Der einst so ruhige Platz vor dem Tel Aviv Museum ist kaum wiederzuerkennen. Von derartigen Besucherzahlen für seine Freilichtskulpturen konnte das Museum nur träumen. Der Kikar HaHatufim, der Geiselplatz, wie er jetzt genannt wird, ist zu einer Einrichtung geworden. Abertausende Menschen finden sich dort täglich ein, hören den Rednern zu, sprechen mit Angehörigen der Entführten, studieren deren Fotos und Geschichten und betrachten die Installationen. Da sind der nachgebaute Gazatunnel mit der Soundkulisse von Detonationen und Raketen, ein Zelt der Nova-Party, unter dem die gefesselten Beine einer Frau hervorschauen. Da sind der lange Schabbattisch mit den leeren Stühlen, die Wunschbäume, an denen Kinder und Jugendliche ihre Wünsche zur Beendung des Krieges aufgehängt haben, und das Kunstwerk mit den angebissenen Pitas, das auf den ständigen Hunger der Gefangenen anspielt. Und darauf, dass sie eine einzige Pita auf mehrere Tage aufteilen müssen. Fast täglich demonstrieren hier Frauen der Organisation Women for Peace für die Freilassung der Geisel. „Kein Preis ist zu hoch“, steht da unter anderem auf den Plakaten. Auf der Rednerbühne melden sich vor allem betroffene Angehörige zu Wort, und bei den kleinen Informationszelten der Kibbuzim aus dem Süden kann man mit Menschen, die das Massaker des 7. Oktober überlebt haben, ins Gespräch kommen.
Ein Lichtblick auf dem Platz ist jeden Freitagvormittag der Blumenstand von Hila Mayzels mit hunderten gelben Sträußen. Beinahe drei Millionen Shekel an Reingewinn hat diese private Initiative bereits eingebracht, die netto an die betroffenen Familien und ihren „Kampf“ für das Nachhausekommen der Entführten weitergegeben werden. Die Familien halten sich zumeist in den Einrichtungen der Headquarters der Organisation Bring them Home rund um den Museumsplatz auf. Sie sprechen mit privaten Besuchern und Delegationen und bleiben in dieser Zeit des endlosen Bangens und Wartens um ihre Lieben zusammen. Viele übernachten sogar in einem extra für sie zur Verfügung gestellten Gebäude vis-à-vis des Museums. Volontäre geben ihnen dort Behandlungen und Massagen und kochen auch für sie. „Es ist wirklich unglaublich, wie man sich hier um die Angehörigen der Geiseln kümmert“, meint Mayzels. „All das sind private Initiativen, damit diese Menschen in eine Gemeinschaft eingebettet und nicht allein sind.“ So können sie sich ausschließlich dem Kampf um ihre Lieben widmen und alles nur Menschenmögliche tun, um die Gefangenen zurückzubringen. Dazu gehören neben Demonstrationen, Interviews und Informationsgesprächen, die das Bewusstsein um die Lage der Verschleppten aufrechterhalten sollen, auch die Reisen von Delegationen ins Ausland. Das Projekt Ein Strauß für die Hoffnung bringt da zusätzliche dringend benötigte Spendengelder.
»All das sind private Initiativen, damit diese Menschen in eine Gemeinschaft eingebettet und nicht allein sind.«
Hila Mayzels
Die Idee zu dieser Aktion kam der gelernten Grafikerin über die Assoziation zu Farben und durch ihre Liebe für Blumen. „Anfangs gab es täglich hunderte Begräbnisse, und ich habe geholfen, die Kränze vorzubereiten. Die Gärtnereien aus dem Süden haben diese verrückten Mengen von Blumen gespendet, alles war gratis, es war unglaublich!“, erinnert sie sich an die ersten Wochen nach Beginn des Krieges: „Als dieser Irrsinn vorbei war, wollte ich unbedingt weiter etwas tun, ich dachte an Blumen und an die Farbe Gelb.“ Gelb ist die Farbe der Bänder, die man jetzt oft an den Rückspiegeln vieler israelischer Autos wehen sieht, und die Farbe der kleinen Anstecknadeln mit den Schleifen, die viele öffentliche Personen jetzt auf der Kleidung tragen. Gelb ist die Farbe der Hoffnung. Der Hoffnung, dass die Geiseln doch noch zurückkehren können. Und so ist Gelb die Farbe, die Hila Mayzels für die Blumensträuße ausgesucht hat, die jede Woche den Schabbattisch möglichst vieler Familien zieren sollen. „Damit wir“, wie sie sagt, „keinen Augenblick vergessen, dass diese Menschen noch immer in Gefangenschaft sind“.
Frauentag im Schatten des Krieges. Inzwischen gibt es die Stände mit den gelben Sträußen für die Hoffnung jede Woche auch in vielen anderen Städten in Israel und sogar in Florida und London. Alle Volontäre werden von Mayzels unterstützt, und sie gibt den Erlös wöchentlich an die Zentrale von Bring them Home in Tel Aviv weiter.
Ein weiteres Ziel des Projekts war es, die Gärtnereien im Süden zu unterstützen, doch mittlerweile muss Hila etwa ein Drittel der Ware, vor allem die Tulpen, aus Holland dazukaufen. „Es gibt hier nicht so viele gelbe Blumen, viele Felder sind bei dem Massaker verbrannt, und die ausländischen Arbeiter sind abgereist. Aber ich bin froh, dass jetzt wenigstens die gelben Alstroemeria hier blühen“, erzählt sie. Großzügig gesponsert wurde das Projekt Ein Strauß für die Hoffnung von Anfang an von der Kedar-Stiftung für Wissenschaft, Kunst und Kultur. Für den diesjährigen internationalen Frauentag haben auch viele große Firmen gespendet, und Mayzels konnte insgesamt beinahe 1,5 Millionen an Reingewinn einnehmen.
Das Werbematerial wird von der Grafikerin selbst entworfen. „Dieses Jahr gibt es 19 Gründe, den internationalen Frauentag zu begehen: Neama, Judy, Noa, Romi, Arbel, Carmel, Mia, Eden, Inbar, Doron, Liri, Daniela, Schiri, Schani, Karina, Amit, Agas, Ofra (und noch ein Name, der nicht zur Veröffentlichung freigegeben wurde). Alle unsere Bemühungen sind vergebens, solange diese Frauen noch in der Gefangenschaft der Hamas sind“, kann man auf einem der gelben Flyer lesen.
Alle Volontäre kommen seit der ersten Woche der Aktion jeden Freitag, um beim Verkauf zu helfen, und auch Mayzels’ Kinder helfen mit. Sie alle hoffen jedes Mal, dass es das letzte Mal ist, dass sie mit den Sträußen an die Geiseln erinnern müssen. Jeden Freitagabend ist die dreifache Mutter völlig erschöpft von Organisation und Verkauf. Aber für sie ist und bleibt klar: „Ich will etwas beitragen – und dieses Projekt hat mich vor den Schmerzen dieses Traumas gerettet.“