Der Knotenpunkt Praterstern ist ein Zentrum des zweiten Bezirks, sagt die Architektin Natalie Neubauer (KENH). „Die zentrale Idee ist, dass es hier durch eine Vielzahl von Interventionen ein belebtes Miteinander unterschiedlichster Gruppen von Menschen gibt. Das sind Personen, die dort leben, und jene, die den Verkehrsknotenpunkt nutzen, und das angesichts einer komplexen urbanen Bevölkerungsstruktur. Das macht es für uns als Planerinnen sehr spannend.“ Neubauer selbst lebt auf der Taborstraße, das Büro von KENH ist ums Eck vom Praterstern. „Dieses Grätzel ist auch unser Grätzel. Es war und ist daher für uns sehr spannend in der Auseinandersetzung.“
Aus erster Hand kennt das KENH-Team einerseits die Schwachstellen, andererseits aber auch die Entwicklung des Platzes. Vielleicht war das auch ein Grund, warum sie sich im zweistufigen Auswahlverfahren – Auftraggeber ist die Magistratsabteilung 19 der Stadt Wien (MA 19 Architektur und Stadtgestaltung) – mit ihrem Konzept zur Umgestaltung der Flächen rund um den Bahnhof durchsetzen konnten. Mitverfolgen konnte man zum Beispiel, wie gut die temporäre Bewässerung des Bahnhofsplatzes ankam, die im heißen Sommer 2019 für ein bisschen Abkühlung sorgte. Man kennt aber auch die
Debatten um die subjektiv gefühlte Sicherheit am Praterstern und kann sie mit dem vergleichen, was ist. Da gilt: Der Praterstern war auch schon in den vergangenen Jahren besser als sein Ruf.
Und: KENH plant auch das neue Lokal, das hier entstehen soll. Die ehemalige Polizeistation soll sich in ein vegan/vegetarisches Deli verwandeln, das auf Bio und regionale Zutaten setzt. Habs Gut soll das neue Lokal heißen, das einerseits auf ein umfangreiches Take-away-Angebot setzt, andererseits auch zum Verweilen einlädt – vom Frühstück über ein rasches Mittagessen bis hin zum After-Work-Drink mit Häppchen, so Kim Tien.
Nicht nur das Habs Gut, das schon diesen Herbst öffnen soll, soll den Platz einladender machen. Die Pergolagestänge, deren Bepflanzung am Ende zu einer recht traurigen Angelegenheit geriet, wurden bereits entfernt. Das erlaubt den direkten Blick auf den Bahnhof und trägt zum Sicherheitsgefühl bei, erklärt Eric Tschaikner von KENH. Dieses soll durch ein neues Beleuchtungskonzept (umgestiegen wird dabei auch auf LED-Lampen) unterstützt werden. Besser beleuchtet wird übrigens auch die historische Unterführung zum Prater.
Die zentrale Idee ist, dass es hier durch eine Vielzahl von Interventionen ein belebtes
Miteinander unterschiedlichster Gruppen von Menschen gibt.
Natalie Neubauer
Möglichkeiten schaffen. Durch die Entfernung der Gestänge wurde auch mehr Freifläche geschaffen. Diese soll künftig unterschiedliche bespielt werden, wie Tschaikner betont. Möglich sei ein Bauernmarkt ebenso wie kleinere kulturelle Events. Die Planer geben dabei nichts vor, sondern schaffen Möglichkeiten und sind schon selbst gespannt, wie es sich entwickelt. Die Wasserspiele sind auf 500 Quadratmetern so gestaltet, dass sie direkt in den Boden eingelassen werden. Sind sie ausgeschalten, kann die Fläche daher für verschiedenste Events genutzt werden.
Grundsätzlich sollen die Wasserspiele nur in der wärmeren Jahreszeit zum Einsatz kommen, erklärt Sabine Dessovic von DnD Landschaftsplanung. In fünf Grad-Schritten kommen jeweils mehr Wassermengen zum Einsatz, die Düsen schreiben dabei jeweils eine Choreografie auf den Platz, der Platz werde dadurch immer wieder anders wirken, meint Tschaikner. Je nach Windstärke gibt es feineren oder gröberen Sprühnebel, wobei die Tröpfchen am Praterstern vom Boden hochsteigen werden. „Wir haben verschiedene Düsen ausprobiert und dabei festgestellt: Feiner Nebel wirkt nur, wenn es windstill ist“, erklärt Dessovic.
Zum Verweilen einladen sollen künftig auch großzügig auf den Flächen vor und hinter dem Bahnhof verteilte Sitzgelegenheiten. Da sind zum einen die „Pratoide“ – Betonellipsen, auf die Sitzschalen montiert werden. Sie werden indirekt beleuchtet. Zum anderen wird es Sitzsteine geben. Hier kann man sich hinsetzen, wenn man auf jemanden wartet oder schnell eine Kleinigkeit essen wird. Wie und von wem all diese Angebote angenommen werden, wird dann allerdings ohnehin erst der Alltag zeigen. Das Planungsteam setzt auch auf mehr Grün als bisher. Gegenüber dem Niveau der umgebenden Straße etwas erhöht werden sich Grünbeete über den Platz verteilen. Bäume, von denen es künftig doppelt so viele geben wird als bisher, werden über ein unterirdisches Schwammsystem gewässert, erläutert Dessovic. „So können sie überleben, präsent sind dann vor allem große Baumkronen.“
Nichts verändert wurde an Straßen- und Radwegeführung. Viel könnte sich aber für jene 150.000 Menschen ändern, die den Praterstern täglich kreuzen. Vielleicht wird dann das Tegethoff-Denkmal zur Tribüne für Darbietungen von Straßenkünstlern und der Wasserstern zum sommerlichen Kinderspielplatz. Das alles klingt in jedem Fall nach mehr Miteinander und weniger Konflikt. Und genau dazu soll die Umgestaltung des prominenten Wiener Platzes beitragen, der auch durch den nahe gelegenen Wurstelprater in Nicht-Corona-Zeiten von zahlreichen Touristen und Touristinnen frequentiert wird.
KENH Architekten
Seit 2005 arbeiten Kim Tien, Eric Tschaikner und Natalie Neubauer gemeinsam, 2019 gründeten sie das Büro KENH Architekten ZT GmbH, das derzeit sechs Mitarbeiter beschäftigt. KENH plant Projekte im Wohn- und Städtebau, Hospitality und Retail und setzt diese auch um. Das Team übernimmt zudem Haussanierungen im In- und Ausland.
kenh.at
DND Landschaftsplanung
Anna Detzlhofer und Sabine Dessovic arbeiten seit 2003 zusammen. 2012 gründeten sie die DnD Landschaftsplanung ZT KG mit aktuell 15 Mitarbeitern. Die Arbeitsschwerpunkte sind Landschaftsplanung und Städtebau. Aktuell wurden die Umgestaltung der Neubaugasse und die Landschaftsarchitektur der Kepler Universität Linz fertiggestellt.
dnd.at