Koscher in Rom

Nur einen Block von der großen Synagoge entfernt, bietet sich jüdisch-mediterran-italienische Küchenkunst geballt an. Mitten drin das Restaurant Ba’Ghetto.

1849
© Reinhard Engel

WINA-TIPP
BA’GHETTO
Via del Portico d’Ottavia 57, I-00186 Roma
Tel.: +39 (0)668 89 28 68
baghetto.com

„Das müsst ihr alles essen, es schmeckt wie Chips.“ Ilan, der Patron des koscheren römischen Restaurants Ba’Ghetto, lässt bei den Touristen keine Zweifel aufkommen, was sein Signature Dish angeht: die Carciofo alla Giudia, die Artischocke auf jüdische Art. Da liegt sie jetzt in einem Alu-Reindl, präsentiert auf Papier, das einer Zeitung mit hebräischer Schrift nachempfunden ist. Ein wenig ähnelt sie einer alpinen Distel, scheinbar stachelig und goldbraun. Doch der Restaurantchef hat Recht: Die kross frittierten Blätter lassen sich leicht herunterbrechen und knacken zwischen den Zähnen wie selbstgemachte Kartoffelchips – mit einem feinen Zusatzgeschmack. Wer sich bis ans Herz der Artischocke durchgearbeitet hat, findet dort das gewohnte blassgrüne, zarte Fruchtfleisch. Es sind eigentlich zwei Gerichte in einem, simpel und raffiniert zugleich.

Das Ba’Ghetto liegt in der Via del Portico d’Ottavia, einen Block vom Ostufer des Tiber und der großen Synagoge entfernt, mitten in der Jewish Food Alley von Rom. Hier wurlt es fast den ganzen Tag, hier stößt ein koscheres Lokal an das nächste, etwa das BellaCarne, bei dem schon im Namen sein fleischiger Charakter unübersehbar ist; dann die ebenfalls fleischigen Renato al Ghetto oder Su Ghetto sowie eine Reihe milchiger Konditoreien, Eisgeschäfte oder Bäckereien, etwa das fleischlose Schwesterchen von Ba’Ghetto, das Milky. Ba’Ghetto hat übrigens auch weitere Verwandte in Mailand oder Florenz.

Chef oder Kellner kommen vorbei und führen Schmäh
auf Iwrit oder im weichen römischen Italienisch.

 

Zurück an den koscheren Tisch in Rom. Die Vorspeisenkarte beginnt eben mit der Carciofo alla Giudia (5 Euro), aber man kann auch um denselben Preis die traditionelle römische (gekochte) Variante kosten. Mit frittierten Zucciniblüten folgt noch eine weitere lokale Spezialität (3 Euro pro Stück), dann wird es schnell orientalisch-mediterran: jemenitische Focaccia mit scharfer Sauce (4 Euro), am gemischten mediterranen Teller (12 Euro) ist neben Falafel, Tabulé und Humus eine ganze Ecke für die grellrote Harissa reserviert, die tunesischen Buriks werden entweder mit Ei oder mit Kartoffel gefüllt (5 Euro). Polpettine BaGhetto aus fein faschiertem Kalbfleisch in Tomatensauce leiten dann schon zu den Hauptspeisen über (10 Euro). Wer davor noch einen PrimoGang schafft, muss schon viele Besucher-Kilometer in den Sneakers haben –oder tagelange Entbehrungen hinter sich. Zur Wahl stehen etwa koschere Spaghetti Carbonara (12 Euro), Fettucine all ragú di agnello, Bandnudeln mit Lammsauce (12 Euro) oder klassischer Couscous mit Kichererbsen, Fleisch und Gemüse (14 Euro).

Carciofo alla Giudia, die jüdische Artischocke – das Signature Dish im römischen Ba’Ghetto. © Reinhard Engel

Die Hauptspeisen bieten dann zwar auch einen Baccala alla Giudia, einen jüdischen Stockfisch (18 Euro), aber der Schwerpunkt liegt eindeutig auf Fleisch, geschmort oder gegrillt. In erstere Kategorie fällt das Gulasch BaGhetto (18 Euro), in der zweiten drängen sich Rindstournedos (24 Euro), köstliches Shish Kebab vom Rind mit Tahina (16 Euro) oder das ganz große italienische Steak, das florentinische, hier in der koscheren Variante. Dieses wird nach Gewicht berechnet und hat mindestens ein halbes Kilo.

Die kulinarischen Highlights unterstützt das Ba’Ghetto mit einer vernünftig kalkulierte Weinkarte aus italienischen Regionen und aus Israel. Die einzelnen Weißen und Roten zeigen eine genaue Kennzeichnung, ob sie mevushal (abgekocht) wurden oder nicht, koscher sind sie alle.

Dazu kommt dann noch der Unterhaltungs-aspekt. Zwar finden sich an der Mehrzahl der kleinen Tische zwischen Hauswand und Straße friedliche, hungrige und genießerische Touristenpärchen. Doch immer wieder kommen Haverim vom Chef oder den Kellnern vorbei, führen Schmäh auf Iwrit oder im weichen römischen Italienisch. Und natürlich gibt es dazwischen die langen Familientische, an denen die Sprachen durcheinander purzeln und die Bestellungen einmal passen und dann wieder lautstark reklamiert und geändert werden. Ob es Streit ist oder bloß Lust am lauten Diskurs, wird nicht ganz klar. Wer die Gruppe ist, kann der Kellner berichten: „Die kommen öfter, sie sind aus Panama.“

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