wieder zurückgekommen wäre, war – wenn ich etwas antworten muss – Pula in Kroatien. Eigentlich freue ich mich nämlich immer aufs Zurückkommen zu unseren Katzen. Aber dieser Urlaub war der perfekte Sommer: ein Mobile Home direkt am Meer. Der Morgenkaffee im Schlafgewand am Strand. Eine Wespe beobachten, wie sie sich Stück für Stück vom Schinken schneidet. Eine Reisegemeinschaft, die ich ins Herz geschlossen habe.

Das letzte Mal, dass ich etwas unfrisiert gemacht habe, war heute: ein Spaziergang im Prater mit dem Haarknoten von vorm Schlafengehen am Vorabend. Für die Lesebühne bin ich dann doch zu eitel für keine Frisur, aber privat bin ich für eine Frisur, die sitzt, oft zu faul.

Das letzte Mal, dass ich auf einer Veranstaltung mit perfekt frisierten Menschen war, war vielleicht bei meiner Sponsion.
Außerdem war ich die einzige Frau mit Hose. Das hat mich doch etwas schockiert. Das war viel auffälliger als jegliche Haartracht.

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