Wachsam in die Zukunft Europas

Mit Monika Szmigiel-Turlej, der Direktorin des Polnischen Instituts in Wien, sprachen wir aus Anlass des 80. Jahrestags des Warschauer Ghetto-Aufstandes.

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Monika Szmigiel-Turlej. Die gut vernetzte Kosmopolitin bringt in ihre neue Wiener Tätigkeit auch ihre ganz persönliche Familiengeschichte ein. Foto: Reinhard Engel

Ein exzellentes Beispiel für die öffentliche Sichtbarkeit einer kulturellen Einrichtung liefert die Direktorin des Polnischen Instituts in Wien. Seit dem Antritt von Monika Szmigiel-Turlej im Jänner 2022 tut sich Einiges: Bereits in den ersten vier Monaten des heurigen Jahres reichte das kulturelle Angebot von New Polish Films über das Festival Zwischentöne Polen bis zu zahlreichen Konzerten und Ausstellungen. Zwar kennt Szmigiel-Turlej Österreich gut, weil sie bereits zwischen 2014 und 2019 als Gesandte an der polnischen Botschaft tätig war, dennoch hat die umtriebige Networkerin die Sichtbarkeit des Instituts durch fruchtbare Kooperationen deutlich verstärkt: Die Projekte realisierte sie u. a. mit dem Imago Dei Festival in Krems, dem Stadtkino oder dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen(IWM). Ein zentraler Schwerpunkte ihrer Arbeit ist die Erinnerung an die Shoah, aber auch der Blick auf eine positive polnisch-jüdische Zukunft. Dazu zählt sowohl der Beitrag zum Jüdischen Filmfestival 2023, die außergewöhnliche Dokumentation Who Will Write Our History über das Ringelblum-Archiv – Nachweise über das Alltagsleben im Warschauer Ghetto – wie auch die Initiative von Szmigiel-Turlej und ihrem Team zum 80. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto im April 1943: Sie suchte die Kooperation mit der israelischen Botschaft in Österreich, um das Konzert Ghetto Song im Haus der Musik zu verwirklichen. Dabei vertonte ein polnisches Quintett die berühmten Gedichte von Abraham Sutzkever, Mordechaj Gebirtig und Yitzhak Katzenelson gänzlich neu.

WINA: Woher stammt Ihre persönliche Affinität zu jüdischen Themen?
Monika Szmigiel-Turlej: Seit ich mich erinnern kann, ist die polnische Geschichte, bedingt durch ihre vielen dramatischen Wendungen, immer und überall präsent – im polnischen Alltag und in den meisten Familien. Ich bin in Bunzlau (Boleslawiec), Niederschlesien, aufgewachsen, mein Vater stammt aus der Gegend von Tarnopol, das noch bis 1921 zum österreichischen Kronland Galizien gehörte; ab 1939 von den Sowjets und ab 1941 von Nazi-Deutschland besetzt, wurde Tarnopol nach dem Zweiten Weltkrieg Teil der sowjetischen Ukraine. Mein Großvater mütterlicherseits, Zbigniew Francuz, den ich leider nicht mehr kennenlernen durfte, wurde als ganz junger Mann verhaftet und am 24. August 1943 von der Sicherheitspolizei (Sipo) Krakau nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Weshalb wurde er verhaftet? War er politisch aktiv?
I Ich weiß es nicht, aber man musste damals überhaupt keinen Grund für eine Festnahme haben. Nach dem Krieg wollte er nie darüber reden, auch mit meiner Mutter nicht. Sie wusste nur, dass er in Auschwitz war, und bat mich, als ich 2014 zum ersten Mal als Diplomatin nach Wien kam, im Mauthausen Memorial nach Spuren von ihm zu suchen.

Wurden Sie im Archiv der Gedenkstätte Mauthausen fündig?
I Ja, ich konnte seinen Weg anhand der Daten rekonstruieren: Im November 1943 überstellte man ihn ins KZ Mauthausen, kurz darauf musste er als Maschinenschlosser in den Heinkel-Werken im Mauthausener Außenlager Schwechat Zwangsarbeit verrichten. Mein Großvater wurde vermutlich nach der Bombardierung des Arbeitslagers Schwechat-Heidfeld am 26. Juni 1944 zunächst nach Wien Floridsdorf weitergeführt und später wieder in die nun verkleinerte Heinkel-Montage in Schwechat gebracht. Nach der Räumung von Schwechat-Heidfeld wurden die Gefangenen in Fußmärschen über das Lager Hinterbrühl nach Mauthausen getrieben, wo mein Großvater bis zur Evakuierung am 31. März 1945 verblieb.

 

„Wir müssen die
Wächter der Erinnerung sein
und trotzdem gemeinsam in unsere europäische Zukunft blicken.“
Monika Szmigiel-Turlej

 

Wenn in Ihrer Familie genau so viel geschwiegen wurde wie in vielen anderen europaweit, müssen Ihre detaillierten Entdeckungen für Ihre Mutter ein großer Schock gewesen sein?
I Meine Mutter war sehr berührt, denn das Schicksal ihres Vaters hinterließ eine tiefe persönlich Narbe. Da ich keine Gelegenheit mehr hatte, meinen Großvater zu befragen, sage ich ständig zu meinen beiden Söhnen: „Bitte fragt eure Großeltern jetzt nach ihrem Leben, ihrer Geschichte, denn sonst versäumt ihr diese Gelegenheit.“ Sie sind Jahrgang 1972, wurden daher noch im kommunistischen Polen unterrichtet und sozialisiert.

Wie ist man in der Schule mit diesen geschichtlich heiklen Themen umgegangen?
I Ja, bis zu meiner Matura erlebte ich das kommunistische Polen. Ich hatte eine sehr mutige Geschichtslehrerin, die uns z. B. über das „Massaker von Katyn“* erzählt hat. Sonst wurde über Geschichte und Politik nur zu Hause gesprochen. Meine Eltern sind beide promovierte Chemiker, meine Mutter hat auch in Warschau studiert: Sowohl der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 wie auch der Warschauer Aufstand im Jahre 1944 waren immer ein präsentes Thema in unserer Familie.

* Beim „Massaker von Katyn“ wurden auf Befehl des Politbüros der KPdSU vom 3. April bis 11. Mai 1940 etwa 4.400 gefangene Polen,
größtenteils Offiziere und Intellektuelle, in einem Wald bei Katyn, einem Dorf 20 Kilometer westlich von Smolensk, systematisch
erschossen.

Sie haben Skandinavistik, schwedische Philologie studiert, wie kamen Sie auf diese Idee?
I Ich liebe die Natur und habe viel über ganz Skandinavien gelesen, weil es gute Übersetzungen ins Polnische gab. Ich war neugierig und wollte diese Länder kennenlernen, ich hatte Deutsch als Nebenfach und war überzeugt, dass Sprachen ein Tor zur Welt sind. Daher habe ich nach meinem Studium die Staatliche Akademie für öffentliche Verwaltung absolviert, weil ich im Außenministerium arbeiten wollte. Das schaffteich, und – große Überraschung (lacht) – mein erster Auslandsposten war von 2004 bis 2010 in der politischen Abteilung der polnischen Botschaft in Stockholm. Ich kam als Botschaftsrätin nach Warschau zurück und übernahm im Außenamt das Referat für die deutschsprachigen Länder, bis ich 2014 als stellvertretende Missionschefin nach Österreich kam.

 

„Das KZ-Gusen steht
vor allem als symbolischer Ort für die Auslöschung der
polnischen Intelligenz
durch die Nazis.“
Monika Szmigiel-Turlej

 

Ich nehme an, dass Sie jetzt als Leiterin des Polnischen Instituts mehr Eigeninitiative entwickeln können als in der Zeit als Gesandtin an der Botschaft?
I Das war sicher eine Chance auf einen Perspektivenwechsel, denn ich konnte einen größeren Einblick in die Entwicklungen in Mitteleuropa und am Balkan gewinnen. Österreich und Polen verbindet ja sehr viel, nicht nur die geschichtliche und kulturelle Nachbarschaft, die gute und die schwierige Vergangenheit, sondern als EU-Mitgliedsstaaten auch zahlreiche Zukunftsthemen.

Dennoch erfordert die österreichich-polnische Geschichte ebenso wie die gemeinsame Vergangenheit von Juden und Nicht-Juden in Polen eine anhaltende Beschäftigung mit ihr. Deshalb initiierten Sie heuer das Konzert mit den neu vertonten Ghetto Songs?
I Es war mehr als nur selbstverständlich, dass wir an diesem 80. Jahrestag etwas Besonderes machen wollten. Der 19. April 1943 wird in Polen jährlich als wichtiger symbolischer Gedenktag begangen, da erinnern wir an die Jüdinnen und Juden, die im Ghetto ermordet wurden, aber durch ihren Widerstand zugleich Würde und Hoffnung symbolisieren. Das Museum der Geschichte der polnischen Juden (POLIN) setzt die Tradition von Marek Edelman (1919–2009), einem der Kommandeure des Ghetto-Aufstandes, fort und verteilt durch Freiwillige Papier-Narzissen auf den Straßen (siehe Kasten). Diese Initiative des POLIN findet heuer zum elften Mal statt. Der Plan war, insgesamt 450.000 Narzissen zu verteilen. Eine sehr traurige Zahl: Das war der Personenstand an seinem Höhepunkt im Ghetto.

Interessiert sich die polnische Bevölkerung noch für diese Themen, oder möchte sie auch wie in vielen anderen Ländern einen „Schlussstrich“ ziehen?
I Dieses schwere Erbe müssen wir tragen, die Wächter der Erinnerung sein. Große Gebiete Polens sind riesige Friedhöfe: Vernichtungslager, Arbeitslager, Orte des Leides, an denen der Holocaust, von NaziDeutschland organisiert, stattgefunden hat, und wir müssen damit umgehen können und vor allem darüber diskutieren, was wir heute zu tun haben. Das Museum POLIN erzählt unsere eintausend Jahre alte gemeinsame Geschichte, die uns verbindet, und dies ist nicht trennbar. Trotz alldem muss man auch sehen, dass es seit 1998 wieder möglich ist, das jüdische Kulturerbe wiederzubeleben: In meiner Jugend gab es in Polen weder einen Rabbiner noch aktive Synagogen. Jetzt gibt es tolle Institutionen mit vielen interessanten Projekten im ganzen Land. Zahlreiche Festivals der jüdischen Kultur präsentieren moderne Trends in der Musik, im Theater und in der bildenden Kunst.

** Das KZ Gusen I, II, III war eines der 44 Außenstellen des Stammlagers in Mauthausen. Von den 3.500 ungarisch-jüdischen Häftlingen starben 2.100; bei den 2.700 polnisch-jüdischen Insassen kamen 1.600 zu Tode (siehe auch Kasten zu Gusen).

Die polnische Regierung hat noch ein heikles Anliegen in Österreich, das mit der NS-Vergangenheit zu tun hat, wo Sie sich jetzt auch beteiligen: Im Konzentrationslager Gusen**, einem Nebenlager von Mauthausen, wurden während der NS-Herrschaft 71.000 Personen aus 27 Nationen interniert, dennoch kam die größte Opfergruppe aus Polen?
I Ja, genau: Von den 25.000 polnischen politischen Gefangenen überlebte weniger als die Hälfte die brutale Arbeit im Steinbruch und die Haftbedingungen. Das KZ Gusen steht vor allem als symbolischer Ort für die Auslöschung der polnischen Intelligenz durch die Nazis. Dieser ehemalige KZ-Komplex MauthausenGusen ist für die gesamteuropäische, österreichische und polnische Erinnerung von großer Bedeutung. Daher möchten wir die historische Chance wahrnehmen, um dort eine europäische Erinnerungsstätte zu errichten, mit einem Jugendbildungs- und Begegnungszentrum, wo wir alle europäischen Staaten einbeziehen und gemeinsam über die Zukunft diskutiert.


Gelbe Narzissen für die Ghettokämpfer

Präsidententreffen: Frank-Walter-Steinmeier (D), Andrzej Duda (P) und Itzchak Herzog (I) trafen einander anlässlich des Gedenkens an den Warschauer Ghetto-Aufstand von 1943 (v. li. n. re.). © Wojtek Radwanski / AFP / picturedesk.com, Bernd von Jutrczenka / dpa / picturedesk.com

Auch heuer, zum 80. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto, würdigten polnische und israelische Diplomaten weltweit die heroischen Kämpfer und Kämpferinnen: Alle an der Aktion Beteiligten heften sich eine gelbe Narzisse an die Brust und veröffentlichen die Fotos auf Social Media. Eine berührende Vorgeschichte begründet, warum es diese Blume ist: Der letzte überlebende Kommandeur der Aufständischen, Marek Edelman (1919–2009), überlebte den blutigen Kampf der Jüdischen Kampforganisation ( ). Pünktlich zum Jahrestag des Aufstandes bekam Edelman anonym gelbe Narzissen geschenkt. Er selbst legte jährlich am 19. April einen Blumenstrauß am Denkmal für die Helden des Warschauer Ghettos ab – und meistens waren es Narzissen. Dadurch inspiriert, entstand die Initiative „Gelbe Narzisse“, die 2023 zum elften Mal vom Warschauer POLIN-Museum für die Geschichte der polnischen Juden durchgeführt wird. Das Museum kreierte gelbe Blumen aus Papier, und Freiwillige verteilen sie auf den Straßen vieler Städte zusammen mit Informationsblättern. Da der Aufstand im Warschauer Ghetto sowohl in Polen wie auch weltweit viel zu wenig bekannt ist, wurde die „NarzissenKampagne“ zu einem wertvollen sozialpädagogischen Projekt: Das Motto „Die Erinnerung verbindet uns“ betont nicht nur den mutigen jüdischen Widerstand, sondern auch die Kraft der Gemeinschaft und den Dialog über Grenzen hinweg. Immer mehr Organisationen, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie prominente Persönlichkeiten machen mit, indem sie sich an diesem Tag mit einer Narzisse fotografieren lassen.


Ein steiniger Weg zur Erinnerungsstätte im KZ Gusen

© gusen-memorial.org

Um die Pläne für die Gestaltung der Reste des Konzentrationslagers Gusen gab es seit rund fünfzehn Jahren immer wieder diplomatische Verstimmungen zwischen Polen und Österreich. Nun scheint eine Einigung über das internationale Gedenkstätten-Projekt auf gutem Weg: 1. Weil die Republik Österreich nach langem Zögern 2021/2022 mehrere Grundstücke auf dem Areal des ehemaligen KZ Gusen I sowie im Eingangsbereich der von Häftlingen errichteten Stollenanlage „Bergkristall“ in St. Georgen an der Gusen gekauft hat. 2. Weil ein Beteiligungsprozess zur Erarbeitung eines Masterplans mit gestalterischen und funktionalen Richtlinien ins Leben gerufen wurde, der von Beginn an eine möglichst breite Einbindung aller regionalen, nationalen und internationalen Interessengruppen gewährleisten soll. Polen hat bereits im Jahr 2015 beim Zugang zur ehemaligen NS-Stollenanlage in St. Georgen/Gusen Mahnmale für die hier zu Tode gekommenen Landsleute errichten lassen.

Wissenschaftler schätzen, dass von den 71.000 Menschen aus ganz Europa, die in das KZ Gusen deportiert wurden, mehr als 36.000 ermordet wurden. Die größten nationalen Gruppen kamen aus Polen und der Sowjetunion. Tausende waren auch aus west- und südeuropäischen Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien sowie aus Luxemburg und dem „Deutschen Reich“ hierher verfrachtet worden.

Bereits bei der Planung des KZ Mauthausen erwarb die SS auch im wenige Kilometer entfernten Gusen Granitsteinbrüche. KZ-Häftlinge aus Mauthausen errichteten das neue Lager, das ab 1940 mit einem Fassungsvermögen von etwa 6.000 Gefangenen größer angelegt war als das Stammlager in Mauthausen. Anfangs überstellte die SS vor allem polnische und spanische KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit in die Gusener Steinbrüche. Zwischen 1940 und 1942 wurden die Gefangenen zu Tausenden systematisch getötet, oder sie starben an den elenden Haftbedingungen. Noch im Herbst 1944 wurde die Massenproduktion von Flugzeugbauteilen aufgenommen: Zur Unterbringung der für die Flugzeugproduktion benötigten Häftlinge wurde das KZ Gusen im März 1944 um den Lagerteil Gusen II erweitert. Überlebende bezeichneten die Lebensbedingungen in diesem Lager als die katastrophalsten ihrer gesamten Deportationsgeschichte. Am 5. Mai 1945 wurde das Konzentrationslager Gusen von der US-Armee befreit.

gusen-memorial.org/de/Teilnehmen/Erweiterung-derKZ-Gedenkstaette-Gusen/Beteiligungsprozess-zur-Erweiterung-der-KZ-Gedenkstaette-Gusen


„Es ging darum, nicht wie ein Schaf zu sein.“

Jüdischer Widerstand. Festnahm jüdischer Widerstandskämpfer in Waschau durch die SS im Mai 1943. © akg-images / picturedesk.com; Scherl / SZ-Photo / picturedesk.com

Vom 19. April bis 16. Mai 1943 fand der Aufstand im Warschauer Ghetto statt. Es war der größte bewaffnete Widerstandsakt von Juden in Europa gegen ihre NS-Peiniger. Der Aufstand, berichten Überlebende unisono, sei vor allem eine Frage der Würde gewesen: „Es ging darum, nicht wie ein Schaf zu sein.“ Vor dem Krieg lebten in Polen so viele Juden wie in keinem anderen europäischen Staat: Bei der Volkszählung 1931 deklarierten sich mehr als drei Millionen Menschen als jüdisch.

Nach dem Überfall auf Polen im September 1939 begannen die deutschen Besatzer mit ihrer Vernichtungspolitik: Bereits im Oktober 1940 hatten die Deutschen das Ghetto wegen angeblicher Seuchengefahr errichtet und Juden aus ganz Polen und den deutschen Gebieten dort zusammengepfercht. Rund 450.000 Juden wurden dort zeitweise auf engstem Raum unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht, nur mit Hungerrationen versorgt und völlig der Willkür der SS ausgeliefert. Sie litten unter Hunger, und Krankheiten wie Typhus oder Gelbfieber breiteten sich aus. Zehntausende Menschen starben, die Straßen waren mit Leichen übersät. Von Juli bis September 1942 wurden zwischen 280.000 und 310.000 Menschen aus dem Ghetto in das NSVernichtungslager Treblinka deportiert und ermordet, etwa 10.000 starben während der Vertreibung, über 11.000 wurden in Arbeitslager in Trawniki oder Majdanek gebracht.

Nach dem Auf- stand: Deportation der letzten jüdischen Bewohner:innen des zerstörten Waschauer Ghettos, Mai 1943. ©Scherl / SZ-Photo / picturedesk.com

Der Auslöser für den verzweifelten Aufstand: Am 19. April 1943 sollten die letzten im Ghetto verbliebenen Menschen in ein Vernichtungslager deportiert werden. Aus diesem Grund erhoben sich die Bewohner gegen die Übermacht von SS und Wehrmacht. Sie wussten, dass sie den deutschen Soldaten hoffnungslos unterlegen waren, trotzdem hatten sie sich über Monate auf einen Aufstand vorbereitet.

Vier Wochen konnten sie den Widerstand aufrecht erhalten: Etwa 750 spärlich bewaffnete Kämpfer und Kämpferinnen setzten sich zur Wehr. Laut mehreren Quellen zogen sie mit wenigen Pistolen, Messern, Handgranaten und Molotow-Cocktails sowie Gewehren in den Kampf gegen gut ausgestattete und zahlenmäßig überlegene Soldaten, SS und Polizeikräfte – diese wurden durch Panzer, Artillerie und Luftwaffe unterstützt.

In den ersten Tagen des Aufstandes konnten die Kämpfer die Angriffe erfolgreich zurückschlagen, doch am Ende hatten sie keine Chance: SS-Gruppenführer Jürgen Stroop ließ das Ghetto systematisch in Brand stecken. Mehr als 7.000 Ghetto-Bewohner starben während des Aufstandes. Nach der Entdeckung der im Ghetto versteckten Juden, noch etwa 50.000, wurden diese entweder sofort erschossen oder in die Vernichtungslager verschickt. Nur wenigen gelang die Flucht durch die Kanalisation.

Die Kämpfe dauerten bis zum 16. Mai an. Nach der blutigen Niederschlagung des Widerstands wurde die Synagoge auf Befehl von Stroop zerstört. Zur symbolträchtigen Sprengung schrieb er in seinem Tagesbericht: „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk Warschau mehr.“

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