Das soll eine Kolumne über Umweltbewusstsein (oder dessen Fehlen) und nachhaltige Industrien in den verschiedenen Bereichen unseres Lebens werden. Ich schreibe sie nicht, weil ich mich als Spezialistin für grüne Produkte auszeichne, eher im Gegenteil: weil ich, wie die meisten von uns, eine Umweltsünderin bin. Und eine Spätzünderin. So hatte ich es lange Zeit hinweg spielend geschafft, einige Fragen einfach nicht zu stellen. Fangen wir beispielsweise bei der Modeindustrie an: Dass Lederschuhe und -taschen aus der Haut von Tieren hergestellt werden, haben wir inzwischen alle verstanden. Aber wer fragt schon danach, ob der Wollpullover von einem „glücklichen Schaf“ sei*, wie viele Pestizide für das hübsche Baumwollshirt versprüht wurden oder wie viele tausend Liter Wasser für eine Jeansjacke draufgegangen sind?
Die Modeindustrie ist bekanntlich eine der „schmutzigsten“ überhaupt, gleich hinter der Energieindustrie und der Landwirtschaft. Fast Fashion ist mittlerweile ein eigener Begriff und beinhaltet nicht nur die Hektik in der Branche, sondern auch die Kurzlebigkeit der Mode. Die Haute-Couture- und in der Folge auch die Prêt-à-porter-Produzenten bringen jährlich mindestens vier Kollektionen heraus. Und durchschnittlich jedes dritte Kleidungsstück landet nach einem halben Jahr auf dem Mist. Über ein Drittel der Plastikpartikel in unseren Meeren sollen aus der Textilproduktion stammen.
Was wir konsumieren, hängt, speziell, was Kleidung betrifft, oft von unserer psychischen Verfassung ab. Ein Einkaufsbummel kann ein netter Zeitvertreib, das Ergattern eines „Schnäppchens“ beglückend und manchmal auch tröstlich sein, wenn der Tag gerade schlecht lief. Ein Kleidungsstück vermag uns in eine andere Person zu verwandeln, kann uns „verkleiden“, unsere Stärken hervorheben oder einfach dazu beitragen, dass wir uns wohlfühlen, so wie wir sind. Was wir tragen, ist den meisten von uns wichtig, egal, welchen Stil wir wählen. Und es sagt auch viel über uns aus.
Die Modeindustrie ist
bekanntlich eine der schmutzigsten überhaupt.
Was Mode über uns verrät und was sich aus Stoffen machen lässt, hat mich immer schon fasziniert. Eine meiner absoluten Lieblingsbeschäftigungen war, schon als ich noch ein Volksschulkind war, das Wühlen in der wunderbaren großen Holzlade mit den vielen Stoffresten und -mustern im Textilgeschäft meiner Eltern. Ich liebte es, ihre Oberflächen zu befühlen, seidig weich, samtig oder rau, die Materialien nach Farben zu sortieren und dann eines meiner bevorzugten Stoffstückchen zu erbetteln, um es mit nachhause zunehmen. Als ich dann nähen konnte – das war ja damals Pflichtfach in der Schule –, schuf ich daraus oft kleine Stofftiere oder Kleider für meine Puppen und später für mich selbst. Vielleicht wurde ich deswegen in meinem ersten Beruf Kostümbildnerin. Auf dem Weg dorthin lernte ich jedoch, dass es sich eigentlich kaum noch lohnte, ein Kleidungsstück selbst zu nähen. Kaufen war wesentlich zeitsparender und wurde immer billiger.
Die Welt der Mode, vor allem der Haute Couture, ist eine Traumwelt, glitzernd und glamourös. Doch mit ihrer zunehmenden Schnelllebigkeit legten sich schwarze Wolken über ihren Prunk und Glamour, wurden doch in ihrem Namen immer mehr Tiere gequält, Böden mit Pestiziden vollgepumpt, Flüsse mit Chemikalien vergiftet, Frauen, Männer und Kinder zur Arbeit unter schlechtesten sozialen und gesundheitlichen Bedingungen angeheuert. Die Liste ist lang … Was also tun? Einfach die Augen schließen und auf zum nächsten Einkaufsbummel?
Eine absolute Vorreiterin auf dem Gebiet der nachhaltigen Mode ist die britische Designerin Amy Powney. Sie hat mit ihrem Label Mother of Pearl wesentlich mitgeholfen, die Regeln für umweltschonende Textilproduktion neu zu definieren. Als sie 2017 bei der Londoner Fashion Week den Preis für junge Designer:innen gewann, beschloss sie, das Geld für die Kreation einer organischen, sozial fairen Linie zu verwenden, deren Produktionsmethoden und Ressourcen für die bzw. den Käufer:in komplett transparent und nachvollziehbarbar sind.
Als Konsument:innen sind wir uns oft nicht bewusst, dass die Rohstoffe der Modeindustrie aus der Landwirtschaft kommen. Powney, die Tochter eines Landwirts, die in einem Wohnwagen fern der Stadt aufwuchs, weiß es. Deswegen flog sie beinahe um die ganze Welt und arbeitete knapp drei Jahre daran, Rohstoffe und Webereien zu finden, die ihren Kriterien von nachhaltiger Produktion und Produkten entsprachen: Ihre neue Kollektion No Frills sollte nicht nur organisch und fair sein (auch zu Tieren), sie sollte auch mit geringer CO2- Emission und minimalem Wasserverbrauch produziert werden. Und darüber hinaus sollte ein Kleidungsstück während seiner Herstellung möglichst nicht um alle fünf Kontinente gereist sein, wie das bei herkömmlichen Produzenten oft üblich ist. Dabei fand sie übrigens auch eine Kammgarn- und Leinenweberei im österreichischen Feistritz an der Gail.
In ihrem heuer herausgekommenen Dokumentationsfilm Fashion Reimagined, der in faszinierender Weise die Erfolge und Rückschläge bei den Recherchen für diese Kollektion beschreibt, sagt sie: „Ich dachte immer, warum tut nicht irgendjemand etwas, um dem (Überleben des) Planeten zu helfen? Bis ich verstand, dass auch ich dieser ‚Irgendjemand‘ bin.“ Wir alle sind dieser oder diese „Irgendjemand“, die etwas verändern können. Ich lade Sie ein auf eine Entdeckungsreise durch die Studios und Köpfe von jungen, kreativen Designer:innen, die neue (oder wieder erneuerte) Ideen zum Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Textilindustrie entwickelt und wiederentdeckt haben, darunter Erneuern und Umnähen, Recyceln, Mode, deren Rohstoffe rückverfolgt werden können, und Vintage-Mode … aber auch das „Aufräumen“ unserer Welt und die Entwicklung umweltschonender Produkte auf anderen Sektoren werden hier ihren Platz finden.
Viel Spaß! Und vergessen Sie bitte nicht, das Magazin nach dem Lesen zum Altpapier zu legen …
* Apropos „glückliche Schafe“: In Australien, wo ein Großteil unserer Wolle herkommt, werden Schafe ohne Schmerzmittel oder Betäubung einer Mulesierung unterzogen, wobei die Haut um den Schwanz und manchmal auch der ganze Schwanz abgetrennt werden, um Madenbefall zu verhindern.