Aus dem Bügel wurde der Bagel

Eine Imbissstube am Anfang der Währinger Straße hat sich viel vorgenommen.

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wina- TIPP 1683 – Handmade Bagels & Farm Coffee Währinger Straße 12, 1090 Wien Mo.–Fr., 7.30–18.30, Sa., So.: 9.30–18.30 Uhr bagel1683.at © Reinhard Engel

So kleine Lokale mit einem so großen Geschichtsbewusstsein findet man selten: Bagel 1683 mit der Jahreszahl der Zweiten Türkenbelagerung von Wien haben drei Jungunternehmer gegründet, deren unterschiedliche Herkunft allein schon geschichtsträchtig ist. „Ich bin Vorarlberger mit türkisch-sefardischen Vorfahren“, lacht Kelesoglu Kadir und weist auf seine polnischen und österreichischen Partner hin. Diese drei Länder waren 1683 in die damaligen kriegerischen Auseinandersetzungen involviert.
Doch in diesem modernen, optisch geschmackvoll eingerichteten Lokal mit knapp 30 Sitzplätzen herrscht kein Krieg, sondern viel mehr eine große Portion Humor: Gegenüber der Theke zieren zwei witzige Zeichnungen des Falter-Karikaturisten Bernd Püribauer die Wand. „1683 fängt in Wien die Erfolgsgeschichte des Bagel an, wenn man der Überlieferung glaubt“, erzählt Kadir. Ein jüdischer Bäcker soll damals dem polnischen König und Oberbefehlshaber über das christliche Entsatzheer, Jan III. Sobieski, für die Befreiung der Stadt so dankbar gewesen sein, dass er ihm das Gebäckstück in Form eines Steigbügels – daher zuerst auch Beigel genannt – als Geschenk überreicht habe.

„Ich bin Vorarlberger
mit türkisch-sefardischen Vorfahren.“

Von hier aus eroberte der Bagel dann die Welt – und kehrte laut Lokalbetreibern im Oktober 2017 in der Originalfassung nach Wien zurück. Angedockt an das Votiv-Kino besucht eine bunte Schar aus der Umgebung das Lokal: „Wir haben sehr ernährungsbewusste Kunden unter den Ärzten, die hier im Neunten ihre Ordinationen haben. Aber auch die Studenten von den nahen Universitätsgebäuden gehören zu unseren Stammkunden wie auch die jüdischen Hochschüler, die quasi unsere Nachbarn sind“, freut sich der studierte Politologe und Neogastronom.
Daher gibt es auch nur Bagel aus Dinkel- oder Vollkornweizen, ohne Zuckerzusatz. Ein Spezialbäcker, dessen Name geheim bleibt, produziert alle Bagel, auch jene, die hier als „koscher“ apostrophiert werden. Standesgemäß steht der Bagel mit dem Namen Sobieski als erster auf der Angebotstafel: Dieser ist gefüllt mit Cream Cheese, Schnittlauch, Rucola und einer Honig-Senf-Sauce um 4,20 €; Tribut wird auch jener Stadt gezollt, in der Bagels am häufigsten gegessen werden, nämlich New York, und zwar mit der bekanntesten Füllung: Cream Cheese, Lachs, roten Zwiebeln, Rucola und einer Auswahl an drei Saucen: Honig-Senf, Orange-Senf oder Aioli (um 5,80 €). Der Italian kommt mit Pesto; der Tuna Bagel mit Tunfischaufstrich, das ist der zweite vertraute Klassiker. Auch an die steigende Zahl von Veganern wurde gedacht: Der Avocado Bagel enthält Guacamole, Tomaten, Karotten, rote Zwiebel und Salat um 6 €. Make your own heißt der individuell zusammengestellte Bagel mit Aufstrich, Toppings und Sauce um 6,20 €. Ein Special ist der Bagel français mit Cream Cheese, Camembert, Preiselbeermarmelade und Gurken. Alkohol wird nicht angeboten, dafür eine Vielzahl an Obst- und Natursäften. Dank der Zusammenarbeit mit Roman Schärf, dem Gründer und Haupteigentümer der Daniel-Moser-Gruppe, kann man hier nicht nur exzellenten Kaffee trinken, sondern auch die Lokalhistorie abrunden: Das erste Kaffeehaus in Wien wurde 1685 an der Stelle eröffnet, an der sich heute das Café Daniel Moser in der Rotenturmstraße befindet.

Paprikasch

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