Wie der Holocaust unterrichtet werden soll

Die NS-Zeit, die Verfolgung und Ermordung von Juden und Jüdinnen müssen in der Schule vermittelt werden – das sehen nicht nur die Lehrpläne der verschiedenen Schulformen vor, darüber besteht heute auch gesellschaftlich Einigkeit. Der Unterricht zu diesem Themenkomplex läuft aber nicht immer ideal ab. Das Holocaust- und Toleranzzentrum Österreich Haus der Namen in Graz hat nun unter dem Titel Holocaust Education Richtlinien für die Vermittlung des Holocaust entwickelt und in Buchform veröffentlicht.

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Beim Holocaust handelt es sich um einen Teil der Geschichte, der nicht nur bei vielen jener Betroffenen, die glücklicherweise überleben konnten, Traumata ausgelöst hat; es handelt sich um ein Thema, das auch bei Kindern und Jugendlichen, die darüber lernen, potenziell traumatisierend wirken kann. Das zu berücksichtigen, sei entsprechend wichtig, so die Autoren und Autorinnen der Publikation, Luka Girardi, Peter Heindl, Ruth Kaufmann, Uwe Kohlhammer, Thomas Szammer, Ruth Winkler. Sie halten daher fest: „Ein potenziell traumatisierender Inhalt muss immer in ein Davor und ein Danach gebettet sein, um ihn in einer Zeitlinie bzw. in der Vernetzung von Geschehnissen sehen und erfassen zu können, die zu seiner Entstehung und Entwicklung geführt haben.“

Als weitere grundsätzliche Handlungsanleitungen geben sie Pädagoginnen und Pädagogen mit: Es sollten Geschichten realer Menschen mit ihrem Alltag, ihren Gefühlen und Gedanken im Mittelpunkt stehen. Gut sei es daher, die Erzählungen jener zu hören, die sie selbst erlebt haben. Hier kommen die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ins Spiel, die inzwischen zwar selbst meist nicht mehr leben, die aber doch ihr Zeugnis in Form von Büchern, Ton- und Filmaufnahmen hinterlassen haben.

 

„Ein potenziell traumatisierender Inhalt muss
immer in ein Davor und ein Danach gebettet sein.“

 

Die Würde der Opfer und das Gedenken an diese müssten in der Vermittlungsarbeiten absolute Priorität haben, so das Autorinnen- und Autorenteam weiter. Und: Durch die Darstellung der Opfer als Menschen lasse sich die kulturelle Vielfalt jüdischen Lebens in Europa zwischen den beiden Weltkriegen weitaus besser vermitteln als mit Hilfe von Zahlen über Opfer oder Statistiken über Gaskammern und Massengräber.

Kontext ist zudem eines der Zauberworte, das sich durch die hier formulierten Richtlinien zieht. Wer verstehen soll, muss Zusammenhänge kennen. Angeregt wird daher, eben nicht nur das Grauen, etwa im KZ Auschwitz, zu vermitteln; Kinder und Jugendliche sollten in einem gelungenen Unterricht über den Holocaust vielmehr auch über jüdisches Leben in Europa vor dem Holocaust, Antisemitismus, den Aufstieg der Nationalsozialisten, jüdisches Leben nach dem Holocaust sowie über Kultur und Toleranz lernen.

Durch diese Einbettung soll vor allem klar werden: „Der Holocaust war kein Versehen. Er geschah, weil einzelne Menschen, Organisationen und Regierungen sich entschieden, Diskriminierung zu legalisieren, und weil sie erlaubten bzw. förderten, dass Vorurteile und Hass schlussendlich zu diesem Massenmord führen konnten.“ Indem diese Entwicklung deutlich gemacht werde, könne auch und das Erkennen solcher Mechanismen in der Gegenwart gelernt werden.

Fazit: Pädagoginnen und Pädagogen, die in ihrem Unterricht den Holocaust behandeln, aber auch andere Berufsgruppen, die in der Vermittlungsarbeit tätig sind, erhalten hier klare Guidelines, wie dieses schwierige Thema altersgerecht aufbereitet und so kommuniziert werden kann, dass auch für die Gegenwart gelernt wird.

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